Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

meinem trefflichen Gedächtnisse leicht nachholen. Er wird mich lieb gewinnen, und bald werde ich ihm unentbehrlich sein. Der Umgang mit der großen Welt wird nach und nach Alles das wegschleifen, was mir noch von schlechten Gesellschaften anhängen mag. Reise ich nun auch mit ihm und muß mich etwa ein Jahr, oder selbst noch länger, von hiesiger Gegend entfernen, so dient dies auch in fremden Ländern nur um so mehr dazu, mich in seiner Gunst recht fest zu setzen. Wir kommen dann zurück; meiner Bildung, meinen Ansprüchen kommen durch seine Protection die ansehnlichsten Stellen hier, oder auch im Auslande, entgegen, und ich werde gewiß alsdann nicht vergessen haben, daß es doch Sophie eigentlich war, die mein besseres Selbst zuerst aus seinem Schlaf erweckte.

Er war nun angekleidet und so trunken von seinen Hoffnungen, daß er es nicht merkte, wie er wieder die nämlichen Worte vor sich selber aussprach, über welche er sich vorhin verlacht hatte. Er nahm die ganz erblühte Monatsrose aus dem Glase und drückte sie, um sich zu seinem Gange zu stärken, an den Mund, aber zugleich fielen ihm alle ihre Blätter vor die Füße. Eine üble Vorbedeutung! seufzte er und ging aus dem Hause, um in den Wagen zu steigen.

Als er im Palast angelangt war, gab er dem Bedienten den Brief, welcher ihn dem Prinzen empfehlen sollte. Indem er den Spiegelwänden vorüber spazierte, kam zu seiner Verwunderung der junge Dietrich aus

meinem trefflichen Gedächtnisse leicht nachholen. Er wird mich lieb gewinnen, und bald werde ich ihm unentbehrlich sein. Der Umgang mit der großen Welt wird nach und nach Alles das wegschleifen, was mir noch von schlechten Gesellschaften anhängen mag. Reise ich nun auch mit ihm und muß mich etwa ein Jahr, oder selbst noch länger, von hiesiger Gegend entfernen, so dient dies auch in fremden Ländern nur um so mehr dazu, mich in seiner Gunst recht fest zu setzen. Wir kommen dann zurück; meiner Bildung, meinen Ansprüchen kommen durch seine Protection die ansehnlichsten Stellen hier, oder auch im Auslande, entgegen, und ich werde gewiß alsdann nicht vergessen haben, daß es doch Sophie eigentlich war, die mein besseres Selbst zuerst aus seinem Schlaf erweckte.

Er war nun angekleidet und so trunken von seinen Hoffnungen, daß er es nicht merkte, wie er wieder die nämlichen Worte vor sich selber aussprach, über welche er sich vorhin verlacht hatte. Er nahm die ganz erblühte Monatsrose aus dem Glase und drückte sie, um sich zu seinem Gange zu stärken, an den Mund, aber zugleich fielen ihm alle ihre Blätter vor die Füße. Eine üble Vorbedeutung! seufzte er und ging aus dem Hause, um in den Wagen zu steigen.

Als er im Palast angelangt war, gab er dem Bedienten den Brief, welcher ihn dem Prinzen empfehlen sollte. Indem er den Spiegelwänden vorüber spazierte, kam zu seiner Verwunderung der junge Dietrich aus

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="6">
        <p><pb facs="#f0083"/>
meinem trefflichen Gedächtnisse leicht                nachholen. Er wird mich lieb gewinnen, und bald werde ich ihm unentbehrlich sein. Der                Umgang mit der großen Welt wird nach und nach Alles das wegschleifen, was mir noch                von schlechten Gesellschaften anhängen mag. Reise ich nun auch mit ihm und muß mich                etwa ein Jahr, oder selbst noch länger, von hiesiger Gegend entfernen, so dient dies                auch in fremden Ländern nur um so mehr dazu, mich in seiner Gunst recht fest zu                setzen. Wir kommen dann zurück; meiner Bildung, meinen Ansprüchen kommen durch seine                Protection die ansehnlichsten Stellen hier, oder auch im Auslande, entgegen, und ich                werde gewiß alsdann nicht vergessen haben, daß es doch Sophie eigentlich war, die                mein besseres Selbst zuerst aus seinem Schlaf erweckte.</p><lb/>
        <p>Er war nun angekleidet und so trunken von seinen Hoffnungen, daß er es nicht merkte,                wie er wieder die nämlichen Worte vor sich selber aussprach, über welche er sich                vorhin verlacht hatte. Er nahm die ganz erblühte Monatsrose aus dem Glase und drückte                sie, um sich zu seinem Gange zu stärken, an den Mund, aber zugleich fielen ihm alle                ihre Blätter vor die Füße. Eine üble Vorbedeutung! seufzte er und ging aus dem Hause,                um in den Wagen zu steigen.</p><lb/>
        <p>Als er im Palast angelangt war, gab er dem Bedienten den Brief, welcher ihn dem                Prinzen empfehlen sollte. Indem er den Spiegelwänden vorüber spazierte, kam zu seiner                Verwunderung der junge Dietrich aus<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0083] meinem trefflichen Gedächtnisse leicht nachholen. Er wird mich lieb gewinnen, und bald werde ich ihm unentbehrlich sein. Der Umgang mit der großen Welt wird nach und nach Alles das wegschleifen, was mir noch von schlechten Gesellschaften anhängen mag. Reise ich nun auch mit ihm und muß mich etwa ein Jahr, oder selbst noch länger, von hiesiger Gegend entfernen, so dient dies auch in fremden Ländern nur um so mehr dazu, mich in seiner Gunst recht fest zu setzen. Wir kommen dann zurück; meiner Bildung, meinen Ansprüchen kommen durch seine Protection die ansehnlichsten Stellen hier, oder auch im Auslande, entgegen, und ich werde gewiß alsdann nicht vergessen haben, daß es doch Sophie eigentlich war, die mein besseres Selbst zuerst aus seinem Schlaf erweckte. Er war nun angekleidet und so trunken von seinen Hoffnungen, daß er es nicht merkte, wie er wieder die nämlichen Worte vor sich selber aussprach, über welche er sich vorhin verlacht hatte. Er nahm die ganz erblühte Monatsrose aus dem Glase und drückte sie, um sich zu seinem Gange zu stärken, an den Mund, aber zugleich fielen ihm alle ihre Blätter vor die Füße. Eine üble Vorbedeutung! seufzte er und ging aus dem Hause, um in den Wagen zu steigen. Als er im Palast angelangt war, gab er dem Bedienten den Brief, welcher ihn dem Prinzen empfehlen sollte. Indem er den Spiegelwänden vorüber spazierte, kam zu seiner Verwunderung der junge Dietrich aus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/83
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/83>, abgerufen am 30.11.2024.