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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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barkeit des Alten, kurz vor seinem Tode sind alle diese Stücke verschwunden, ohne Spur verschwunden. Hat er sie verkauft? Er hat nie diese Frage beantwortet, und seine Bücher hätten es nach seinem Tode ausweisen müssen, die aber nichts davon sagten. Hat er sie verschenkt? Aber wem? Man muß fürchten, und der Gedanke ist herzzerreißend, er hat sie in einer Art von wahnsinniger Schwermuth, weil er sie wohl keinem andern Menschen auf Erden gönnen mochte, kurz vor seinem Tode vernichtet. Vernichtet! Fassen Sie es, begreift ein Mensch diese furchtbare Abwesenheit, wenn mein Vedacht gegründet ist?

Der Alte war so erschüttert, daß er seine Thränen nicht zurück halten konnte, und Eulenböck zog ein ungeheures gelbseidenes Tuch aus der Tasche, um in auffallender Rührung sein dunkelrothes Gesicht abzutrocknen. Erinnern Sie sich wohl noch, hub er schluchzend an, des sonderbaren Bildes von Quintin Messys, auf dem ein junger Schäfer und ein Mädchen in seltsamer Tracht abgebildet waren, beide herrlich ausgearbeitet, und wovon er behauptete, die Figuren sähen seinem Sohne und Ihrer Tochter ähnlich.

Die Aehnlichkeit war damals auffallend, erwiderte Erich. Sie haben aber noch den Johannes zu nennen vergessen, der wenigstens mit dem Guido wetteifern konnte. Dies Bild war vielleicht von Domenichino, wenigstens war es jenem berühmten äußerst ähnlich. Dieser Blick des Jünglings nach dem Himmel, die Be-

barkeit des Alten, kurz vor seinem Tode sind alle diese Stücke verschwunden, ohne Spur verschwunden. Hat er sie verkauft? Er hat nie diese Frage beantwortet, und seine Bücher hätten es nach seinem Tode ausweisen müssen, die aber nichts davon sagten. Hat er sie verschenkt? Aber wem? Man muß fürchten, und der Gedanke ist herzzerreißend, er hat sie in einer Art von wahnsinniger Schwermuth, weil er sie wohl keinem andern Menschen auf Erden gönnen mochte, kurz vor seinem Tode vernichtet. Vernichtet! Fassen Sie es, begreift ein Mensch diese furchtbare Abwesenheit, wenn mein Vedacht gegründet ist?

Der Alte war so erschüttert, daß er seine Thränen nicht zurück halten konnte, und Eulenböck zog ein ungeheures gelbseidenes Tuch aus der Tasche, um in auffallender Rührung sein dunkelrothes Gesicht abzutrocknen. Erinnern Sie sich wohl noch, hub er schluchzend an, des sonderbaren Bildes von Quintin Messys, auf dem ein junger Schäfer und ein Mädchen in seltsamer Tracht abgebildet waren, beide herrlich ausgearbeitet, und wovon er behauptete, die Figuren sähen seinem Sohne und Ihrer Tochter ähnlich.

Die Aehnlichkeit war damals auffallend, erwiderte Erich. Sie haben aber noch den Johannes zu nennen vergessen, der wenigstens mit dem Guido wetteifern konnte. Dies Bild war vielleicht von Domenichino, wenigstens war es jenem berühmten äußerst ähnlich. Dieser Blick des Jünglings nach dem Himmel, die Be-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/50>, abgerufen am 23.11.2024.