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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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röthend an, und Eulenböck trank mit großem Wohlbehagen, indeß der Fremde den Alten mit Ernst anhörte, der, seiner Sache gewiß, um so eifriger fortfuhr: Nein, wohl dem Manne, der, mit dieser verkehrenden Leidenschaft völlig unbekannt, den vernünftigen Entschluß faßt, sich in den Stand der Ehe zu begeben, und Heil dem Mädchen, das züchtig den Gemahl findet, ohne jene Scenen des Wahnsinns je mit ihm gespielt zu haben, denn alsdann findet sich jene Zufriedenheit, jene Ruhe und jener Segen, der unsern Vorfahren nicht unbekannt war, und den die heutige Welt nicht mehr achten will. In diesen Ehen, welche nach vernünftiger Ueberlegung, in Demuth und stiller Ergebenheit geschlossen wurden, fanden die Menschen damals im wachsenden Vertrauen, in zunehmender Zärtlichkeit und im gegenseitigen Ertragen der Schwächen ein Glück, welches dem jetzigen hochfahrenden Geschlechte zu geringe erscheint, und das auch darum nur Elend und Noth, Unzufriedenheit und Mißverständniß, Zwietracht und Verachtung im Garten seines Lebens baut. Früh schon an den Rausch der Leidenschaft gewöhnt, suchen sie auch diesen in der Ehe und verachten die Nothwendigkeit des alltäglichen Lebens, erneuern dann rechts und links in mannigfaltigen und immer geringeren Abwechselungen die Kunststücke ihres Liebeshandwerks und gehen so in Schlechtigkeit und Selbstbetrug unter.

Sehr bitter, aber wahr, sagte der Unbekannte mit nachdenklicher Miene.

röthend an, und Eulenböck trank mit großem Wohlbehagen, indeß der Fremde den Alten mit Ernst anhörte, der, seiner Sache gewiß, um so eifriger fortfuhr: Nein, wohl dem Manne, der, mit dieser verkehrenden Leidenschaft völlig unbekannt, den vernünftigen Entschluß faßt, sich in den Stand der Ehe zu begeben, und Heil dem Mädchen, das züchtig den Gemahl findet, ohne jene Scenen des Wahnsinns je mit ihm gespielt zu haben, denn alsdann findet sich jene Zufriedenheit, jene Ruhe und jener Segen, der unsern Vorfahren nicht unbekannt war, und den die heutige Welt nicht mehr achten will. In diesen Ehen, welche nach vernünftiger Ueberlegung, in Demuth und stiller Ergebenheit geschlossen wurden, fanden die Menschen damals im wachsenden Vertrauen, in zunehmender Zärtlichkeit und im gegenseitigen Ertragen der Schwächen ein Glück, welches dem jetzigen hochfahrenden Geschlechte zu geringe erscheint, und das auch darum nur Elend und Noth, Unzufriedenheit und Mißverständniß, Zwietracht und Verachtung im Garten seines Lebens baut. Früh schon an den Rausch der Leidenschaft gewöhnt, suchen sie auch diesen in der Ehe und verachten die Nothwendigkeit des alltäglichen Lebens, erneuern dann rechts und links in mannigfaltigen und immer geringeren Abwechselungen die Kunststücke ihres Liebeshandwerks und gehen so in Schlechtigkeit und Selbstbetrug unter.

Sehr bitter, aber wahr, sagte der Unbekannte mit nachdenklicher Miene.

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[0037] röthend an, und Eulenböck trank mit großem Wohlbehagen, indeß der Fremde den Alten mit Ernst anhörte, der, seiner Sache gewiß, um so eifriger fortfuhr: Nein, wohl dem Manne, der, mit dieser verkehrenden Leidenschaft völlig unbekannt, den vernünftigen Entschluß faßt, sich in den Stand der Ehe zu begeben, und Heil dem Mädchen, das züchtig den Gemahl findet, ohne jene Scenen des Wahnsinns je mit ihm gespielt zu haben, denn alsdann findet sich jene Zufriedenheit, jene Ruhe und jener Segen, der unsern Vorfahren nicht unbekannt war, und den die heutige Welt nicht mehr achten will. In diesen Ehen, welche nach vernünftiger Ueberlegung, in Demuth und stiller Ergebenheit geschlossen wurden, fanden die Menschen damals im wachsenden Vertrauen, in zunehmender Zärtlichkeit und im gegenseitigen Ertragen der Schwächen ein Glück, welches dem jetzigen hochfahrenden Geschlechte zu geringe erscheint, und das auch darum nur Elend und Noth, Unzufriedenheit und Mißverständniß, Zwietracht und Verachtung im Garten seines Lebens baut. Früh schon an den Rausch der Leidenschaft gewöhnt, suchen sie auch diesen in der Ehe und verachten die Nothwendigkeit des alltäglichen Lebens, erneuern dann rechts und links in mannigfaltigen und immer geringeren Abwechselungen die Kunststücke ihres Liebeshandwerks und gehen so in Schlechtigkeit und Selbstbetrug unter. Sehr bitter, aber wahr, sagte der Unbekannte mit nachdenklicher Miene.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:27:02Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:27:02Z)

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/37>, abgerufen am 24.11.2024.