Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.lings; und ob ihm gleich dessen Art, die Kunst auszuüben, so wenig wie die, sich zu kleiden, recht war, so hätte er doch auch diesen gern als Schwiegersohn umarmt, weil er überzeugt sein konnte, daß der junge Mensch für sein Kunstvermächtniß die höchste Ehrerbietung hegen würde. Der alte Maler Eulenböck konnte ihm für seine Plane nie in die Gedanken kommen; aber seit gestern hatte er den fremden Kunstkenner mit väterlichem Auge gemustert, und die schnippische Antwort der Tochter, mit der sie sich über diesen geäußert hatte, war ihm daher um so empfindlicher. Er mochte es sich nicht gestehen, aber er dachte, wenn er in die Zukunft schaute, weit mehr an das Heil seiner Sammlung, als an das Glück seines Kindes. Selbst der junge Herr von Eisenschlicht, der Sohn eines Wucherers, wäre ihm zum Eidam erwünscht gewesen, weil der junge Mensch auf Reisen sich ziemlich gebildet hatte; und da dieser zugleich die Neigungen seines Vaters besaß, so ließ sich wohl erwarten, daß er aus jeder Rücksicht eine so kostbare Sammlung in Ehren halten würde. So war der Vormittag verstrichen, und die Gäste fanden sich nach und nach ein. Zuerst der jüngste, Dietrich, im sogenannten altdeutschen Rocke, die weißlichen Haare auf den Schultern hängend, und mit einem blonden Bärtchen, das sein rosenrothes durchsichtiges Antlitz nicht entstellte. Er erkundigte sich sogleich angelegentlich nach der Tochter, und diese erschien, geschmückt, in einem grünseidenen Kleide, das den Glanz ihres Ge- lings; und ob ihm gleich dessen Art, die Kunst auszuüben, so wenig wie die, sich zu kleiden, recht war, so hätte er doch auch diesen gern als Schwiegersohn umarmt, weil er überzeugt sein konnte, daß der junge Mensch für sein Kunstvermächtniß die höchste Ehrerbietung hegen würde. Der alte Maler Eulenböck konnte ihm für seine Plane nie in die Gedanken kommen; aber seit gestern hatte er den fremden Kunstkenner mit väterlichem Auge gemustert, und die schnippische Antwort der Tochter, mit der sie sich über diesen geäußert hatte, war ihm daher um so empfindlicher. Er mochte es sich nicht gestehen, aber er dachte, wenn er in die Zukunft schaute, weit mehr an das Heil seiner Sammlung, als an das Glück seines Kindes. Selbst der junge Herr von Eisenschlicht, der Sohn eines Wucherers, wäre ihm zum Eidam erwünscht gewesen, weil der junge Mensch auf Reisen sich ziemlich gebildet hatte; und da dieser zugleich die Neigungen seines Vaters besaß, so ließ sich wohl erwarten, daß er aus jeder Rücksicht eine so kostbare Sammlung in Ehren halten würde. So war der Vormittag verstrichen, und die Gäste fanden sich nach und nach ein. Zuerst der jüngste, Dietrich, im sogenannten altdeutschen Rocke, die weißlichen Haare auf den Schultern hängend, und mit einem blonden Bärtchen, das sein rosenrothes durchsichtiges Antlitz nicht entstellte. Er erkundigte sich sogleich angelegentlich nach der Tochter, und diese erschien, geschmückt, in einem grünseidenen Kleide, das den Glanz ihres Ge- <TEI> <text> <body> <div n="3"> <p><pb facs="#f0033"/> lings; und ob ihm gleich dessen Art, die Kunst auszuüben, so wenig wie die, sich zu kleiden, recht war, so hätte er doch auch diesen gern als Schwiegersohn umarmt, weil er überzeugt sein konnte, daß der junge Mensch für sein Kunstvermächtniß die höchste Ehrerbietung hegen würde. Der alte Maler Eulenböck konnte ihm für seine Plane nie in die Gedanken kommen; aber seit gestern hatte er den fremden Kunstkenner mit väterlichem Auge gemustert, und die schnippische Antwort der Tochter, mit der sie sich über diesen geäußert hatte, war ihm daher um so empfindlicher. Er mochte es sich nicht gestehen, aber er dachte, wenn er in die Zukunft schaute, weit mehr an das Heil seiner Sammlung, als an das Glück seines Kindes. Selbst der junge Herr von Eisenschlicht, der Sohn eines Wucherers, wäre ihm zum Eidam erwünscht gewesen, weil der junge Mensch auf Reisen sich ziemlich gebildet hatte; und da dieser zugleich die Neigungen seines Vaters besaß, so ließ sich wohl erwarten, daß er aus jeder Rücksicht eine so kostbare Sammlung in Ehren halten würde.</p><lb/> <p>So war der Vormittag verstrichen, und die Gäste fanden sich nach und nach ein. Zuerst der jüngste, Dietrich, im sogenannten altdeutschen Rocke, die weißlichen Haare auf den Schultern hängend, und mit einem blonden Bärtchen, das sein rosenrothes durchsichtiges Antlitz nicht entstellte. Er erkundigte sich sogleich angelegentlich nach der Tochter, und diese erschien, geschmückt, in einem grünseidenen Kleide, das den Glanz ihres Ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0033]
lings; und ob ihm gleich dessen Art, die Kunst auszuüben, so wenig wie die, sich zu kleiden, recht war, so hätte er doch auch diesen gern als Schwiegersohn umarmt, weil er überzeugt sein konnte, daß der junge Mensch für sein Kunstvermächtniß die höchste Ehrerbietung hegen würde. Der alte Maler Eulenböck konnte ihm für seine Plane nie in die Gedanken kommen; aber seit gestern hatte er den fremden Kunstkenner mit väterlichem Auge gemustert, und die schnippische Antwort der Tochter, mit der sie sich über diesen geäußert hatte, war ihm daher um so empfindlicher. Er mochte es sich nicht gestehen, aber er dachte, wenn er in die Zukunft schaute, weit mehr an das Heil seiner Sammlung, als an das Glück seines Kindes. Selbst der junge Herr von Eisenschlicht, der Sohn eines Wucherers, wäre ihm zum Eidam erwünscht gewesen, weil der junge Mensch auf Reisen sich ziemlich gebildet hatte; und da dieser zugleich die Neigungen seines Vaters besaß, so ließ sich wohl erwarten, daß er aus jeder Rücksicht eine so kostbare Sammlung in Ehren halten würde.
So war der Vormittag verstrichen, und die Gäste fanden sich nach und nach ein. Zuerst der jüngste, Dietrich, im sogenannten altdeutschen Rocke, die weißlichen Haare auf den Schultern hängend, und mit einem blonden Bärtchen, das sein rosenrothes durchsichtiges Antlitz nicht entstellte. Er erkundigte sich sogleich angelegentlich nach der Tochter, und diese erschien, geschmückt, in einem grünseidenen Kleide, das den Glanz ihres Ge-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:27:02Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:27:02Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |