Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Brand; denn Rahmen drängte sich an Rahmen, einer kostbarer als der andere, und in ihnen alle jene verloren gewähnten Gemälde seines Vaters, um die der alte Walther und Erich so oft gejammert hatten. Der Erlöser Guido's, der Johannes von Domenichino, sie alle schauten ihn an, und er fühlte sich selbst gerührt, andächtig, erstaunt, wie in einer bezauberten Welt. Als er sich besann, floßen seine Thränen, und er blieb dort, die Kälte nicht achtend, unter seinen neugefundenen Schätzen sitzen, bis der Morgen herauf dämmerte. Walther war eben vom Tisch aufgestanden, als Erich eilig zu ihm in den Gemäldesaal trat. Was ist dir, mein Freund? rief der Rath aus: hast du Geister gesehen? -- Wie du es nimmst, erwiderte Erich: mache dich auf eine außerordentliche Nachricht gefaßt. -- Nun? -- Was gäbest du wohl, was thätest du wohl dafür, wenn alle die verlorenen Malereien deines seligen Freundes, jene unschätzbaren Kostbarkeiten wieder da wären und dein werden könnten? Himmel! rief der Rath aus und verfärbte sich: ich habe keinen Athem. Was sagst du? -- Sie sind da, rief Jener, und können dein Eigenthum werden, -- Ich habe kein Vermögen, sie zu kaufen, sagte der Rath: aber Alles, Alles würde ich geben, sie zu erhalten, meine Gallerie und Vermögen, aber ich bin zu arm Brand; denn Rahmen drängte sich an Rahmen, einer kostbarer als der andere, und in ihnen alle jene verloren gewähnten Gemälde seines Vaters, um die der alte Walther und Erich so oft gejammert hatten. Der Erlöser Guido's, der Johannes von Domenichino, sie alle schauten ihn an, und er fühlte sich selbst gerührt, andächtig, erstaunt, wie in einer bezauberten Welt. Als er sich besann, floßen seine Thränen, und er blieb dort, die Kälte nicht achtend, unter seinen neugefundenen Schätzen sitzen, bis der Morgen herauf dämmerte. Walther war eben vom Tisch aufgestanden, als Erich eilig zu ihm in den Gemäldesaal trat. Was ist dir, mein Freund? rief der Rath aus: hast du Geister gesehen? — Wie du es nimmst, erwiderte Erich: mache dich auf eine außerordentliche Nachricht gefaßt. — Nun? — Was gäbest du wohl, was thätest du wohl dafür, wenn alle die verlorenen Malereien deines seligen Freundes, jene unschätzbaren Kostbarkeiten wieder da wären und dein werden könnten? Himmel! rief der Rath aus und verfärbte sich: ich habe keinen Athem. Was sagst du? — Sie sind da, rief Jener, und können dein Eigenthum werden, — Ich habe kein Vermögen, sie zu kaufen, sagte der Rath: aber Alles, Alles würde ich geben, sie zu erhalten, meine Gallerie und Vermögen, aber ich bin zu arm <TEI> <text> <body> <div n="7"> <p><pb facs="#f0123"/> Brand; denn Rahmen drängte sich an Rahmen, einer kostbarer als der andere, und in ihnen alle jene verloren gewähnten Gemälde seines Vaters, um die der alte Walther und Erich so oft gejammert hatten. Der Erlöser Guido's, der Johannes von Domenichino, sie alle schauten ihn an, und er fühlte sich selbst gerührt, andächtig, erstaunt, wie in einer bezauberten Welt. Als er sich besann, floßen seine Thränen, und er blieb dort, die Kälte nicht achtend, unter seinen neugefundenen Schätzen sitzen, bis der Morgen herauf dämmerte.</p><lb/> </div> <div n="8"> <p>Walther war eben vom Tisch aufgestanden, als Erich eilig zu ihm in den Gemäldesaal trat. Was ist dir, mein Freund? rief der Rath aus: hast du Geister gesehen? — Wie du es nimmst, erwiderte Erich: mache dich auf eine außerordentliche Nachricht gefaßt. — Nun? — Was gäbest du wohl, was thätest du wohl dafür, wenn alle die verlorenen Malereien deines seligen Freundes, jene unschätzbaren Kostbarkeiten wieder da wären und dein werden könnten?</p><lb/> <p>Himmel! rief der Rath aus und verfärbte sich: ich habe keinen Athem. Was sagst du? — Sie sind da, rief Jener, und können dein Eigenthum werden, — Ich habe kein Vermögen, sie zu kaufen, sagte der Rath: aber Alles, Alles würde ich geben, sie zu erhalten, meine Gallerie und Vermögen, aber ich bin zu arm<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0123]
Brand; denn Rahmen drängte sich an Rahmen, einer kostbarer als der andere, und in ihnen alle jene verloren gewähnten Gemälde seines Vaters, um die der alte Walther und Erich so oft gejammert hatten. Der Erlöser Guido's, der Johannes von Domenichino, sie alle schauten ihn an, und er fühlte sich selbst gerührt, andächtig, erstaunt, wie in einer bezauberten Welt. Als er sich besann, floßen seine Thränen, und er blieb dort, die Kälte nicht achtend, unter seinen neugefundenen Schätzen sitzen, bis der Morgen herauf dämmerte.
Walther war eben vom Tisch aufgestanden, als Erich eilig zu ihm in den Gemäldesaal trat. Was ist dir, mein Freund? rief der Rath aus: hast du Geister gesehen? — Wie du es nimmst, erwiderte Erich: mache dich auf eine außerordentliche Nachricht gefaßt. — Nun? — Was gäbest du wohl, was thätest du wohl dafür, wenn alle die verlorenen Malereien deines seligen Freundes, jene unschätzbaren Kostbarkeiten wieder da wären und dein werden könnten?
Himmel! rief der Rath aus und verfärbte sich: ich habe keinen Athem. Was sagst du? — Sie sind da, rief Jener, und können dein Eigenthum werden, — Ich habe kein Vermögen, sie zu kaufen, sagte der Rath: aber Alles, Alles würde ich geben, sie zu erhalten, meine Gallerie und Vermögen, aber ich bin zu arm
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/123>, abgerufen am 22.02.2025. |