ner war sehr freundschaftlich und aufrichtig. Als Arzt aber hatte ich besonders verschiedne erwünschte Gelegen- heiten dazu. Es traf sich oft, daß ich ihnen oder ihren zu Hause gelaßnen Kranken, Angehörigen und Freun- den mit nützlichem Rath und heilsamen Medicamenten an Hand gehen konnte. Den Nutzen meiner medicini- schen Kenntnisse sahen sie noch mehr ein, als ich nach und nach unter den in ihrem eignen Lande wild wachsenden Gewächsen verschiedne sehr wirksame Arzneymittel ent- deckte. Und weil ich nicht zu der handelnden Classe ge- hörte, war ich weniger verdächtig als andre.
So wohl durch die Dolmetscher als die auf der In- sel oft befindlichen Beamten suchte ich mir eine Freyheit zu verschaffen, die sonst keinem Europäer ertheilt wird, nämlich auf dem Felde um die Stadt zu botanisiren. Anfangs schien meine Bemühung ziemlich zu glücken, und ich erhielt wirklich die Erlaubniß des Gouverneurs; in kurzem aber wurde sie wieder aufgehoben. Die Ursa- che davon war sehr lächerlich. Die Japaner sind in Rück- sicht auf die Europäer sehr argwöhnisch, und der Statt- halter scheuet sich ungemein, ihnen etwas zu bewilligen, wovon man vorher noch kein Exempel hat. Wie ich nun um Verstattung botanischer Excursionen ansuchte, sahe man in den Tagebüchern nach, ob ein Holländer ir- gend vorher dergleichen Freyheit gehabt habe. Man fand, daß vor langer Zeit, als viele Krankheiten grassirt, und es an Arzneymitteln zu fehlen angefangen hatte, ein Chirurgus in der Gegend der Stadt umher gewandert war, um dergleichen zu suchen, und bewilligte mein Ge- such ohne Bedenken. Hernach aber bey genauerer Un- tersuchung zeigte es sich, daß jener nur Unter-Feldscher gewesen sey, mir also als Ober-Feldscher dergleichen Er- laubniß nicht zu Theil werden könne. Ein so kleiner Um-
Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
ner war ſehr freundſchaftlich und aufrichtig. Als Arzt aber hatte ich beſonders verſchiedne erwuͤnſchte Gelegen- heiten dazu. Es traf ſich oft, daß ich ihnen oder ihren zu Hauſe gelaßnen Kranken, Angehoͤrigen und Freun- den mit nuͤtzlichem Rath und heilſamen Medicamenten an Hand gehen konnte. Den Nutzen meiner medicini- ſchen Kenntniſſe ſahen ſie noch mehr ein, als ich nach und nach unter den in ihrem eignen Lande wild wachſenden Gewaͤchſen verſchiedne ſehr wirkſame Arzneymittel ent- deckte. Und weil ich nicht zu der handelnden Claſſe ge- hoͤrte, war ich weniger verdaͤchtig als andre.
So wohl durch die Dolmetſcher als die auf der In- ſel oft befindlichen Beamten ſuchte ich mir eine Freyheit zu verſchaffen, die ſonſt keinem Europaͤer ertheilt wird, naͤmlich auf dem Felde um die Stadt zu botaniſiren. Anfangs ſchien meine Bemuͤhung ziemlich zu gluͤcken, und ich erhielt wirklich die Erlaubniß des Gouverneurs; in kurzem aber wurde ſie wieder aufgehoben. Die Urſa- che davon war ſehr laͤcherlich. Die Japaner ſind in Ruͤck- ſicht auf die Europaͤer ſehr argwoͤhniſch, und der Statt- halter ſcheuet ſich ungemein, ihnen etwas zu bewilligen, wovon man vorher noch kein Exempel hat. Wie ich nun um Verſtattung botaniſcher Excurſionen anſuchte, ſahe man in den Tagebuͤchern nach, ob ein Hollaͤnder ir- gend vorher dergleichen Freyheit gehabt habe. Man fand, daß vor langer Zeit, als viele Krankheiten graſſirt, und es an Arzneymitteln zu fehlen angefangen hatte, ein Chirurgus in der Gegend der Stadt umher gewandert war, um dergleichen zu ſuchen, und bewilligte mein Ge- ſuch ohne Bedenken. Hernach aber bey genauerer Un- terſuchung zeigte es ſich, daß jener nur Unter-Feldſcher geweſen ſey, mir alſo als Ober-Feldſcher dergleichen Er- laubniß nicht zu Theil werden koͤnne. Ein ſo kleiner Um-
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[25/0059]
Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
ner war ſehr freundſchaftlich und aufrichtig. Als Arzt
aber hatte ich beſonders verſchiedne erwuͤnſchte Gelegen-
heiten dazu. Es traf ſich oft, daß ich ihnen oder ihren
zu Hauſe gelaßnen Kranken, Angehoͤrigen und Freun-
den mit nuͤtzlichem Rath und heilſamen Medicamenten
an Hand gehen konnte. Den Nutzen meiner medicini-
ſchen Kenntniſſe ſahen ſie noch mehr ein, als ich nach
und nach unter den in ihrem eignen Lande wild wachſenden
Gewaͤchſen verſchiedne ſehr wirkſame Arzneymittel ent-
deckte. Und weil ich nicht zu der handelnden Claſſe ge-
hoͤrte, war ich weniger verdaͤchtig als andre.
So wohl durch die Dolmetſcher als die auf der In-
ſel oft befindlichen Beamten ſuchte ich mir eine Freyheit
zu verſchaffen, die ſonſt keinem Europaͤer ertheilt wird,
naͤmlich auf dem Felde um die Stadt zu botaniſiren.
Anfangs ſchien meine Bemuͤhung ziemlich zu gluͤcken,
und ich erhielt wirklich die Erlaubniß des Gouverneurs;
in kurzem aber wurde ſie wieder aufgehoben. Die Urſa-
che davon war ſehr laͤcherlich. Die Japaner ſind in Ruͤck-
ſicht auf die Europaͤer ſehr argwoͤhniſch, und der Statt-
halter ſcheuet ſich ungemein, ihnen etwas zu bewilligen,
wovon man vorher noch kein Exempel hat. Wie ich
nun um Verſtattung botaniſcher Excurſionen anſuchte,
ſahe man in den Tagebuͤchern nach, ob ein Hollaͤnder ir-
gend vorher dergleichen Freyheit gehabt habe. Man
fand, daß vor langer Zeit, als viele Krankheiten graſſirt,
und es an Arzneymitteln zu fehlen angefangen hatte, ein
Chirurgus in der Gegend der Stadt umher gewandert
war, um dergleichen zu ſuchen, und bewilligte mein Ge-
ſuch ohne Bedenken. Hernach aber bey genauerer Un-
terſuchung zeigte es ſich, daß jener nur Unter-Feldſcher
geweſen ſey, mir alſo als Ober-Feldſcher dergleichen Er-
laubniß nicht zu Theil werden koͤnne. Ein ſo kleiner Um-
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/59>, abgerufen am 16.02.2025.
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