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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Zoologische Nachrichten von Ceylon.
stehen. Ich habe sie gewöhnlich von der Größe eines
Hühnereyes gesehen, aber doch auch eins, das so groß
als ein Gänseey, kugelrund und ganz braun war. Ge-
meiniglich sind sie nicht ganz rund, wiewohl sie auch
nicht spitz zugehen.

Man hat in diesem Lande viele zahme Schlangen.
Die sogenannten Schlangenbeschwörer, welches Mala-
baren
sind, ziehen damit umher, und lassen sie für Geld
tanzen und allerhand Künste machen. Diese Leute strei-
cheln sie, nehmen sie in die Hand und nöthigen sie auch
wohl zu beißen. Wenn sie mit einer kleinen Pfeife
pfeifen, heben die Schlangen den Kopf in die Höhe und
drehen ihn nach einem gewissen Tacte hin und her.
Dergleichen Schlangenbeschwörer durchstreichen das
Land eben so, als in Europa die Leute, welche Bären,
Murmelthiere, Affen und dergleichen für Geld sehen
und ihre Künste machen lassen.

Skorpionen hat Ceylon in sehr großer Menge.
Man hört indessen doch selten von Unglück, das sie ver-
ursachen. Wenn es geregnet hat, sieht man sie, so wie
auch die indianischen Asseln (Scolopendramo[i]sitans), aus
ihren Löchern hervorkommen, und haufenweise in die
Häuser kriechen, wo man die Thüren der Hitze wegen
gewöhnlich offen stehen läßt.

Blutigel (Hirudo) sind in den Wäldern, beson-
ders oben an den Bergen, in Menge anzutreffen. Sie
sind rothbraun, von der Dicke eines Eisendraths, und
einen Zoll lang. Wenn man da, wo sie sich aufhalten,
geht, so setzen sie sich sogleich an den Füßen fest, und
saugen das Blut aus, wenn man auch zwey baum-
wollene Strümpfe übereinander an hat. Graf Ran-
zow
erzählte mir, ein Europäer, an welchem einmal

M 4

Zoologiſche Nachrichten von Ceylon.
ſtehen. Ich habe ſie gewoͤhnlich von der Groͤße eines
Huͤhnereyes geſehen, aber doch auch eins, das ſo groß
als ein Gaͤnſeey, kugelrund und ganz braun war. Ge-
meiniglich ſind ſie nicht ganz rund, wiewohl ſie auch
nicht ſpitz zugehen.

Man hat in dieſem Lande viele zahme Schlangen.
Die ſogenannten Schlangenbeſchwoͤrer, welches Mala-
baren
ſind, ziehen damit umher, und laſſen ſie fuͤr Geld
tanzen und allerhand Kuͤnſte machen. Dieſe Leute ſtrei-
cheln ſie, nehmen ſie in die Hand und noͤthigen ſie auch
wohl zu beißen. Wenn ſie mit einer kleinen Pfeife
pfeifen, heben die Schlangen den Kopf in die Hoͤhe und
drehen ihn nach einem gewiſſen Tacte hin und her.
Dergleichen Schlangenbeſchwoͤrer durchſtreichen das
Land eben ſo, als in Europa die Leute, welche Baͤren,
Murmelthiere, Affen und dergleichen fuͤr Geld ſehen
und ihre Kuͤnſte machen laſſen.

Skorpionen hat Ceylon in ſehr großer Menge.
Man hoͤrt indeſſen doch ſelten von Ungluͤck, das ſie ver-
urſachen. Wenn es geregnet hat, ſieht man ſie, ſo wie
auch die indianiſchen Aſſeln (Scolopendramo[i]ſitans), aus
ihren Loͤchern hervorkommen, und haufenweiſe in die
Haͤuſer kriechen, wo man die Thuͤren der Hitze wegen
gewoͤhnlich offen ſtehen laͤßt.

Blutigel (Hirudo) ſind in den Waͤldern, beſon-
ders oben an den Bergen, in Menge anzutreffen. Sie
ſind rothbraun, von der Dicke eines Eiſendraths, und
einen Zoll lang. Wenn man da, wo ſie ſich aufhalten,
geht, ſo ſetzen ſie ſich ſogleich an den Fuͤßen feſt, und
ſaugen das Blut aus, wenn man auch zwey baum-
wollene Struͤmpfe uͤbereinander an hat. Graf Ran-
zow
erzaͤhlte mir, ein Europaͤer, an welchem einmal

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[183/0479] Zoologiſche Nachrichten von Ceylon. ſtehen. Ich habe ſie gewoͤhnlich von der Groͤße eines Huͤhnereyes geſehen, aber doch auch eins, das ſo groß als ein Gaͤnſeey, kugelrund und ganz braun war. Ge- meiniglich ſind ſie nicht ganz rund, wiewohl ſie auch nicht ſpitz zugehen. Man hat in dieſem Lande viele zahme Schlangen. Die ſogenannten Schlangenbeſchwoͤrer, welches Mala- baren ſind, ziehen damit umher, und laſſen ſie fuͤr Geld tanzen und allerhand Kuͤnſte machen. Dieſe Leute ſtrei- cheln ſie, nehmen ſie in die Hand und noͤthigen ſie auch wohl zu beißen. Wenn ſie mit einer kleinen Pfeife pfeifen, heben die Schlangen den Kopf in die Hoͤhe und drehen ihn nach einem gewiſſen Tacte hin und her. Dergleichen Schlangenbeſchwoͤrer durchſtreichen das Land eben ſo, als in Europa die Leute, welche Baͤren, Murmelthiere, Affen und dergleichen fuͤr Geld ſehen und ihre Kuͤnſte machen laſſen. Skorpionen hat Ceylon in ſehr großer Menge. Man hoͤrt indeſſen doch ſelten von Ungluͤck, das ſie ver- urſachen. Wenn es geregnet hat, ſieht man ſie, ſo wie auch die indianiſchen Aſſeln (Scolopendramoiſitans), aus ihren Loͤchern hervorkommen, und haufenweiſe in die Haͤuſer kriechen, wo man die Thuͤren der Hitze wegen gewoͤhnlich offen ſtehen laͤßt. Blutigel (Hirudo) ſind in den Waͤldern, beſon- ders oben an den Bergen, in Menge anzutreffen. Sie ſind rothbraun, von der Dicke eines Eiſendraths, und einen Zoll lang. Wenn man da, wo ſie ſich aufhalten, geht, ſo ſetzen ſie ſich ſogleich an den Fuͤßen feſt, und ſaugen das Blut aus, wenn man auch zwey baum- wollene Struͤmpfe uͤbereinander an hat. Graf Ran- zow erzaͤhlte mir, ein Europaͤer, an welchem einmal M 4

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/479>, abgerufen am 23.07.2024.