Der Generalgouverneur von der Parra*), war im vorigen Jahre ebenfalls mit Tode abgegangen, und ich hatte an ihm einen wahren Gönner verloren. Er war ein verständiger Mann und hat auch der hollän- dischen Compagnie viele Dienste geleistet, ob er gleich nicht unterlassen hat, in der langen Zeit da er diesem einträglichen Amte vorgestanden, auch für sich selbst zu sorgen. Er hinterließ seinem Sohne, der sein ein- ziger Erbe war, mehr als vier Millionen Gulden. An seiner Stelle führte jetzt von Riemsdyk den Ober- befehl in Ostindien. Dies war ein alter, abgelebter Mann, der sich durch Eigennützigkeit sehr, und durch sonst nichts auszeichnete. Als ich nach meiner Zurück- kunft Seiner Edlen, -- dies ist der gewöhnliche Titel des Generalgouverneurs zu Batavia -- aufwartete, fragte er mich über die Krankheit seiner Frau um Rath, diese bestand aber in einem Krebsschaden an der einen Brust, der schlechterdings unheilbar war.
Herr Radermacher, bey dem ich nächst andern Freundschaftsbezeugungen wöchentlich ein paar mal zu Gaste war, pflegte sich fast jedesmal mit mir über Ja- pan zu unterhalten. Einstmals fragte er Herrn Feith, der zuletzt Chef des holländischen Handels in Japan, und in dessen Gefolge ich gewesen war, nach dem Na- men des damahligen Kaisers in Japan. Herr Feith gestand, daß er ihn nicht wisse, ob er gleich wenig- stens vierzehn Jahr im Lande zugebracht, und vier- mal als Ambassadeur beym Kaiser Audienz gehabt hatte. Am folgenden Tage, als ich bey Herrn Rader- macher zu Tische war, sagte er zu mir, ich hätte ihm
*) Von ihm so wie von meinem Gönner dem großen Beförderer der Wissenschaften, Herrn Radermacher, sehe man im zweyten Theile des ersten Bandes S. 189. sqq.
Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Der Generalgouverneur von der Parra*), war im vorigen Jahre ebenfalls mit Tode abgegangen, und ich hatte an ihm einen wahren Goͤnner verloren. Er war ein verſtaͤndiger Mann und hat auch der hollaͤn- diſchen Compagnie viele Dienſte geleiſtet, ob er gleich nicht unterlaſſen hat, in der langen Zeit da er dieſem eintraͤglichen Amte vorgeſtanden, auch fuͤr ſich ſelbſt zu ſorgen. Er hinterließ ſeinem Sohne, der ſein ein- ziger Erbe war, mehr als vier Millionen Gulden. An ſeiner Stelle fuͤhrte jetzt von Riemsdyk den Ober- befehl in Oſtindien. Dies war ein alter, abgelebter Mann, der ſich durch Eigennuͤtzigkeit ſehr, und durch ſonſt nichts auszeichnete. Als ich nach meiner Zuruͤck- kunft Seiner Edlen, — dies iſt der gewoͤhnliche Titel des Generalgouverneurs zu Batavia — aufwartete, fragte er mich uͤber die Krankheit ſeiner Frau um Rath, dieſe beſtand aber in einem Krebsſchaden an der einen Bruſt, der ſchlechterdings unheilbar war.
Herr Radermacher, bey dem ich naͤchſt andern Freundſchaftsbezeugungen woͤchentlich ein paar mal zu Gaſte war, pflegte ſich faſt jedesmal mit mir uͤber Ja- pan zu unterhalten. Einſtmals fragte er Herrn Feith, der zuletzt Chef des hollaͤndiſchen Handels in Japan, und in deſſen Gefolge ich geweſen war, nach dem Na- men des damahligen Kaiſers in Japan. Herr Feith geſtand, daß er ihn nicht wiſſe, ob er gleich wenig- ſtens vierzehn Jahr im Lande zugebracht, und vier- mal als Ambaſſadeur beym Kaiſer Audienz gehabt hatte. Am folgenden Tage, als ich bey Herrn Rader- macher zu Tiſche war, ſagte er zu mir, ich haͤtte ihm
*) Von ihm ſo wie von meinem Goͤnner dem großen Befoͤrderer der Wiſſenſchaften, Herrn Radermacher, ſehe man im zweyten Theile des erſten Bandes S. 189. ſqq.
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Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Der Generalgouverneur von der Parra *), war
im vorigen Jahre ebenfalls mit Tode abgegangen, und
ich hatte an ihm einen wahren Goͤnner verloren. Er
war ein verſtaͤndiger Mann und hat auch der hollaͤn-
diſchen Compagnie viele Dienſte geleiſtet, ob er gleich
nicht unterlaſſen hat, in der langen Zeit da er dieſem
eintraͤglichen Amte vorgeſtanden, auch fuͤr ſich ſelbſt
zu ſorgen. Er hinterließ ſeinem Sohne, der ſein ein-
ziger Erbe war, mehr als vier Millionen Gulden.
An ſeiner Stelle fuͤhrte jetzt von Riemsdyk den Ober-
befehl in Oſtindien. Dies war ein alter, abgelebter
Mann, der ſich durch Eigennuͤtzigkeit ſehr, und durch
ſonſt nichts auszeichnete. Als ich nach meiner Zuruͤck-
kunft Seiner Edlen, — dies iſt der gewoͤhnliche Titel
des Generalgouverneurs zu Batavia — aufwartete,
fragte er mich uͤber die Krankheit ſeiner Frau um Rath,
dieſe beſtand aber in einem Krebsſchaden an der einen
Bruſt, der ſchlechterdings unheilbar war.
Herr Radermacher, bey dem ich naͤchſt andern
Freundſchaftsbezeugungen woͤchentlich ein paar mal zu
Gaſte war, pflegte ſich faſt jedesmal mit mir uͤber Ja-
pan zu unterhalten. Einſtmals fragte er Herrn Feith,
der zuletzt Chef des hollaͤndiſchen Handels in Japan,
und in deſſen Gefolge ich geweſen war, nach dem Na-
men des damahligen Kaiſers in Japan. Herr Feith
geſtand, daß er ihn nicht wiſſe, ob er gleich wenig-
ſtens vierzehn Jahr im Lande zugebracht, und vier-
mal als Ambaſſadeur beym Kaiſer Audienz gehabt
hatte. Am folgenden Tage, als ich bey Herrn Rader-
macher zu Tiſche war, ſagte er zu mir, ich haͤtte ihm
*) Von ihm ſo wie von meinem Goͤnner dem großen Befoͤrderer
der Wiſſenſchaften, Herrn Radermacher, ſehe man im
zweyten Theile des erſten Bandes S. 189. ſqq.
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/426>, abgerufen am 24.11.2024.
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