den heftigen Stößen und stetem Hin- und Herschwanken des Schiffs hielt ich mich meistens auf dem Verdecke in freyer Luft auf. Zum Schutz gegen das heran stürmen- de Wasser hatte man an einer Seite ein Segeltuch auf- gespannt, das auch wirklich etwas schützte. Dagegen erfuhr ich sehr bald eine andre große Unbequemlichkeit da- von. Bey einem heftigen Stoße wurde ich von dieser Seite über das rund erhabne schlüpfrige Verdeck nach der andern Seite geworfen, und das mit solcher Gewalt, daß ich Gefahr lief, über Bord zu fallen: zum Glück war die Brustlehne, wie auf allen Ostindischen Schiffen, sehr hoch. Beynahe hätte ich aber doch das rechte Bein ge- brochen, weil der Stoß gegen den Bord so heftig war; nun kam ich noch mit einer großen Beule davon. Nach Verlauf einiger Tage überfiel uns zum fünften Mahl Sturm und Regenwetter, das vier und zwanzig Stun- den dauerte.
Hieraus kann man sehen, wie beschwerlich und ge- fahrvoll die Reise nach Japan, und wie unruhig und stürmisch das Meer auf beyden Seiten von Formosa ist, und zwar selbst in der besten Jahrszeit, der einzigen, da Schiffe drey bis vier Monathe in einem Japanischen Hafen mit Sicherheit liegen können. Eine umständliche und ausführliche Beschreibung der Stürme in diesen Fahrwassern findet man beym Kämpfer. Die Com- pagnie rechnet von fünf hieher gehenden Schiffen, eins für verlohren. Daß dies mit einer mehr als hundertjäh- rigen Erfahrung überein stimmt, kann man aus dem vor- handnen Verzeichnisse der verunglückten Schiffe sehen, von denen man zum Theil gar nicht weiß, wo sie geblie- ben sind. In folgenden Jahren nämlich sind, in je- dem ein Schiff verlohren gegangen: 1651, 1652, 1653, 1658, 1659, 1664, 1668, 1670, 1671,
Reiſe von Batavia nach Japan u. ſ. w.
den heftigen Stoͤßen und ſtetem Hin- und Herſchwanken des Schiffs hielt ich mich meiſtens auf dem Verdecke in freyer Luft auf. Zum Schutz gegen das heran ſtuͤrmen- de Waſſer hatte man an einer Seite ein Segeltuch auf- geſpannt, das auch wirklich etwas ſchuͤtzte. Dagegen erfuhr ich ſehr bald eine andre große Unbequemlichkeit da- von. Bey einem heftigen Stoße wurde ich von dieſer Seite uͤber das rund erhabne ſchluͤpfrige Verdeck nach der andern Seite geworfen, und das mit ſolcher Gewalt, daß ich Gefahr lief, uͤber Bord zu fallen: zum Gluͤck war die Bruſtlehne, wie auf allen Oſtindiſchen Schiffen, ſehr hoch. Beynahe haͤtte ich aber doch das rechte Bein ge- brochen, weil der Stoß gegen den Bord ſo heftig war; nun kam ich noch mit einer großen Beule davon. Nach Verlauf einiger Tage uͤberfiel uns zum fuͤnften Mahl Sturm und Regenwetter, das vier und zwanzig Stun- den dauerte.
Hieraus kann man ſehen, wie beſchwerlich und ge- fahrvoll die Reiſe nach Japan, und wie unruhig und ſtuͤrmiſch das Meer auf beyden Seiten von Formoſa iſt, und zwar ſelbſt in der beſten Jahrszeit, der einzigen, da Schiffe drey bis vier Monathe in einem Japaniſchen Hafen mit Sicherheit liegen koͤnnen. Eine umſtaͤndliche und ausfuͤhrliche Beſchreibung der Stuͤrme in dieſen Fahrwaſſern findet man beym Kaͤmpfer. Die Com- pagnie rechnet von fuͤnf hieher gehenden Schiffen, eins fuͤr verlohren. Daß dies mit einer mehr als hundertjaͤh- rigen Erfahrung uͤberein ſtimmt, kann man aus dem vor- handnen Verzeichniſſe der verungluͤckten Schiffe ſehen, von denen man zum Theil gar nicht weiß, wo ſie geblie- ben ſind. In folgenden Jahren naͤmlich ſind, in je- dem ein Schiff verlohren gegangen: 1651, 1652, 1653, 1658, 1659, 1664, 1668, 1670, 1671,
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Reiſe von Batavia nach Japan u. ſ. w.
den heftigen Stoͤßen und ſtetem Hin- und Herſchwanken
des Schiffs hielt ich mich meiſtens auf dem Verdecke in
freyer Luft auf. Zum Schutz gegen das heran ſtuͤrmen-
de Waſſer hatte man an einer Seite ein Segeltuch auf-
geſpannt, das auch wirklich etwas ſchuͤtzte. Dagegen
erfuhr ich ſehr bald eine andre große Unbequemlichkeit da-
von. Bey einem heftigen Stoße wurde ich von dieſer
Seite uͤber das rund erhabne ſchluͤpfrige Verdeck nach der
andern Seite geworfen, und das mit ſolcher Gewalt, daß
ich Gefahr lief, uͤber Bord zu fallen: zum Gluͤck war
die Bruſtlehne, wie auf allen Oſtindiſchen Schiffen, ſehr
hoch. Beynahe haͤtte ich aber doch das rechte Bein ge-
brochen, weil der Stoß gegen den Bord ſo heftig war;
nun kam ich noch mit einer großen Beule davon. Nach
Verlauf einiger Tage uͤberfiel uns zum fuͤnften Mahl
Sturm und Regenwetter, das vier und zwanzig Stun-
den dauerte.
Hieraus kann man ſehen, wie beſchwerlich und ge-
fahrvoll die Reiſe nach Japan, und wie unruhig und
ſtuͤrmiſch das Meer auf beyden Seiten von Formoſa iſt,
und zwar ſelbſt in der beſten Jahrszeit, der einzigen, da
Schiffe drey bis vier Monathe in einem Japaniſchen
Hafen mit Sicherheit liegen koͤnnen. Eine umſtaͤndliche
und ausfuͤhrliche Beſchreibung der Stuͤrme in dieſen
Fahrwaſſern findet man beym Kaͤmpfer. Die Com-
pagnie rechnet von fuͤnf hieher gehenden Schiffen, eins
fuͤr verlohren. Daß dies mit einer mehr als hundertjaͤh-
rigen Erfahrung uͤberein ſtimmt, kann man aus dem vor-
handnen Verzeichniſſe der verungluͤckten Schiffe ſehen,
von denen man zum Theil gar nicht weiß, wo ſie geblie-
ben ſind. In folgenden Jahren naͤmlich ſind, in je-
dem ein Schiff verlohren gegangen: 1651, 1652,
1653, 1658, 1659, 1664, 1668, 1670, 1671,
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/41>, abgerufen am 23.07.2024.
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