Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.Von der Landwirthschaft der Japaner. Brücken, öffentlichen oder herrschaftlichen Gebäude,Kirchen, Pfarrgebäude und wie alles das heißen mag, was in europäischen Staaten den Bauer auf die schreyendste Art einschränkt und niederdrückt: von die- sem allem, kennt und erfährt der Bauer in Japan nie- mals das Allergeringste. Zäune und andere Befriedi- gungen um Gärten, Aecker und Wiesen anzulegen, und zu unterhalten, Holz dazu und zum Brennen weit her zu fahren, und dergleichen, hat er nicht nöthig. Ge- meinheit der Grundstücke: als Gemeinwiesen, Gemein- dehölzung, gemeine Hut und Weide, und was sonst da- hin gehört, hindert ihn eben so wenig, den Boden, der ihm gehört, nach seinem Gefallen und aufs Vortheilhaf- teste zu gebrauchen, als vertheilte und zerstreute Lage der einzelnen Aecker, Wiesen und Gärten. Nur Einem Zwange ist der Landmann hier unter- worfen: diesem, daß jeder schlechterdings gehalten ist, sein Feld jährlich zu bestellen, wiedrigenfalls er denje- nigen Theil, welchen er unbestellt läßt, verliert, und ein andrer, der ihn bestellen kann und will, denselben bekommt. Dies aber ist ein Zwang, der zur Aufnahme des Acker- baues gereicht. Der Bauer muß also, er wolle oder nicht, alle Mühe und alle seine Zeit zur Bearbeitung seines Feldes anwenden, wobey ihm Frau und Kinder treulich beystehen. Wiesen, Aenger, Triften und andre bloß zur Weide bestimmte Plätze, trift man im ganzen Lande nicht an, sondern alles ohne Unterschied wird entweder be- säet oder mit Erdfrüchten bepflanzt; denn Viehheerden oder eine Anzahl Reit- und Kutschpferde hält hier niemand. Auch nehmen hier keine allzuweitläuftige Tobackspflan- zungen dem nöthigern Getreide den Platz weg, eben so wenig als zum Brantweinbrennen und anderm eben nicht löbli- D 5
Von der Landwirthſchaft der Japaner. Bruͤcken, oͤffentlichen oder herrſchaftlichen Gebaͤude,Kirchen, Pfarrgebaͤude und wie alles das heißen mag, was in europaͤiſchen Staaten den Bauer auf die ſchreyendſte Art einſchraͤnkt und niederdruͤckt: von die- ſem allem, kennt und erfaͤhrt der Bauer in Japan nie- mals das Allergeringſte. Zaͤune und andere Befriedi- gungen um Gaͤrten, Aecker und Wieſen anzulegen, und zu unterhalten, Holz dazu und zum Brennen weit her zu fahren, und dergleichen, hat er nicht noͤthig. Ge- meinheit der Grundſtuͤcke: als Gemeinwieſen, Gemein- dehoͤlzung, gemeine Hut und Weide, und was ſonſt da- hin gehoͤrt, hindert ihn eben ſo wenig, den Boden, der ihm gehoͤrt, nach ſeinem Gefallen und aufs Vortheilhaf- teſte zu gebrauchen, als vertheilte und zerſtreute Lage der einzelnen Aecker, Wieſen und Gaͤrten. Nur Einem Zwange iſt der Landmann hier unter- worfen: dieſem, daß jeder ſchlechterdings gehalten iſt, ſein Feld jaͤhrlich zu beſtellen, wiedrigenfalls er denje- nigen Theil, welchen er unbeſtellt laͤßt, verliert, und ein andrer, der ihn beſtellen kann und will, denſelben bekommt. Dies aber iſt ein Zwang, der zur Aufnahme des Acker- baues gereicht. Der Bauer muß alſo, er wolle oder nicht, alle Muͤhe und alle ſeine Zeit zur Bearbeitung ſeines Feldes anwenden, wobey ihm Frau und Kinder treulich beyſtehen. Wieſen, Aenger, Triften und andre bloß zur Weide beſtimmte Plaͤtze, trift man im ganzen Lande nicht an, ſondern alles ohne Unterſchied wird entweder be- ſaͤet oder mit Erdfruͤchten bepflanzt; denn Viehheerden oder eine Anzahl Reit- und Kutſchpferde haͤlt hier niemand. Auch nehmen hier keine allzuweitlaͤuftige Tobackspflan- zungen dem noͤthigern Getreide den Platz weg, eben ſo wenig als zum Brantweinbrennen und anderm eben nicht loͤbli- D 5
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Von der Landwirthſchaft der Japaner.
Bruͤcken, oͤffentlichen oder herrſchaftlichen Gebaͤude,
Kirchen, Pfarrgebaͤude und wie alles das heißen mag,
was in europaͤiſchen Staaten den Bauer auf die
ſchreyendſte Art einſchraͤnkt und niederdruͤckt: von die-
ſem allem, kennt und erfaͤhrt der Bauer in Japan nie-
mals das Allergeringſte. Zaͤune und andere Befriedi-
gungen um Gaͤrten, Aecker und Wieſen anzulegen, und zu
unterhalten, Holz dazu und zum Brennen weit her zu
fahren, und dergleichen, hat er nicht noͤthig. Ge-
meinheit der Grundſtuͤcke: als Gemeinwieſen, Gemein-
dehoͤlzung, gemeine Hut und Weide, und was ſonſt da-
hin gehoͤrt, hindert ihn eben ſo wenig, den Boden, der
ihm gehoͤrt, nach ſeinem Gefallen und aufs Vortheilhaf-
teſte zu gebrauchen, als vertheilte und zerſtreute Lage
der einzelnen Aecker, Wieſen und Gaͤrten. Nur
Einem Zwange iſt der Landmann hier unter-
worfen: dieſem, daß jeder ſchlechterdings gehalten iſt,
ſein Feld jaͤhrlich zu beſtellen, wiedrigenfalls er denje-
nigen Theil, welchen er unbeſtellt laͤßt, verliert, und ein
andrer, der ihn beſtellen kann und will, denſelben bekommt.
Dies aber iſt ein Zwang, der zur Aufnahme des Acker-
baues gereicht. Der Bauer muß alſo, er wolle oder nicht,
alle Muͤhe und alle ſeine Zeit zur Bearbeitung ſeines
Feldes anwenden, wobey ihm Frau und Kinder treulich
beyſtehen. Wieſen, Aenger, Triften und andre bloß
zur Weide beſtimmte Plaͤtze, trift man im ganzen Lande
nicht an, ſondern alles ohne Unterſchied wird entweder be-
ſaͤet oder mit Erdfruͤchten bepflanzt; denn Viehheerden oder
eine Anzahl Reit- und Kutſchpferde haͤlt hier niemand.
Auch nehmen hier keine allzuweitlaͤuftige Tobackspflan-
zungen dem noͤthigern Getreide den Platz weg, eben ſo wenig
als zum Brantweinbrennen und anderm eben nicht loͤbli-
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