An der Schauspielkunst finden die Japaner großes Vergnügen, doch ist die Kunst der Acteurs, und der Werth der Stücke eins so geringe als das andre. Ich hatte verschiedne mal, sowohl zu Nangasaki als zu Osaka, Gelegenheit, ihren Schauspielen beyzuwoh- nen. Auch habe ich schon im 1 sten Theile dieses Ban- des Seite 129 einiges davon einfließen lassen. Die Zuschauer sitzen, in einem dazu eingerichteten Hause, auf Bänken. Vor ihnen ist ein erhöheter, aber schmaler und enger Platz, welcher die Bühne vorstellt. Auf dieser erscheinen ein oder zwey, selten mehr Schauspie- ler zugleich; diese sind allezeit auf eine gar besondere Art gekleidet; und man sollte ehe glauben, sie träten auf um zu schrecken, als um zu belustigen. Ihre Ac- tion stimmt hiermit überein; sie ist seltsam und unge- reimt, und besteht in künstlichen Wendungen und Dre- hungen des Körpers, die sie mit vieler Mühe gelernt und geübt haben. Gewöhnlich wird eine Heldenthat oder eine Liebesgeschichte eines ihrer Götter und Helden vorgestellt. Diese Schauspiele sind gemeiniglich in Ver- sen abgefaßt, manchmal werden sie auch von Musik be- gleitet. Das Theater ist, wie bey uns, mit einem beweg- lichen Vorhange versehen; das Nöthigste von dem, was zur Versinnlichung der Vorstellung erfordert wird, wird zwar auf die Bühne gebracht; sonst aber fehlt es gänzlich an Anstalten und Verzierungen, wodurch diese kleinen Theater mit den europäischen auch nur einigermaßen ver- glichen werden könnten. Daß das Schauspiel bey den Ja- panern etwas dazu beytrüge, die Sitten des Volks zu ver- edlen, habe ich eben so wenig gefunden, als das Schau- spiel in Europa diesen Zweck zu befördern scheint. Es ist hier auch gar nicht einmal so beschaffen, daß dies als eine Absicht desselben angesehen werden kann;
sondern
Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
An der Schauſpielkunſt finden die Japaner großes Vergnuͤgen, doch iſt die Kunſt der Acteurs, und der Werth der Stuͤcke eins ſo geringe als das andre. Ich hatte verſchiedne mal, ſowohl zu Nangaſaki als zu Oſaka, Gelegenheit, ihren Schauſpielen beyzuwoh- nen. Auch habe ich ſchon im 1 ſten Theile dieſes Ban- des Seite 129 einiges davon einfließen laſſen. Die Zuſchauer ſitzen, in einem dazu eingerichteten Hauſe, auf Baͤnken. Vor ihnen iſt ein erhoͤheter, aber ſchmaler und enger Platz, welcher die Buͤhne vorſtellt. Auf dieſer erſcheinen ein oder zwey, ſelten mehr Schauſpie- ler zugleich; dieſe ſind allezeit auf eine gar beſondere Art gekleidet; und man ſollte ehe glauben, ſie traͤten auf um zu ſchrecken, als um zu beluſtigen. Ihre Ac- tion ſtimmt hiermit uͤberein; ſie iſt ſeltſam und unge- reimt, und beſteht in kuͤnſtlichen Wendungen und Dre- hungen des Koͤrpers, die ſie mit vieler Muͤhe gelernt und geuͤbt haben. Gewoͤhnlich wird eine Heldenthat oder eine Liebesgeſchichte eines ihrer Goͤtter und Helden vorgeſtellt. Dieſe Schauſpiele ſind gemeiniglich in Ver- ſen abgefaßt, manchmal werden ſie auch von Muſik be- gleitet. Das Theater iſt, wie bey uns, mit einem beweg- lichen Vorhange verſehen; das Noͤthigſte von dem, was zur Verſinnlichung der Vorſtellung erfordert wird, wird zwar auf die Buͤhne gebracht; ſonſt aber fehlt es gaͤnzlich an Anſtalten und Verzierungen, wodurch dieſe kleinen Theater mit den europaͤiſchen auch nur einigermaßen ver- glichen werden koͤnnten. Daß das Schauſpiel bey den Ja- panern etwas dazu beytruͤge, die Sitten des Volks zu ver- edlen, habe ich eben ſo wenig gefunden, als das Schau- ſpiel in Europa dieſen Zweck zu befoͤrdern ſcheint. Es iſt hier auch gar nicht einmal ſo beſchaffen, daß dies als eine Abſicht deſſelben angeſehen werden kann;
ſondern
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Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
An der Schauſpielkunſt finden die Japaner großes
Vergnuͤgen, doch iſt die Kunſt der Acteurs, und der
Werth der Stuͤcke eins ſo geringe als das andre. Ich
hatte verſchiedne mal, ſowohl zu Nangaſaki als zu
Oſaka, Gelegenheit, ihren Schauſpielen beyzuwoh-
nen. Auch habe ich ſchon im 1 ſten Theile dieſes Ban-
des Seite 129 einiges davon einfließen laſſen. Die
Zuſchauer ſitzen, in einem dazu eingerichteten Hauſe, auf
Baͤnken. Vor ihnen iſt ein erhoͤheter, aber ſchmaler
und enger Platz, welcher die Buͤhne vorſtellt. Auf
dieſer erſcheinen ein oder zwey, ſelten mehr Schauſpie-
ler zugleich; dieſe ſind allezeit auf eine gar beſondere Art
gekleidet; und man ſollte ehe glauben, ſie traͤten auf
um zu ſchrecken, als um zu beluſtigen. Ihre Ac-
tion ſtimmt hiermit uͤberein; ſie iſt ſeltſam und unge-
reimt, und beſteht in kuͤnſtlichen Wendungen und Dre-
hungen des Koͤrpers, die ſie mit vieler Muͤhe gelernt
und geuͤbt haben. Gewoͤhnlich wird eine Heldenthat
oder eine Liebesgeſchichte eines ihrer Goͤtter und Helden
vorgeſtellt. Dieſe Schauſpiele ſind gemeiniglich in Ver-
ſen abgefaßt, manchmal werden ſie auch von Muſik be-
gleitet. Das Theater iſt, wie bey uns, mit einem beweg-
lichen Vorhange verſehen; das Noͤthigſte von dem, was
zur Verſinnlichung der Vorſtellung erfordert wird, wird
zwar auf die Buͤhne gebracht; ſonſt aber fehlt es gaͤnzlich
an Anſtalten und Verzierungen, wodurch dieſe kleinen
Theater mit den europaͤiſchen auch nur einigermaßen ver-
glichen werden koͤnnten. Daß das Schauſpiel bey den Ja-
panern etwas dazu beytruͤge, die Sitten des Volks zu ver-
edlen, habe ich eben ſo wenig gefunden, als das Schau-
ſpiel in Europa dieſen Zweck zu befoͤrdern ſcheint.
Es iſt hier auch gar nicht einmal ſo beſchaffen, daß
dies als eine Abſicht deſſelben angeſehen werden kann;
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/338>, abgerufen am 23.11.2024.
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