Ich fange mit den eigenthümlichen Nahmen der Japaner an. Jede Familie, und jede Person hat ih- ren eignen Nahmen. Diese werden aber ganz anders gebraucht, als in Europa. Der Familiennahme, oder was man bey uns den Zunahmen nennt, bleibt bey jeder Familie und allen ihren Nachkommen jederzeit unverän- dert. Im gemeinen Leben und im Umgange aber wird er nie gebraucht, sondern nur alsdann, wenn man etwas unterschreibt, da man zugleich gewöhnlich sein Siegel beysetzt. Auch das ist etwas besonderes, daß der Zunah- me nicht zuletzt, sondern allezeit voran, der Vornahme aber nach demselben gesetzt wird. Der Vornahme ist es, womit der Japaner allezeit angeredet, benannt und geru- fen wird, und diesen verändert er in seinem Leben ver- schiedne Mahl. Wenn ein Kind das Licht der Welt er- blickt, bekommt es von seinen Aeltern einen gewissen Nahmen. Ist es ein Sohn, so behält er ihn, bis er mannbar wird; alsdann verändert er ihn. Bekommt er ein Amt oder eine Bedienung, so wird abermahls eine Veränderung damit vorgenommen. So oft er zu höhe- ren Stellen hinauf rückt, geschieht wieder eine Vertau- schung. Einige, besonders die Kaiser und Fürsten, be- kommen so gar nach dem Tode einen neuen Nahmen. Beym weiblichen Geschlechte ist der Vornahme nicht so vie- len Veränderungen unterworfen. Den Mädchen geben die Aeltern oft den Nahmen von einer schönen Blume.
Diejenigen, welche mit hohen Würden und Aem- tern bekleidet werden, bekommen beym Antritte dersel- ben vom Dairi, oder dem geistlichen Kaiser, prächtig klin- gende Titel. Auch andern sehr vornehmen Personen ertheilt derselbe verschiedene Ehren-Nahmen.
Wie die Japaner sitzen, und wie sie essen, habe ich oben schon erzählt. Ihre gewöhnliche Ordnung in
Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
Ich fange mit den eigenthuͤmlichen Nahmen der Japaner an. Jede Familie, und jede Perſon hat ih- ren eignen Nahmen. Dieſe werden aber ganz anders gebraucht, als in Europa. Der Familiennahme, oder was man bey uns den Zunahmen nennt, bleibt bey jeder Familie und allen ihren Nachkommen jederzeit unveraͤn- dert. Im gemeinen Leben und im Umgange aber wird er nie gebraucht, ſondern nur alsdann, wenn man etwas unterſchreibt, da man zugleich gewoͤhnlich ſein Siegel beyſetzt. Auch das iſt etwas beſonderes, daß der Zunah- me nicht zuletzt, ſondern allezeit voran, der Vornahme aber nach demſelben geſetzt wird. Der Vornahme iſt es, womit der Japaner allezeit angeredet, benannt und geru- fen wird, und dieſen veraͤndert er in ſeinem Leben ver- ſchiedne Mahl. Wenn ein Kind das Licht der Welt er- blickt, bekommt es von ſeinen Aeltern einen gewiſſen Nahmen. Iſt es ein Sohn, ſo behaͤlt er ihn, bis er mannbar wird; alsdann veraͤndert er ihn. Bekommt er ein Amt oder eine Bedienung, ſo wird abermahls eine Veraͤnderung damit vorgenommen. So oft er zu hoͤhe- ren Stellen hinauf ruͤckt, geſchieht wieder eine Vertau- ſchung. Einige, beſonders die Kaiſer und Fuͤrſten, be- kommen ſo gar nach dem Tode einen neuen Nahmen. Beym weiblichen Geſchlechte iſt der Vornahme nicht ſo vie- len Veraͤnderungen unterworfen. Den Maͤdchen geben die Aeltern oft den Nahmen von einer ſchoͤnen Blume.
Diejenigen, welche mit hohen Wuͤrden und Aem- tern bekleidet werden, bekommen beym Antritte derſel- ben vom Dairi, oder dem geiſtlichen Kaiſer, praͤchtig klin- gende Titel. Auch andern ſehr vornehmen Perſonen ertheilt derſelbe verſchiedene Ehren-Nahmen.
Wie die Japaner ſitzen, und wie ſie eſſen, habe ich oben ſchon erzaͤhlt. Ihre gewoͤhnliche Ordnung in
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Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
Ich fange mit den eigenthuͤmlichen Nahmen der
Japaner an. Jede Familie, und jede Perſon hat ih-
ren eignen Nahmen. Dieſe werden aber ganz anders
gebraucht, als in Europa. Der Familiennahme, oder
was man bey uns den Zunahmen nennt, bleibt bey jeder
Familie und allen ihren Nachkommen jederzeit unveraͤn-
dert. Im gemeinen Leben und im Umgange aber wird er
nie gebraucht, ſondern nur alsdann, wenn man etwas
unterſchreibt, da man zugleich gewoͤhnlich ſein Siegel
beyſetzt. Auch das iſt etwas beſonderes, daß der Zunah-
me nicht zuletzt, ſondern allezeit voran, der Vornahme
aber nach demſelben geſetzt wird. Der Vornahme iſt es,
womit der Japaner allezeit angeredet, benannt und geru-
fen wird, und dieſen veraͤndert er in ſeinem Leben ver-
ſchiedne Mahl. Wenn ein Kind das Licht der Welt er-
blickt, bekommt es von ſeinen Aeltern einen gewiſſen
Nahmen. Iſt es ein Sohn, ſo behaͤlt er ihn, bis er
mannbar wird; alsdann veraͤndert er ihn. Bekommt er
ein Amt oder eine Bedienung, ſo wird abermahls eine
Veraͤnderung damit vorgenommen. So oft er zu hoͤhe-
ren Stellen hinauf ruͤckt, geſchieht wieder eine Vertau-
ſchung. Einige, beſonders die Kaiſer und Fuͤrſten, be-
kommen ſo gar nach dem Tode einen neuen Nahmen.
Beym weiblichen Geſchlechte iſt der Vornahme nicht ſo vie-
len Veraͤnderungen unterworfen. Den Maͤdchen geben
die Aeltern oft den Nahmen von einer ſchoͤnen Blume.
Diejenigen, welche mit hohen Wuͤrden und Aem-
tern bekleidet werden, bekommen beym Antritte derſel-
ben vom Dairi, oder dem geiſtlichen Kaiſer, praͤchtig klin-
gende Titel. Auch andern ſehr vornehmen Perſonen
ertheilt derſelbe verſchiedene Ehren-Nahmen.
Wie die Japaner ſitzen, und wie ſie eſſen, habe
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/232>, abgerufen am 24.11.2024.
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