die öffentlichen Dirnen kaufen sich an denselben frey, und halten es für einen großen Schimpf, wenn sie alsdann genöthigt werden, Mannspersonen anzunehmen.
Tag und Nacht werden nur in zwölf Stunden ab- getheilt. Hiebey richten sie sich das ganze Jahr hindurch nach dem Auf- und Untergange der Sonne. Wenn die Sonne aufgeht, zählen sie sechs Uhr, und wenn sie un- tergeht, ebenfalls 6. Mitternacht und Mittag ist alle- zeit 9 Uhr.
Die Zeit wird nicht mit Uhren oder Stundenglä- sern, sondern mit brennenden Lunten abgemessen, die wie Stricke gedrehet, und in einem bestimmten, durch- gängig gleichen Abstande, mit Knoten versehen sind. Die Zeit, da eine solche Lunte von einem Knoten zum andern wegbrennt, zeigt eine gewisse Zeit an. Ist sie nun bis zu einem Knoten weggebrannt, so wird es bey Tage mit gewissen Schlägen an den Glocken auf den Thürmen ihrer Tempel, des Nachts aber durch Zusam- menschlagen zweyer Hölzer von den herum gehenden Nachtwächtern, angezeigt. Man bedient sich aber auch wohl noch einer andern, gar besondern Methode. Man füllt eine Lade, die eine halbe Elle lang, und ungefähr halb so breit ist, mit Asche an; macht in die Asche fei- ne Reifen, oder Kanäle, von einem Ende zum andern und so wieder zurück in mehreren Windungen. In diese ganz durch fortlaufenden Furchen streuet man feines Pulver von der Rinde des Skimmibaums (anisartiges Illicium, Illicium anisatum), und macht Abtheilungen für die Stunden. Der Deckel wird fest zugemacht, aber ein kleines Loch gelassen, wodurch die Luft einziehen kann, um das Feuer zu unterhalten. Darauf wird das Pulver angezündet, das langsam und sich immer gleich weg- brennt. So oft es bis zu einer Abtheilung weggebrannt
Fuͤnfte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
die oͤffentlichen Dirnen kaufen ſich an denſelben frey, und halten es fuͤr einen großen Schimpf, wenn ſie alsdann genoͤthigt werden, Mannsperſonen anzunehmen.
Tag und Nacht werden nur in zwoͤlf Stunden ab- getheilt. Hiebey richten ſie ſich das ganze Jahr hindurch nach dem Auf- und Untergange der Sonne. Wenn die Sonne aufgeht, zaͤhlen ſie ſechs Uhr, und wenn ſie un- tergeht, ebenfalls 6. Mitternacht und Mittag iſt alle- zeit 9 Uhr.
Die Zeit wird nicht mit Uhren oder Stundenglaͤ- ſern, ſondern mit brennenden Lunten abgemeſſen, die wie Stricke gedrehet, und in einem beſtimmten, durch- gaͤngig gleichen Abſtande, mit Knoten verſehen ſind. Die Zeit, da eine ſolche Lunte von einem Knoten zum andern wegbrennt, zeigt eine gewiſſe Zeit an. Iſt ſie nun bis zu einem Knoten weggebrannt, ſo wird es bey Tage mit gewiſſen Schlaͤgen an den Glocken auf den Thuͤrmen ihrer Tempel, des Nachts aber durch Zuſam- menſchlagen zweyer Hoͤlzer von den herum gehenden Nachtwaͤchtern, angezeigt. Man bedient ſich aber auch wohl noch einer andern, gar beſondern Methode. Man fuͤllt eine Lade, die eine halbe Elle lang, und ungefaͤhr halb ſo breit iſt, mit Aſche an; macht in die Aſche fei- ne Reifen, oder Kanaͤle, von einem Ende zum andern und ſo wieder zuruͤck in mehreren Windungen. In dieſe ganz durch fortlaufenden Furchen ſtreuet man feines Pulver von der Rinde des Skimmibaums (anisartiges Illicium, Illicium aniſatum), und macht Abtheilungen fuͤr die Stunden. Der Deckel wird feſt zugemacht, aber ein kleines Loch gelaſſen, wodurch die Luft einziehen kann, um das Feuer zu unterhalten. Darauf wird das Pulver angezuͤndet, das langſam und ſich immer gleich weg- brennt. So oft es bis zu einer Abtheilung weggebrannt
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Fuͤnfte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
die oͤffentlichen Dirnen kaufen ſich an denſelben frey, und
halten es fuͤr einen großen Schimpf, wenn ſie alsdann
genoͤthigt werden, Mannsperſonen anzunehmen.
Tag und Nacht werden nur in zwoͤlf Stunden ab-
getheilt. Hiebey richten ſie ſich das ganze Jahr hindurch
nach dem Auf- und Untergange der Sonne. Wenn die
Sonne aufgeht, zaͤhlen ſie ſechs Uhr, und wenn ſie un-
tergeht, ebenfalls 6. Mitternacht und Mittag iſt alle-
zeit 9 Uhr.
Die Zeit wird nicht mit Uhren oder Stundenglaͤ-
ſern, ſondern mit brennenden Lunten abgemeſſen, die
wie Stricke gedrehet, und in einem beſtimmten, durch-
gaͤngig gleichen Abſtande, mit Knoten verſehen ſind.
Die Zeit, da eine ſolche Lunte von einem Knoten zum
andern wegbrennt, zeigt eine gewiſſe Zeit an. Iſt ſie
nun bis zu einem Knoten weggebrannt, ſo wird es bey
Tage mit gewiſſen Schlaͤgen an den Glocken auf den
Thuͤrmen ihrer Tempel, des Nachts aber durch Zuſam-
menſchlagen zweyer Hoͤlzer von den herum gehenden
Nachtwaͤchtern, angezeigt. Man bedient ſich aber auch
wohl noch einer andern, gar beſondern Methode. Man
fuͤllt eine Lade, die eine halbe Elle lang, und ungefaͤhr
halb ſo breit iſt, mit Aſche an; macht in die Aſche fei-
ne Reifen, oder Kanaͤle, von einem Ende zum andern und
ſo wieder zuruͤck in mehreren Windungen. In dieſe
ganz durch fortlaufenden Furchen ſtreuet man feines
Pulver von der Rinde des Skimmibaums (anisartiges
Illicium, Illicium aniſatum), und macht Abtheilungen
fuͤr die Stunden. Der Deckel wird feſt zugemacht,
aber ein kleines Loch gelaſſen, wodurch die Luft einziehen
kann, um das Feuer zu unterhalten. Darauf wird das
Pulver angezuͤndet, das langſam und ſich immer gleich weg-
brennt. So oft es bis zu einer Abtheilung weggebrannt
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/228>, abgerufen am 23.11.2024.
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