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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

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Kleidung und Putz.
kleinen runden porzellanenen Schälchen verwahrt wird.
Sie schminken aber nicht, wie das schöne Geschlecht in
Europa, die Wangen, sondern die Lippen. Ist die
Farbe sehr dünn, so werden die Lippen roth; wird sie
aber dick aufgetragen, so werden sie violett, und das
wird hier für eine größere Schönheit gehalten. Ich
untersuchte die Schminke, und fand, daß sie aus der ge-
wöhnlichen Saflorblume (Carthamus tinctorius) präpa-
rirt wird.

Das verehlichte Frauenzimmer unterscheidet sich
hauptsächlich durch die schwarzen Zähne. Sie wenden
viel Mühe an, und halten manchmahl viel aus, um sie
schwarz zu färben, und diese Schönheit -- denn da-
für gelten hier die schwarzen Zähne, und zwar sehr --
vor den unverheiratheten voraus zu haben. Ich gestehe
aber gern, daß mir ein weiter Mund mit schwarzen, glän-
zenden Zähnen, gar häßlich und widrig erschien. Die
Schwärze, welcher sie sich dazu bedienen, heißt Obagu-
ro oder Kanni, und wird aus Urin, Eisenfeilspänen und
Sakki bereitet. Sie ist stinkend und fressend. Sie
frißt sich so stark in die Zähne hinein, daß sie in Zeit von
mehreren Tagen nur mit Mühe abgeschabt und abgewa-
schen werden kann. Zahnfleisch und Lippen müssen wäh-
rend des Bestreichens sorgfältig bedeckt werden, wo-
fern sie nicht ganz blau davon werden sollen. Einige
machen von diesem Schmuck schon Gebrauch, so bald sie
Freyer bekommen oder Verlobung halten.

Noch ein anderes Unterscheidungszeichen der
Frauen, das sie noch ärger entstellt, als jenes, besteht
darin, daß sie alle Haare aus den Augenbraunen ausge-
zogen haben. Man kann nicht glauben, wie sehr hie-
durch selbst das schönste Gesicht verliert.


Kleidung und Putz.
kleinen runden porzellanenen Schaͤlchen verwahrt wird.
Sie ſchminken aber nicht, wie das ſchoͤne Geſchlecht in
Europa, die Wangen, ſondern die Lippen. Iſt die
Farbe ſehr duͤnn, ſo werden die Lippen roth; wird ſie
aber dick aufgetragen, ſo werden ſie violett, und das
wird hier fuͤr eine groͤßere Schoͤnheit gehalten. Ich
unterſuchte die Schminke, und fand, daß ſie aus der ge-
woͤhnlichen Saflorblume (Carthamus tinctorius) praͤpa-
rirt wird.

Das verehlichte Frauenzimmer unterſcheidet ſich
hauptſaͤchlich durch die ſchwarzen Zaͤhne. Sie wenden
viel Muͤhe an, und halten manchmahl viel aus, um ſie
ſchwarz zu faͤrben, und dieſe Schoͤnheit — denn da-
fuͤr gelten hier die ſchwarzen Zaͤhne, und zwar ſehr —
vor den unverheiratheten voraus zu haben. Ich geſtehe
aber gern, daß mir ein weiter Mund mit ſchwarzen, glaͤn-
zenden Zaͤhnen, gar haͤßlich und widrig erſchien. Die
Schwaͤrze, welcher ſie ſich dazu bedienen, heißt Obagu-
ro oder Kanni, und wird aus Urin, Eiſenfeilſpaͤnen und
Sakki bereitet. Sie iſt ſtinkend und freſſend. Sie
frißt ſich ſo ſtark in die Zaͤhne hinein, daß ſie in Zeit von
mehreren Tagen nur mit Muͤhe abgeſchabt und abgewa-
ſchen werden kann. Zahnfleiſch und Lippen muͤſſen waͤh-
rend des Beſtreichens ſorgfaͤltig bedeckt werden, wo-
fern ſie nicht ganz blau davon werden ſollen. Einige
machen von dieſem Schmuck ſchon Gebrauch, ſo bald ſie
Freyer bekommen oder Verlobung halten.

Noch ein anderes Unterſcheidungszeichen der
Frauen, das ſie noch aͤrger entſtellt, als jenes, beſteht
darin, daß ſie alle Haare aus den Augenbraunen ausge-
zogen haben. Man kann nicht glauben, wie ſehr hie-
durch ſelbſt das ſchoͤnſte Geſicht verliert.


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[187/0221] Kleidung und Putz. kleinen runden porzellanenen Schaͤlchen verwahrt wird. Sie ſchminken aber nicht, wie das ſchoͤne Geſchlecht in Europa, die Wangen, ſondern die Lippen. Iſt die Farbe ſehr duͤnn, ſo werden die Lippen roth; wird ſie aber dick aufgetragen, ſo werden ſie violett, und das wird hier fuͤr eine groͤßere Schoͤnheit gehalten. Ich unterſuchte die Schminke, und fand, daß ſie aus der ge- woͤhnlichen Saflorblume (Carthamus tinctorius) praͤpa- rirt wird. Das verehlichte Frauenzimmer unterſcheidet ſich hauptſaͤchlich durch die ſchwarzen Zaͤhne. Sie wenden viel Muͤhe an, und halten manchmahl viel aus, um ſie ſchwarz zu faͤrben, und dieſe Schoͤnheit — denn da- fuͤr gelten hier die ſchwarzen Zaͤhne, und zwar ſehr — vor den unverheiratheten voraus zu haben. Ich geſtehe aber gern, daß mir ein weiter Mund mit ſchwarzen, glaͤn- zenden Zaͤhnen, gar haͤßlich und widrig erſchien. Die Schwaͤrze, welcher ſie ſich dazu bedienen, heißt Obagu- ro oder Kanni, und wird aus Urin, Eiſenfeilſpaͤnen und Sakki bereitet. Sie iſt ſtinkend und freſſend. Sie frißt ſich ſo ſtark in die Zaͤhne hinein, daß ſie in Zeit von mehreren Tagen nur mit Muͤhe abgeſchabt und abgewa- ſchen werden kann. Zahnfleiſch und Lippen muͤſſen waͤh- rend des Beſtreichens ſorgfaͤltig bedeckt werden, wo- fern ſie nicht ganz blau davon werden ſollen. Einige machen von dieſem Schmuck ſchon Gebrauch, ſo bald ſie Freyer bekommen oder Verlobung halten. Noch ein anderes Unterſcheidungszeichen der Frauen, das ſie noch aͤrger entſtellt, als jenes, beſteht darin, daß ſie alle Haare aus den Augenbraunen ausge- zogen haben. Man kann nicht glauben, wie ſehr hie- durch ſelbſt das ſchoͤnſte Geſicht verliert.

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Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/221>, abgerufen am 24.11.2024.