Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794.

Bild:
<< vorherige Seite

Fünfte Abtheilung. Dritter Abschnitt.
mehr durch verstellte Freundschaft so wohl ihn als andre
zu täuschen, bis früh oder spät sich eine Gelegenheit zeigt,
wo sie ihm beträchtlichen Schaden oder großes Unglück
zufügen können.

Sonst muß ich hier noch eine Untugend der Japa-
ner rügen, ich meine die Unzucht. Diese scheint unter
ihnen allgemein zu herrschen. Die Schamhaftigkeit
steht in geringem Werth bey ihnen. Selbst das weibli-
che Geschlecht übt diese Tugend wenig aus. Selten be-
kümmern sie sich darum, sich zu bedecken, wenn sie sich
baden, selbst dann nicht, wenn es auf offnen Plätzen
geschieht. Auch nicht einmahl zu Nangasaki thun sie es
an solchen Stellen, wo sie von den Holländern gesehen
werden können und wo diese vorbey kommen.

Dritter Abschnitt.
Häuser und Hausgeräth
.

Die Häuser der Japaner sind von Fachwerk und weiß
übertüncht, und sehen daher von außen völlig wie stei-
nerne Gebäude aus. Ihre Bauart ist ganz besonders.
Das Holz hat nur senkrechte und horizontale Richtung;
schräg, wie sonst bey Fachwerk zu geschehen pflegt, ist
nichts davon angebracht; es besteht daher bloß aus Solen,
Balken, Riegeln und Stendern. Diese alle sind viereckig
und nicht dick. Die Fächer zwischen denselben werden
mit Bamborohr zugeflochten, und dieses mit Mörtel,
von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verkleibt. Die
Mauern oder Wände werden daher eben nicht dick.
Jedes Haus nimmt einen ansehnlichen Raum ein.
Im Hause selbst hat man gar keine Zwischenwände.
Es wird bloß von den Stendern unterstützt. Zwischen
diesen sind an der Decke und dem Fußboden andre

Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
mehr durch verſtellte Freundſchaft ſo wohl ihn als andre
zu taͤuſchen, bis fruͤh oder ſpaͤt ſich eine Gelegenheit zeigt,
wo ſie ihm betraͤchtlichen Schaden oder großes Ungluͤck
zufuͤgen koͤnnen.

Sonſt muß ich hier noch eine Untugend der Japa-
ner ruͤgen, ich meine die Unzucht. Dieſe ſcheint unter
ihnen allgemein zu herrſchen. Die Schamhaftigkeit
ſteht in geringem Werth bey ihnen. Selbſt das weibli-
che Geſchlecht uͤbt dieſe Tugend wenig aus. Selten be-
kuͤmmern ſie ſich darum, ſich zu bedecken, wenn ſie ſich
baden, ſelbſt dann nicht, wenn es auf offnen Plaͤtzen
geſchieht. Auch nicht einmahl zu Nangaſaki thun ſie es
an ſolchen Stellen, wo ſie von den Hollaͤndern geſehen
werden koͤnnen und wo dieſe vorbey kommen.

Dritter Abſchnitt.
Haͤuſer und Hausgeraͤth
.

Die Haͤuſer der Japaner ſind von Fachwerk und weiß
uͤbertuͤncht, und ſehen daher von außen voͤllig wie ſtei-
nerne Gebaͤude aus. Ihre Bauart iſt ganz beſonders.
Das Holz hat nur ſenkrechte und horizontale Richtung;
ſchraͤg, wie ſonſt bey Fachwerk zu geſchehen pflegt, iſt
nichts davon angebracht; es beſteht daher bloß aus Solen,
Balken, Riegeln und Stendern. Dieſe alle ſind viereckig
und nicht dick. Die Faͤcher zwiſchen denſelben werden
mit Bamborohr zugeflochten, und dieſes mit Moͤrtel,
von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verkleibt. Die
Mauern oder Waͤnde werden daher eben nicht dick.
Jedes Haus nimmt einen anſehnlichen Raum ein.
Im Hauſe ſelbſt hat man gar keine Zwiſchenwaͤnde.
Es wird bloß von den Stendern unterſtuͤtzt. Zwiſchen
dieſen ſind an der Decke und dem Fußboden andre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <p><pb facs="#f0200" n="166"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Fu&#x0364;nfte Abtheilung. Dritter Ab&#x017F;chnitt.</hi></fw><lb/>
mehr durch ver&#x017F;tellte Freund&#x017F;chaft &#x017F;o wohl ihn als andre<lb/>
zu ta&#x0364;u&#x017F;chen, bis fru&#x0364;h oder &#x017F;pa&#x0364;t &#x017F;ich eine Gelegenheit zeigt,<lb/>
wo &#x017F;ie ihm betra&#x0364;chtlichen Schaden oder großes Unglu&#x0364;ck<lb/>
zufu&#x0364;gen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
          <p>Son&#x017F;t muß ich hier noch eine Untugend der Japa-<lb/>
ner ru&#x0364;gen, ich meine die Unzucht. Die&#x017F;e &#x017F;cheint unter<lb/>
ihnen allgemein zu herr&#x017F;chen. Die Schamhaftigkeit<lb/>
&#x017F;teht in geringem Werth bey ihnen. Selb&#x017F;t das weibli-<lb/>
che Ge&#x017F;chlecht u&#x0364;bt die&#x017F;e Tugend wenig aus. Selten be-<lb/>
ku&#x0364;mmern &#x017F;ie &#x017F;ich darum, &#x017F;ich zu bedecken, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
baden, &#x017F;elb&#x017F;t dann nicht, wenn es auf offnen Pla&#x0364;tzen<lb/>
ge&#x017F;chieht. Auch nicht einmahl zu <placeName>Nanga&#x017F;aki</placeName> thun &#x017F;ie es<lb/>
an &#x017F;olchen Stellen, wo &#x017F;ie von den Holla&#x0364;ndern ge&#x017F;ehen<lb/>
werden ko&#x0364;nnen und wo die&#x017F;e vorbey kommen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="3">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Dritter Ab&#x017F;chnitt.<lb/>
Ha&#x0364;u&#x017F;er und Hausgera&#x0364;th</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Ha&#x0364;u&#x017F;er der Japaner &#x017F;ind von Fachwerk und weiß<lb/>
u&#x0364;bertu&#x0364;ncht, und &#x017F;ehen daher von außen vo&#x0364;llig wie &#x017F;tei-<lb/>
nerne Geba&#x0364;ude aus. Ihre Bauart i&#x017F;t ganz be&#x017F;onders.<lb/>
Das Holz hat nur &#x017F;enkrechte und horizontale Richtung;<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;g, wie &#x017F;on&#x017F;t bey Fachwerk zu ge&#x017F;chehen pflegt, i&#x017F;t<lb/>
nichts davon angebracht; es be&#x017F;teht daher bloß aus Solen,<lb/>
Balken, Riegeln und Stendern. Die&#x017F;e alle &#x017F;ind viereckig<lb/>
und nicht dick. Die Fa&#x0364;cher zwi&#x017F;chen den&#x017F;elben werden<lb/>
mit Bamborohr zugeflochten, und die&#x017F;es mit Mo&#x0364;rtel,<lb/>
von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verkleibt. Die<lb/>
Mauern oder Wa&#x0364;nde werden daher eben nicht dick.<lb/>
Jedes Haus nimmt einen an&#x017F;ehnlichen Raum ein.<lb/>
Im Hau&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t hat man gar keine Zwi&#x017F;chenwa&#x0364;nde.<lb/>
Es wird bloß von den Stendern unter&#x017F;tu&#x0364;tzt. Zwi&#x017F;chen<lb/>
die&#x017F;en &#x017F;ind an der Decke und dem Fußboden andre<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[166/0200] Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt. mehr durch verſtellte Freundſchaft ſo wohl ihn als andre zu taͤuſchen, bis fruͤh oder ſpaͤt ſich eine Gelegenheit zeigt, wo ſie ihm betraͤchtlichen Schaden oder großes Ungluͤck zufuͤgen koͤnnen. Sonſt muß ich hier noch eine Untugend der Japa- ner ruͤgen, ich meine die Unzucht. Dieſe ſcheint unter ihnen allgemein zu herrſchen. Die Schamhaftigkeit ſteht in geringem Werth bey ihnen. Selbſt das weibli- che Geſchlecht uͤbt dieſe Tugend wenig aus. Selten be- kuͤmmern ſie ſich darum, ſich zu bedecken, wenn ſie ſich baden, ſelbſt dann nicht, wenn es auf offnen Plaͤtzen geſchieht. Auch nicht einmahl zu Nangaſaki thun ſie es an ſolchen Stellen, wo ſie von den Hollaͤndern geſehen werden koͤnnen und wo dieſe vorbey kommen. Dritter Abſchnitt. Haͤuſer und Hausgeraͤth. Die Haͤuſer der Japaner ſind von Fachwerk und weiß uͤbertuͤncht, und ſehen daher von außen voͤllig wie ſtei- nerne Gebaͤude aus. Ihre Bauart iſt ganz beſonders. Das Holz hat nur ſenkrechte und horizontale Richtung; ſchraͤg, wie ſonſt bey Fachwerk zu geſchehen pflegt, iſt nichts davon angebracht; es beſteht daher bloß aus Solen, Balken, Riegeln und Stendern. Dieſe alle ſind viereckig und nicht dick. Die Faͤcher zwiſchen denſelben werden mit Bamborohr zugeflochten, und dieſes mit Moͤrtel, von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verkleibt. Die Mauern oder Waͤnde werden daher eben nicht dick. Jedes Haus nimmt einen anſehnlichen Raum ein. Im Hauſe ſelbſt hat man gar keine Zwiſchenwaͤnde. Es wird bloß von den Stendern unterſtuͤtzt. Zwiſchen dieſen ſind an der Decke und dem Fußboden andre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/200
Zitationshilfe: Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/200>, abgerufen am 23.11.2024.