Zu Miako hielten wir uns einen Tag und zwey Nächte auf: hier machten wir so wohl dem Kaiserlichen Hofmarschall, oder dem so genannten Oberrichter, als den beyden Gouverneuren der Stadt, die Aufwartung. Wir wurden von ihnen eben so, als von den Großen zu Jedo empfangen. Der Hofmarschall erwiedert die Ge- schenke, welche er bekommt, mit fünf großen Japani- schen Kleidern. Die Statthalter aber geben dem Am- bassadeur statt dessen nur eine Summe Geldes in Silber- münze, jeder die Summe von ein und zwanzig Thalern. Dies Geld ist auf die hier zu Lande gebräuchliche besondre Art in ein längliches Stück Papier gewickelt, das her- nach zusammen geleimt, und wo bisweilen auf einer, bis- weilen auf beyden Seiten, aufgeschrieben wird, wie viel darin ist. Solche Geschenke in Silbergeld sind hier et- was gewöhnliches. Das Geld kommt oft unmittelbar aus der Münze, und geht in dem Pakete erst durch viele Hände. Der Münzmeister, welcher den Werth des Päckchens darauf schreibt, ist für denselben verantwortlich.
Nachmittags hatte ich einen Privat-Besuch vom Leibarzte des Dairi oder geistlichen Kaisers, einem Manne von mittleren Jahren. Er hieß Ogino Saffioge je no Sakon. Ogino war sein Familien-Nahme, je no Sakon sein Vornahme, und Saffioge ein vom Dairi ihm bey- gelegter Ehren-Titel. Er hatte verschiedne, meistentheils frisch gepflückte Kräuter bey sich, deren Nutzen er zu wis- sen wünschte. Auch fragte er mich nach den Heilarten einiger Krankheiten. Unser Gespräch geschah durch Dol- metscher. Er erstaunte aber nicht wenig, als ich ein- mahl die Nahmen der Gewächse, um sie ihm desto zuverlässiger anzugeben, mit Japanischen Buchstaben aufschrieb.
Vierte Abtheilung.
Zu Miako hielten wir uns einen Tag und zwey Naͤchte auf: hier machten wir ſo wohl dem Kaiſerlichen Hofmarſchall, oder dem ſo genannten Oberrichter, als den beyden Gouverneuren der Stadt, die Aufwartung. Wir wurden von ihnen eben ſo, als von den Großen zu Jedo empfangen. Der Hofmarſchall erwiedert die Ge- ſchenke, welche er bekommt, mit fuͤnf großen Japani- ſchen Kleidern. Die Statthalter aber geben dem Am- baſſadeur ſtatt deſſen nur eine Summe Geldes in Silber- muͤnze, jeder die Summe von ein und zwanzig Thalern. Dies Geld iſt auf die hier zu Lande gebraͤuchliche beſondre Art in ein laͤngliches Stuͤck Papier gewickelt, das her- nach zuſammen geleimt, und wo bisweilen auf einer, bis- weilen auf beyden Seiten, aufgeſchrieben wird, wie viel darin iſt. Solche Geſchenke in Silbergeld ſind hier et- was gewoͤhnliches. Das Geld kommt oft unmittelbar aus der Muͤnze, und geht in dem Pakete erſt durch viele Haͤnde. Der Muͤnzmeiſter, welcher den Werth des Paͤckchens darauf ſchreibt, iſt fuͤr denſelben verantwortlich.
Nachmittags hatte ich einen Privat-Beſuch vom Leibarzte des Dairi oder geiſtlichen Kaiſers, einem Manne von mittleren Jahren. Er hieß Ogino Saffioge je no Sakon. Ogino war ſein Familien-Nahme, je no Sakon ſein Vornahme, und Saffioge ein vom Dairi ihm bey- gelegter Ehren-Titel. Er hatte verſchiedne, meiſtentheils friſch gepfluͤckte Kraͤuter bey ſich, deren Nutzen er zu wiſ- ſen wuͤnſchte. Auch fragte er mich nach den Heilarten einiger Krankheiten. Unſer Geſpraͤch geſchah durch Dol- metſcher. Er erſtaunte aber nicht wenig, als ich ein- mahl die Nahmen der Gewaͤchſe, um ſie ihm deſto zuverlaͤſſiger anzugeben, mit Japaniſchen Buchſtaben aufſchrieb.
<TEI><text><body><divn="2"><pbfacs="#f0160"n="126"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Vierte Abtheilung.</hi></fw><lb/><p>Zu <placeName>Miako</placeName> hielten wir uns einen Tag und zwey<lb/>
Naͤchte auf: hier machten wir ſo wohl dem Kaiſerlichen<lb/>
Hofmarſchall, oder dem ſo genannten Oberrichter, als den<lb/>
beyden Gouverneuren der Stadt, die Aufwartung. Wir<lb/>
wurden von ihnen eben ſo, als von den Großen zu<lb/><placeName>Jedo</placeName> empfangen. Der Hofmarſchall erwiedert die Ge-<lb/>ſchenke, welche er bekommt, mit fuͤnf großen Japani-<lb/>ſchen Kleidern. Die Statthalter aber geben dem Am-<lb/>
baſſadeur ſtatt deſſen nur eine Summe Geldes in Silber-<lb/>
muͤnze, jeder die Summe von ein und zwanzig Thalern.<lb/>
Dies Geld iſt auf die hier zu Lande gebraͤuchliche beſondre<lb/>
Art in ein laͤngliches Stuͤck Papier gewickelt, das her-<lb/>
nach zuſammen geleimt, und wo bisweilen auf einer, bis-<lb/>
weilen auf beyden Seiten, aufgeſchrieben wird, wie viel<lb/>
darin iſt. Solche Geſchenke in Silbergeld ſind hier et-<lb/>
was gewoͤhnliches. Das Geld kommt oft unmittelbar<lb/>
aus der Muͤnze, und geht in dem Pakete erſt durch viele<lb/>
Haͤnde. Der Muͤnzmeiſter, welcher den Werth des<lb/>
Paͤckchens darauf ſchreibt, iſt fuͤr denſelben verantwortlich.</p><lb/><p>Nachmittags hatte ich einen Privat-Beſuch vom<lb/>
Leibarzte des Dairi oder geiſtlichen Kaiſers, einem Manne<lb/>
von mittleren Jahren. Er hieß <persName>Ogino Saffioge je no<lb/>
Sakon</persName>. <persName>Ogino</persName> war ſein Familien-Nahme, <persName>je no Sakon</persName><lb/>ſein Vornahme, und Saffioge ein vom Dairi ihm bey-<lb/>
gelegter Ehren-Titel. Er hatte verſchiedne, meiſtentheils<lb/>
friſch gepfluͤckte Kraͤuter bey ſich, deren Nutzen er zu wiſ-<lb/>ſen wuͤnſchte. Auch fragte er mich nach den Heilarten<lb/>
einiger Krankheiten. Unſer Geſpraͤch geſchah durch Dol-<lb/>
metſcher. Er erſtaunte aber nicht wenig, als ich ein-<lb/>
mahl die Nahmen der Gewaͤchſe, um ſie ihm deſto<lb/>
zuverlaͤſſiger anzugeben, mit Japaniſchen Buchſtaben<lb/>
aufſchrieb.</p><lb/></div></body></text></TEI>
[126/0160]
Vierte Abtheilung.
Zu Miako hielten wir uns einen Tag und zwey
Naͤchte auf: hier machten wir ſo wohl dem Kaiſerlichen
Hofmarſchall, oder dem ſo genannten Oberrichter, als den
beyden Gouverneuren der Stadt, die Aufwartung. Wir
wurden von ihnen eben ſo, als von den Großen zu
Jedo empfangen. Der Hofmarſchall erwiedert die Ge-
ſchenke, welche er bekommt, mit fuͤnf großen Japani-
ſchen Kleidern. Die Statthalter aber geben dem Am-
baſſadeur ſtatt deſſen nur eine Summe Geldes in Silber-
muͤnze, jeder die Summe von ein und zwanzig Thalern.
Dies Geld iſt auf die hier zu Lande gebraͤuchliche beſondre
Art in ein laͤngliches Stuͤck Papier gewickelt, das her-
nach zuſammen geleimt, und wo bisweilen auf einer, bis-
weilen auf beyden Seiten, aufgeſchrieben wird, wie viel
darin iſt. Solche Geſchenke in Silbergeld ſind hier et-
was gewoͤhnliches. Das Geld kommt oft unmittelbar
aus der Muͤnze, und geht in dem Pakete erſt durch viele
Haͤnde. Der Muͤnzmeiſter, welcher den Werth des
Paͤckchens darauf ſchreibt, iſt fuͤr denſelben verantwortlich.
Nachmittags hatte ich einen Privat-Beſuch vom
Leibarzte des Dairi oder geiſtlichen Kaiſers, einem Manne
von mittleren Jahren. Er hieß Ogino Saffioge je no
Sakon. Ogino war ſein Familien-Nahme, je no Sakon
ſein Vornahme, und Saffioge ein vom Dairi ihm bey-
gelegter Ehren-Titel. Er hatte verſchiedne, meiſtentheils
friſch gepfluͤckte Kraͤuter bey ſich, deren Nutzen er zu wiſ-
ſen wuͤnſchte. Auch fragte er mich nach den Heilarten
einiger Krankheiten. Unſer Geſpraͤch geſchah durch Dol-
metſcher. Er erſtaunte aber nicht wenig, als ich ein-
mahl die Nahmen der Gewaͤchſe, um ſie ihm deſto
zuverlaͤſſiger anzugeben, mit Japaniſchen Buchſtaben
aufſchrieb.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/160>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.