Japan, von welchem in diesem Bande vorzüglich die Rede ist, ist, in Vergleichung mit andern euro- päischen Ländern, in vielen Rücksichten ein ganz be- sonderes Land! Die Regierungsverfassung ist dort seit sehr langer Zeit unverändert dieselbe; die Gesetze sind strenge und unwandelbar; die Polizey in Städten, Dörfern und auf den Landstraßen ist unverbesserlich; die Kleider- tracht, Putz und Art das Haar zu tragen ist durchaus gleichförmig und, so wie die Sitten, Gewohnheiten und Gebräuche, seit Jahrhunder- ten unverändert; eine unzählige Menge von Ein- wohnern lebt dort ohne Partheyen, ohne Zwie- spalt und Uneinigkeit, ohne Misvergnügen, Elend und Auswanderung; der Ackerbau ist im blühend- sten Zustande; die Erde gebauet und benutzt wie in keinem andern Lande der Welt; alle Bedürfnisse sind, im Lande selbst, in solchem Ueberfluß vorhan- den daß kein auswärtiger Handel nöthig ist; doch fast möchte ich sagen: wer kann die Vorzüge und Vortheile dieses glücklichen Landes alle zählen? -- Weder bey dem Monarchen, noch bey seinen Unter- regenten findet man Thron, Scepter, Krone, noch irgend sonst etwas von dem Prunk, der bey uns die Augen des Haufens blendet; nicht Hof- staat, nicht Hofjunker, nicht Hofdamen; keine
Vorrede des Verfaſſers.
Japan, von welchem in dieſem Bande vorzuͤglich die Rede iſt, iſt, in Vergleichung mit andern euro- paͤiſchen Laͤndern, in vielen Ruͤckſichten ein ganz be- ſonderes Land! Die Regierungsverfaſſung iſt dort ſeit ſehr langer Zeit unveraͤndert dieſelbe; die Geſetze ſind ſtrenge und unwandelbar; die Polizey in Staͤdten, Doͤrfern und auf den Landſtraßen iſt unverbeſſerlich; die Kleider- tracht, Putz und Art das Haar zu tragen iſt durchaus gleichfoͤrmig und, ſo wie die Sitten, Gewohnheiten und Gebraͤuche, ſeit Jahrhunder- ten unveraͤndert; eine unzaͤhlige Menge von Ein- wohnern lebt dort ohne Partheyen, ohne Zwie- ſpalt und Uneinigkeit, ohne Misvergnuͤgen, Elend und Auswanderung; der Ackerbau iſt im bluͤhend- ſten Zuſtande; die Erde gebauet und benutzt wie in keinem andern Lande der Welt; alle Beduͤrfniſſe ſind, im Lande ſelbſt, in ſolchem Ueberfluß vorhan- den daß kein auswaͤrtiger Handel noͤthig iſt; doch faſt moͤchte ich ſagen: wer kann die Vorzuͤge und Vortheile dieſes gluͤcklichen Landes alle zaͤhlen? — Weder bey dem Monarchen, noch bey ſeinen Unter- regenten findet man Thron, Scepter, Krone, noch irgend ſonſt etwas von dem Prunk, der bey uns die Augen des Haufens blendet; nicht Hof- ſtaat, nicht Hofjunker, nicht Hofdamen; keine
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[IV/0010]
Vorrede des Verfaſſers.
Japan, von welchem in dieſem Bande vorzuͤglich
die Rede iſt, iſt, in Vergleichung mit andern euro-
paͤiſchen Laͤndern, in vielen Ruͤckſichten ein ganz be-
ſonderes Land! Die Regierungsverfaſſung iſt
dort ſeit ſehr langer Zeit unveraͤndert dieſelbe;
die Geſetze ſind ſtrenge und unwandelbar; die
Polizey in Staͤdten, Doͤrfern und auf den
Landſtraßen iſt unverbeſſerlich; die Kleider-
tracht, Putz und Art das Haar zu tragen iſt
durchaus gleichfoͤrmig und, ſo wie die Sitten,
Gewohnheiten und Gebraͤuche, ſeit Jahrhunder-
ten unveraͤndert; eine unzaͤhlige Menge von Ein-
wohnern lebt dort ohne Partheyen, ohne Zwie-
ſpalt und Uneinigkeit, ohne Misvergnuͤgen, Elend
und Auswanderung; der Ackerbau iſt im bluͤhend-
ſten Zuſtande; die Erde gebauet und benutzt wie
in keinem andern Lande der Welt; alle Beduͤrfniſſe
ſind, im Lande ſelbſt, in ſolchem Ueberfluß vorhan-
den daß kein auswaͤrtiger Handel noͤthig iſt; doch
faſt moͤchte ich ſagen: wer kann die Vorzuͤge und
Vortheile dieſes gluͤcklichen Landes alle zaͤhlen? —
Weder bey dem Monarchen, noch bey ſeinen Unter-
regenten findet man Thron, Scepter, Krone,
noch irgend ſonſt etwas von dem Prunk, der bey
uns die Augen des Haufens blendet; nicht Hof-
ſtaat, nicht Hofjunker, nicht Hofdamen; keine
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 2. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1794, S. IV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen02_1794/10>, abgerufen am 21.11.2024.
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