Abend wird ein Feuerwerk angestellt. Um hereinzukom- men, muß man ein Billet haben, wofür man dreyßig Sous bezahlt. -- Im Boulevard wird der Boden mit Wasser angefeuchtet, damit es nicht stauben möge. Das Wasser wird zu diesem Ende auf Karren hingefahren, und die Tonnen haben hinten eine Röhre, an welcher ei- ne andre Röhre in die Quer angebracht ist, die viele Löcher hat, wo das Wasser in feinen Strahlen her- ausläuft. -- Das Bois de Bologne besteht größten- theils aus Eichen, und die Leute belustigen sich da mit Tanz und auf andre Art.
Nun etwas von Festtagen und heiligen Gebräuchen. Um und nach Weihnachten wurden die Bilder des Erlö- sers und der Jungfrau Maria mit dem Christkinde in kleinen Schränken, mit Lichtern und Kronen umher, allent- halben auf den Straßen, und vor den Häusern ausge- stellt. -- Während der Fastenzeit, da kein Fleisch ge- gessen werden durfte, wurden alle Fleischscharne in der Stadt verschlossen. Der Tisch wurde theurer, weil Milch und Eyer sehr im Preise stiegen, und Fleisch nur in demjenigen Scharren verkauft wurde, der dem Hotel- Dieu gehört, welches diese Zeit über dadurch viel gewinnt. So lange das Carneval dauert, ergötzt man sich auf tausenderley Art; unter andern wurde ein Knabe, der auf einem schön geschmückten Ochsen mit vergoldetem Rücken ritt, durch alle Gassen geführt. Viele maskir- ten sich und ritten auf Pferden umher, oder fuhren auf Wagen und Cariolen herum, in einem so seltsamen Aufzuge, und in solcher Menge, daß ein Fremder in Ver- suchung hätte kommen können, zu glauben, das halbe Volk in der Stadt habe den Verstand verloren.
Unten am Calvair, einem großen Hügel an der Seine, wird, da wo man hinaufgeht, in sieben Zimmern,
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Aufenthalt in Paris.
Abend wird ein Feuerwerk angeſtellt. Um hereinzukom- men, muß man ein Billet haben, wofuͤr man dreyßig Sous bezahlt. — Im Boulevard wird der Boden mit Waſſer angefeuchtet, damit es nicht ſtauben moͤge. Das Waſſer wird zu dieſem Ende auf Karren hingefahren, und die Tonnen haben hinten eine Roͤhre, an welcher ei- ne andre Roͤhre in die Quer angebracht iſt, die viele Loͤcher hat, wo das Waſſer in feinen Strahlen her- auslaͤuft. — Das Bois de Bologne beſteht groͤßten- theils aus Eichen, und die Leute beluſtigen ſich da mit Tanz und auf andre Art.
Nun etwas von Feſttagen und heiligen Gebraͤuchen. Um und nach Weihnachten wurden die Bilder des Erloͤ- ſers und der Jungfrau Maria mit dem Chriſtkinde in kleinen Schraͤnken, mit Lichtern und Kronen umher, allent- halben auf den Straßen, und vor den Haͤuſern ausge- ſtellt. — Waͤhrend der Faſtenzeit, da kein Fleiſch ge- geſſen werden durfte, wurden alle Fleiſchſcharne in der Stadt verſchloſſen. Der Tiſch wurde theurer, weil Milch und Eyer ſehr im Preiſe ſtiegen, und Fleiſch nur in demjenigen Scharren verkauft wurde, der dem Hotel- Dieu gehoͤrt, welches dieſe Zeit uͤber dadurch viel gewinnt. So lange das Carneval dauert, ergoͤtzt man ſich auf tauſenderley Art; unter andern wurde ein Knabe, der auf einem ſchoͤn geſchmuͤckten Ochſen mit vergoldetem Ruͤcken ritt, durch alle Gaſſen gefuͤhrt. Viele maſkir- ten ſich und ritten auf Pferden umher, oder fuhren auf Wagen und Cariolen herum, in einem ſo ſeltſamen Aufzuge, und in ſolcher Menge, daß ein Fremder in Ver- ſuchung haͤtte kommen koͤnnen, zu glauben, das halbe Volk in der Stadt habe den Verſtand verloren.
Unten am Calvair, einem großen Huͤgel an der Seine, wird, da wo man hinaufgeht, in ſieben Zimmern,
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Aufenthalt in Paris.
Abend wird ein Feuerwerk angeſtellt. Um hereinzukom-
men, muß man ein Billet haben, wofuͤr man dreyßig
Sous bezahlt. — Im Boulevard wird der Boden mit
Waſſer angefeuchtet, damit es nicht ſtauben moͤge. Das
Waſſer wird zu dieſem Ende auf Karren hingefahren,
und die Tonnen haben hinten eine Roͤhre, an welcher ei-
ne andre Roͤhre in die Quer angebracht iſt, die viele
Loͤcher hat, wo das Waſſer in feinen Strahlen her-
auslaͤuft. — Das Bois de Bologne beſteht groͤßten-
theils aus Eichen, und die Leute beluſtigen ſich da mit
Tanz und auf andre Art.
Nun etwas von Feſttagen und heiligen Gebraͤuchen.
Um und nach Weihnachten wurden die Bilder des Erloͤ-
ſers und der Jungfrau Maria mit dem Chriſtkinde in
kleinen Schraͤnken, mit Lichtern und Kronen umher, allent-
halben auf den Straßen, und vor den Haͤuſern ausge-
ſtellt. — Waͤhrend der Faſtenzeit, da kein Fleiſch ge-
geſſen werden durfte, wurden alle Fleiſchſcharne in der
Stadt verſchloſſen. Der Tiſch wurde theurer, weil
Milch und Eyer ſehr im Preiſe ſtiegen, und Fleiſch nur
in demjenigen Scharren verkauft wurde, der dem Hotel-
Dieu gehoͤrt, welches dieſe Zeit uͤber dadurch viel gewinnt.
So lange das Carneval dauert, ergoͤtzt man ſich auf
tauſenderley Art; unter andern wurde ein Knabe, der
auf einem ſchoͤn geſchmuͤckten Ochſen mit vergoldetem
Ruͤcken ritt, durch alle Gaſſen gefuͤhrt. Viele maſkir-
ten ſich und ritten auf Pferden umher, oder fuhren auf
Wagen und Cariolen herum, in einem ſo ſeltſamen
Aufzuge, und in ſolcher Menge, daß ein Fremder in Ver-
ſuchung haͤtte kommen koͤnnen, zu glauben, das halbe
Volk in der Stadt habe den Verſtand verloren.
Unten am Calvair, einem großen Huͤgel an der
Seine, wird, da wo man hinaufgeht, in ſieben Zimmern,
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/79>, abgerufen am 22.11.2024.
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