Steuermanne an Land, um mich ein wenig umzusehen. Am Strande machte der Lehm den Weg sehr schlüpfrig und weich, und während der Ebbe wurde er tief hinein von Wasser entblößt.
Die Bauern wohnen hier dicht bey einander, und ihre Höfe und Ländereyen sind durch weiter nichts, als le- bendige Hecken, von Aepfel- und Birnbäumen, Weiß- dorn, Spillbäumen (Evonymus) und Weiden getrennt, zwischen denen Rosensträuche und Brombeerstauden ste- hen; und an den Bäumen schlängelt sich Epheu hinauf. Als einem Schweden mußte mir hier der Wunsch aufstei- gen, daß man in meinem Vaterlande doch auch einmahl so weit kommen möchte, daß lebendige Hecken die Felder und Wiesen des Landmanns einschlössen, daß die aus Pfählen und Latten bestehenden Befriedigungen, die man in unzähliger Menge antrifft, und wodurch nicht nur die Wälder sehr ruinirt werden, sondern die auch kostbar sind, verbannet und unsichtbar würden, und daß man Hirten annähme, um die Heerden zu hüten, um deren willen man so theure und unglaublich viele Schutzwehren an- legt und unterhält. Würde alsdann zugleich die Baum- zucht aufgemuntert und geschützt, so dürfte das Land bin- nen kurzem zu einem irdischen Paradiese werden kön- nen. -- Wo ich jetzt war, stehen die Obstbäume in or- dentlichen Reihen. Ein Stübchen Cider kostet hier nicht mehr, als drey Sous, und die Aepfel sind höchst wohl- feil. Den Cider macht man hier auf die Art, daß die Aepfel in einer runden ausgehöhlten Maschine vermittelst eines länglich runden Holzes, das darin herumgedrehet wird, zerquetscht werden, dieser Brey alsdann auf eine Strohhürde geschüttet und gepresset, und der herabflie- ßende Saft in einem Gefäße gesammelt wird. -- Die Bauerhäuser bestehen aus Fachwerk und Lehmerde. Das
Reiſe von Holland nach Paris.
Steuermanne an Land, um mich ein wenig umzuſehen. Am Strande machte der Lehm den Weg ſehr ſchluͤpfrig und weich, und waͤhrend der Ebbe wurde er tief hinein von Waſſer entbloͤßt.
Die Bauern wohnen hier dicht bey einander, und ihre Hoͤfe und Laͤndereyen ſind durch weiter nichts, als le- bendige Hecken, von Aepfel- und Birnbaͤumen, Weiß- dorn, Spillbaͤumen (Evonymus) und Weiden getrennt, zwiſchen denen Roſenſtraͤuche und Brombeerſtauden ſte- hen; und an den Baͤumen ſchlaͤngelt ſich Epheu hinauf. Als einem Schweden mußte mir hier der Wunſch aufſtei- gen, daß man in meinem Vaterlande doch auch einmahl ſo weit kommen moͤchte, daß lebendige Hecken die Felder und Wieſen des Landmanns einſchloͤſſen, daß die aus Pfaͤhlen und Latten beſtehenden Befriedigungen, die man in unzaͤhliger Menge antrifft, und wodurch nicht nur die Waͤlder ſehr ruinirt werden, ſondern die auch koſtbar ſind, verbannet und unſichtbar wuͤrden, und daß man Hirten annaͤhme, um die Heerden zu huͤten, um deren willen man ſo theure und unglaublich viele Schutzwehren an- legt und unterhaͤlt. Wuͤrde alsdann zugleich die Baum- zucht aufgemuntert und geſchuͤtzt, ſo duͤrfte das Land bin- nen kurzem zu einem irdiſchen Paradieſe werden koͤn- nen. — Wo ich jetzt war, ſtehen die Obſtbaͤume in or- dentlichen Reihen. Ein Stuͤbchen Cider koſtet hier nicht mehr, als drey Sous, und die Aepfel ſind hoͤchſt wohl- feil. Den Cider macht man hier auf die Art, daß die Aepfel in einer runden ausgehoͤhlten Maſchine vermittelſt eines laͤnglich runden Holzes, das darin herumgedrehet wird, zerquetſcht werden, dieſer Brey alsdann auf eine Strohhuͤrde geſchuͤttet und gepreſſet, und der herabflie- ßende Saft in einem Gefaͤße geſammelt wird. — Die Bauerhaͤuſer beſtehen aus Fachwerk und Lehmerde. Das
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Reiſe von Holland nach Paris.
Steuermanne an Land, um mich ein wenig umzuſehen.
Am Strande machte der Lehm den Weg ſehr ſchluͤpfrig
und weich, und waͤhrend der Ebbe wurde er tief hinein
von Waſſer entbloͤßt.
Die Bauern wohnen hier dicht bey einander, und
ihre Hoͤfe und Laͤndereyen ſind durch weiter nichts, als le-
bendige Hecken, von Aepfel- und Birnbaͤumen, Weiß-
dorn, Spillbaͤumen (Evonymus) und Weiden getrennt,
zwiſchen denen Roſenſtraͤuche und Brombeerſtauden ſte-
hen; und an den Baͤumen ſchlaͤngelt ſich Epheu hinauf.
Als einem Schweden mußte mir hier der Wunſch aufſtei-
gen, daß man in meinem Vaterlande doch auch einmahl
ſo weit kommen moͤchte, daß lebendige Hecken die Felder
und Wieſen des Landmanns einſchloͤſſen, daß die aus
Pfaͤhlen und Latten beſtehenden Befriedigungen, die man
in unzaͤhliger Menge antrifft, und wodurch nicht nur die
Waͤlder ſehr ruinirt werden, ſondern die auch koſtbar ſind,
verbannet und unſichtbar wuͤrden, und daß man Hirten
annaͤhme, um die Heerden zu huͤten, um deren willen
man ſo theure und unglaublich viele Schutzwehren an-
legt und unterhaͤlt. Wuͤrde alsdann zugleich die Baum-
zucht aufgemuntert und geſchuͤtzt, ſo duͤrfte das Land bin-
nen kurzem zu einem irdiſchen Paradieſe werden koͤn-
nen. — Wo ich jetzt war, ſtehen die Obſtbaͤume in or-
dentlichen Reihen. Ein Stuͤbchen Cider koſtet hier nicht
mehr, als drey Sous, und die Aepfel ſind hoͤchſt wohl-
feil. Den Cider macht man hier auf die Art, daß die
Aepfel in einer runden ausgehoͤhlten Maſchine vermittelſt
eines laͤnglich runden Holzes, das darin herumgedrehet
wird, zerquetſcht werden, dieſer Brey alsdann auf eine
Strohhuͤrde geſchuͤttet und gepreſſet, und der herabflie-
ßende Saft in einem Gefaͤße geſammelt wird. — Die
Bauerhaͤuſer beſtehen aus Fachwerk und Lehmerde. Das
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/57>, abgerufen am 23.11.2024.
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