Rhede zwanzig bis dreyßig Schiffe. Jetzt lag auch die erste nach Europa zurückgehende Holländische Flotte segelfer- tig. Mit dieser schickte ich einen Theil meiner Samm- lungen ab, so viel ich davon in Ordnung gebracht hatte. Das übrige mußte ich noch zurückbehalten, um es erst in Ordnung zu bringen, und hernach mit andrer Schiffs- gelegenheit abzusenden.
Unter den von Holland angekommenen Schiffen war eins, das eine unglückliche und langwierige Fahrt gehabt hatte. Durch die Unwissenheit des Capitains war es in so schlechten Zustand gerathen, und von den rechten Winden so weit abgekommen, daß es zu Ango- la anlegen mußte, nachdem es vorher, und zwar nur mit neun Gesunden, in der Wallfischbay angekommen war. Auf dieser langen Reise war die Mannschaft theils durch Krankheit, theils durch Skorbut, theils durch häufiges und starkes Aderlassen so mitgenommen, daß der größte Theil der Besatzung ausgestorben war. Bald nach ihrer Ankunft wurde der erste Wundarzt und der Capitain angeklagt, daß sie ihre Sache nicht verstan- den hätten. Der erste war auf der Reise gestorben, der andre empfing seine wohlverdiente Strafe. Nicht zu gedenken, daß die Kranken auf eine völlig verkehrte Art mit undienlichen Arzneymitteln versehen waren, hatte man sie auch in andern Rücksichten sehr nachlässig behan- delt. Man erzählte, einmahl wären des Morgens vier Todte angegeben, wovon der eine, als er in die Matte genähet werden sollen, vom Segelmacher noch lebendig befunden worden, wiewohl er bald hernach doch gestor- ben sey. An einem andern Morgen habe man fünf Todte angegeben, man habe sie alle in die Matten genä- het, und zwey schon über Bord geworfen; als der drit- te auf das Bret gekommen sey, habe er gerufen: Herr
Zweyte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Rhede zwanzig bis dreyßig Schiffe. Jetzt lag auch die erſte nach Europa zuruͤckgehende Hollaͤndiſche Flotte ſegelfer- tig. Mit dieſer ſchickte ich einen Theil meiner Samm- lungen ab, ſo viel ich davon in Ordnung gebracht hatte. Das uͤbrige mußte ich noch zuruͤckbehalten, um es erſt in Ordnung zu bringen, und hernach mit andrer Schiffs- gelegenheit abzuſenden.
Unter den von Holland angekommenen Schiffen war eins, das eine ungluͤckliche und langwierige Fahrt gehabt hatte. Durch die Unwiſſenheit des Capitains war es in ſo ſchlechten Zuſtand gerathen, und von den rechten Winden ſo weit abgekommen, daß es zu Ango- la anlegen mußte, nachdem es vorher, und zwar nur mit neun Geſunden, in der Wallfiſchbay angekommen war. Auf dieſer langen Reiſe war die Mannſchaft theils durch Krankheit, theils durch Skorbut, theils durch haͤufiges und ſtarkes Aderlaſſen ſo mitgenommen, daß der groͤßte Theil der Beſatzung ausgeſtorben war. Bald nach ihrer Ankunft wurde der erſte Wundarzt und der Capitain angeklagt, daß ſie ihre Sache nicht verſtan- den haͤtten. Der erſte war auf der Reiſe geſtorben, der andre empfing ſeine wohlverdiente Strafe. Nicht zu gedenken, daß die Kranken auf eine voͤllig verkehrte Art mit undienlichen Arzneymitteln verſehen waren, hatte man ſie auch in andern Ruͤckſichten ſehr nachlaͤſſig behan- delt. Man erzaͤhlte, einmahl waͤren des Morgens vier Todte angegeben, wovon der eine, als er in die Matte genaͤhet werden ſollen, vom Segelmacher noch lebendig befunden worden, wiewohl er bald hernach doch geſtor- ben ſey. An einem andern Morgen habe man fuͤnf Todte angegeben, man habe ſie alle in die Matten genaͤ- het, und zwey ſchon uͤber Bord geworfen; als der drit- te auf das Bret gekommen ſey, habe er gerufen: Herr
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Zweyte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Rhede zwanzig bis dreyßig Schiffe. Jetzt lag auch die erſte
nach Europa zuruͤckgehende Hollaͤndiſche Flotte ſegelfer-
tig. Mit dieſer ſchickte ich einen Theil meiner Samm-
lungen ab, ſo viel ich davon in Ordnung gebracht hatte.
Das uͤbrige mußte ich noch zuruͤckbehalten, um es erſt in
Ordnung zu bringen, und hernach mit andrer Schiffs-
gelegenheit abzuſenden.
Unter den von Holland angekommenen Schiffen
war eins, das eine ungluͤckliche und langwierige Fahrt
gehabt hatte. Durch die Unwiſſenheit des Capitains
war es in ſo ſchlechten Zuſtand gerathen, und von den
rechten Winden ſo weit abgekommen, daß es zu Ango-
la anlegen mußte, nachdem es vorher, und zwar nur
mit neun Geſunden, in der Wallfiſchbay angekommen
war. Auf dieſer langen Reiſe war die Mannſchaft
theils durch Krankheit, theils durch Skorbut, theils
durch haͤufiges und ſtarkes Aderlaſſen ſo mitgenommen,
daß der groͤßte Theil der Beſatzung ausgeſtorben war.
Bald nach ihrer Ankunft wurde der erſte Wundarzt und
der Capitain angeklagt, daß ſie ihre Sache nicht verſtan-
den haͤtten. Der erſte war auf der Reiſe geſtorben, der
andre empfing ſeine wohlverdiente Strafe. Nicht zu
gedenken, daß die Kranken auf eine voͤllig verkehrte Art
mit undienlichen Arzneymitteln verſehen waren, hatte
man ſie auch in andern Ruͤckſichten ſehr nachlaͤſſig behan-
delt. Man erzaͤhlte, einmahl waͤren des Morgens vier
Todte angegeben, wovon der eine, als er in die Matte
genaͤhet werden ſollen, vom Segelmacher noch lebendig
befunden worden, wiewohl er bald hernach doch geſtor-
ben ſey. An einem andern Morgen habe man fuͤnf
Todte angegeben, man habe ſie alle in die Matten genaͤ-
het, und zwey ſchon uͤber Bord geworfen; als der drit-
te auf das Bret gekommen ſey, habe er gerufen: Herr
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/440>, abgerufen am 22.12.2024.
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