Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.Erste Abtheilung. Zweyter Abschnitt. und Büchern hätte entbehren müssen. Diese hatte manmir genommen, und sie mußten Quarantaine halten: ein Verfahren, das ich nicht nur für unbillig, sondern auch für unvorsichtig halte. Unvorsichtig ist es doch wohl immer, ein Schiff, wovon man glaubt, es könne mit der Pest angesteckt seyn, in den Hafen einer großen und volkreichen Stadt einlaufen, und die Besatzung und Passagiere mehrere Tage in der Stadt ungehindert sich aufhalten lassen, und hernach das Fahrzeug mit sei- ner Ladung Getreide wieder nach dem Texel in die Qua- rantaine zu schicken. Wäre irgend etwas von Pest auf dem Schiffe gewesen, so hätten ja die Leute sie nothwen- dig in die Stadt bringen und darin verbreiten müssen. Unbillig war es aber auch. Denn im Schiffe war nie- mand krank, und nicht die geringste Spur oder Anzeige von Pest. Warum nahm man nun bloß den Pas- sagieren, welche nicht mit dem Fahrzeuge von ver- dächtigen Oertern gekommen waren, ihre Koffer, daß sie wohl verschlossen, (welches gegen alle in solchen Fällen vernünftige Anstalten streitet) Qua- rantaine halten mußten. Ich konnte nicht umhin, bey dieser Gelegenheit die Regenten eines Staats zu be- dauern, welche selbst in so gefährlichen und bedenklichen Sachen nicht selten auf unverständige und unvorsichtige Bediente sich verlassen müssen. Inzwischen hielt ich durch den Schwedischen Agenten bey der Admiralität dar- um an, daß meine Koffer mir ausgeliefert werden möch- ten. Dies wurde mir aber nur so fern bewilligt, daß ich sie, wenn ich vor dem Texel vorbeyreisete, abhohlen könnte. Ich sah mich daher genöthigt, den Plan mei- ner Reise zu ändern, und hernach ganz unschuldiger Weise eine Menge Ausgaben mir gefallen zu lassen, zur Bezahlung theils für die Zeit, da man meine Sachen Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt. und Buͤchern haͤtte entbehren muͤſſen. Dieſe hatte manmir genommen, und ſie mußten Quarantaine halten: ein Verfahren, das ich nicht nur fuͤr unbillig, ſondern auch fuͤr unvorſichtig halte. Unvorſichtig iſt es doch wohl immer, ein Schiff, wovon man glaubt, es koͤnne mit der Peſt angeſteckt ſeyn, in den Hafen einer großen und volkreichen Stadt einlaufen, und die Beſatzung und Paſſagiere mehrere Tage in der Stadt ungehindert ſich aufhalten laſſen, und hernach das Fahrzeug mit ſei- ner Ladung Getreide wieder nach dem Texel in die Qua- rantaine zu ſchicken. Waͤre irgend etwas von Peſt auf dem Schiffe geweſen, ſo haͤtten ja die Leute ſie nothwen- dig in die Stadt bringen und darin verbreiten muͤſſen. Unbillig war es aber auch. Denn im Schiffe war nie- mand krank, und nicht die geringſte Spur oder Anzeige von Peſt. Warum nahm man nun bloß den Paſ- ſagieren, welche nicht mit dem Fahrzeuge von ver- daͤchtigen Oertern gekommen waren, ihre Koffer, daß ſie wohl verſchloſſen, (welches gegen alle in ſolchen Faͤllen vernuͤnftige Anſtalten ſtreitet) Qua- rantaine halten mußten. Ich konnte nicht umhin, bey dieſer Gelegenheit die Regenten eines Staats zu be- dauern, welche ſelbſt in ſo gefaͤhrlichen und bedenklichen Sachen nicht ſelten auf unverſtaͤndige und unvorſichtige Bediente ſich verlaſſen muͤſſen. Inzwiſchen hielt ich durch den Schwediſchen Agenten bey der Admiralitaͤt dar- um an, daß meine Koffer mir ausgeliefert werden moͤch- ten. Dies wurde mir aber nur ſo fern bewilligt, daß ich ſie, wenn ich vor dem Texel vorbeyreiſete, abhohlen koͤnnte. Ich ſah mich daher genoͤthigt, den Plan mei- ner Reiſe zu aͤndern, und hernach ganz unſchuldiger Weiſe eine Menge Ausgaben mir gefallen zu laſſen, zur Bezahlung theils fuͤr die Zeit, da man meine Sachen <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0042" n="14"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.</hi></fw><lb/> und Buͤchern haͤtte entbehren muͤſſen. Dieſe hatte man<lb/> mir genommen, und ſie mußten Quarantaine halten:<lb/> ein Verfahren, das ich nicht nur fuͤr unbillig, ſondern<lb/> auch fuͤr unvorſichtig halte. 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Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
und Buͤchern haͤtte entbehren muͤſſen. Dieſe hatte man
mir genommen, und ſie mußten Quarantaine halten:
ein Verfahren, das ich nicht nur fuͤr unbillig, ſondern
auch fuͤr unvorſichtig halte. Unvorſichtig iſt es doch
wohl immer, ein Schiff, wovon man glaubt, es koͤnne
mit der Peſt angeſteckt ſeyn, in den Hafen einer großen
und volkreichen Stadt einlaufen, und die Beſatzung
und Paſſagiere mehrere Tage in der Stadt ungehindert
ſich aufhalten laſſen, und hernach das Fahrzeug mit ſei-
ner Ladung Getreide wieder nach dem Texel in die Qua-
rantaine zu ſchicken. Waͤre irgend etwas von Peſt auf
dem Schiffe geweſen, ſo haͤtten ja die Leute ſie nothwen-
dig in die Stadt bringen und darin verbreiten muͤſſen.
Unbillig war es aber auch. Denn im Schiffe war nie-
mand krank, und nicht die geringſte Spur oder Anzeige
von Peſt. Warum nahm man nun bloß den Paſ-
ſagieren, welche nicht mit dem Fahrzeuge von ver-
daͤchtigen Oertern gekommen waren, ihre Koffer,
daß ſie wohl verſchloſſen, (welches gegen alle in
ſolchen Faͤllen vernuͤnftige Anſtalten ſtreitet) Qua-
rantaine halten mußten. Ich konnte nicht umhin,
bey dieſer Gelegenheit die Regenten eines Staats zu be-
dauern, welche ſelbſt in ſo gefaͤhrlichen und bedenklichen
Sachen nicht ſelten auf unverſtaͤndige und unvorſichtige
Bediente ſich verlaſſen muͤſſen. Inzwiſchen hielt ich
durch den Schwediſchen Agenten bey der Admiralitaͤt dar-
um an, daß meine Koffer mir ausgeliefert werden moͤch-
ten. Dies wurde mir aber nur ſo fern bewilligt, daß
ich ſie, wenn ich vor dem Texel vorbeyreiſete, abhohlen
koͤnnte. Ich ſah mich daher genoͤthigt, den Plan mei-
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Weiſe eine Menge Ausgaben mir gefallen zu laſſen, zur
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