Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.Erste Abtheilung. Erster Abschnitt. fiel, sondern zerfleischte auch mit den Zähnen ihm denlinken Arm und die linke Seite dergestalt, daß er völlig wie todt auf der Erde liegen blieb. Man weiß, daß die Löwen oft zu großmüthig sind, an einem todten Men- schen ihre Rache auszuüben, wofern der Hunger sie nicht antreibt, sie aufzufressen. So machte es auch dieser Löwe; er verließ ihn in jenem Zustande, ohne ihm wei- ter Leid zuzufügen. Seine Dienstbothen fanden ihn end- lich, und brachten ihn zu Hause. Seine Frau, ein rasches, entschloßnes Weib, hohlte sogleich einige wohlrie- chende Kräuter, die sie in Wasser kochte. Mit diesem Decoct wusch sie täglich seine Wunden, und wußte sie auch meisterhaft zu verbinden. Endlich wurde er zwar wieder hergestellt, der Arm aber blieb doch von der Zeit an so steif, daß er niemahls wieder ein Gewehr anlegen oder schießen konnte. Er war sonst bis dahin einer der stärksten und geschicktesten Jäger im ganzen Lande gewe- sen, und hatte sich sowohl durch die erlegten Elefanten, als durch den Verkauf ihrer Zähne ein beträchtliches Vermö- gen erworben. Er erzählte mir, in seiner Jugend sey die Kolonie noch nicht weit ins Land hinein ausgebreitet, und die Hottentotten so zahlreich gewesen, daß die Kolo- nisten nicht ohne Gefahr nach Zwellendam hätten kom- men können. Damahls wären auch die Elefanten, so- gar ziemlich nahe beym Cap, so häufig gewesen, daß man auf der Reise nach der Stadt und zurück verschiedne hätte schießen können. Er selbst hätte auf diese Art oft an ei- nem Tage vier bis fünf, manchmahl zwölf bis dreyzehn er- legt. Zweymahl in seinem Leben hätte er auf einer förmli- chen Elefantenjagd an einem einzigen Tage zwey und zwan- zig dieser Thiere mit seiner Büchse todtgeschossen. Gute Schützen tödten den Elefanten allezeit auf Einen Schuß, trifft aber die Kugel eins von den Vorderbeinen so, daß das Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt. fiel, ſondern zerfleiſchte auch mit den Zaͤhnen ihm denlinken Arm und die linke Seite dergeſtalt, daß er voͤllig wie todt auf der Erde liegen blieb. Man weiß, daß die Loͤwen oft zu großmuͤthig ſind, an einem todten Men- ſchen ihre Rache auszuuͤben, wofern der Hunger ſie nicht antreibt, ſie aufzufreſſen. So machte es auch dieſer Loͤwe; er verließ ihn in jenem Zuſtande, ohne ihm wei- ter Leid zuzufuͤgen. Seine Dienſtbothen fanden ihn end- lich, und brachten ihn zu Hauſe. Seine Frau, ein raſches, entſchloßnes Weib, hohlte ſogleich einige wohlrie- chende Kraͤuter, die ſie in Waſſer kochte. Mit dieſem Decoct wuſch ſie taͤglich ſeine Wunden, und wußte ſie auch meiſterhaft zu verbinden. Endlich wurde er zwar wieder hergeſtellt, der Arm aber blieb doch von der Zeit an ſo ſteif, daß er niemahls wieder ein Gewehr anlegen oder ſchießen konnte. Er war ſonſt bis dahin einer der ſtaͤrkſten und geſchickteſten Jaͤger im ganzen Lande gewe- ſen, und hatte ſich ſowohl durch die erlegten Elefanten, als durch den Verkauf ihrer Zaͤhne ein betraͤchtliches Vermoͤ- gen erworben. Er erzaͤhlte mir, in ſeiner Jugend ſey die Kolonie noch nicht weit ins Land hinein ausgebreitet, und die Hottentotten ſo zahlreich geweſen, daß die Kolo- niſten nicht ohne Gefahr nach Zwellendam haͤtten kom- men koͤnnen. Damahls waͤren auch die Elefanten, ſo- gar ziemlich nahe beym Cap, ſo haͤufig geweſen, daß man auf der Reiſe nach der Stadt und zuruͤck verſchiedne haͤtte ſchießen koͤnnen. Er ſelbſt haͤtte auf dieſe Art oft an ei- nem Tage vier bis fuͤnf, manchmahl zwoͤlf bis dreyzehn er- legt. Zweymahl in ſeinem Leben haͤtte er auf einer foͤrmli- chen Elefantenjagd an einem einzigen Tage zwey und zwan- zig dieſer Thiere mit ſeiner Buͤchſe todtgeſchoſſen. Gute Schuͤtzen toͤdten den Elefanten allezeit auf Einen Schuß, trifft aber die Kugel eins von den Vorderbeinen ſo, daß das <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0372" n="34"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.</hi></fw><lb/> fiel, ſondern zerfleiſchte auch mit den Zaͤhnen ihm den<lb/> linken Arm und die linke Seite dergeſtalt, daß er voͤllig<lb/> wie todt auf der Erde liegen blieb. Man weiß, daß<lb/> die Loͤwen oft zu großmuͤthig ſind, an einem todten Men-<lb/> ſchen ihre Rache auszuuͤben, wofern der Hunger ſie nicht<lb/> antreibt, ſie aufzufreſſen. So machte es auch dieſer<lb/> Loͤwe; er verließ ihn in jenem Zuſtande, ohne ihm wei-<lb/> ter Leid zuzufuͤgen. Seine Dienſtbothen fanden ihn end-<lb/> lich, und brachten ihn zu Hauſe. Seine Frau, ein<lb/> raſches, entſchloßnes Weib, hohlte ſogleich einige wohlrie-<lb/> chende Kraͤuter, die ſie in Waſſer kochte. Mit dieſem<lb/> Decoct wuſch ſie taͤglich ſeine Wunden, und wußte ſie<lb/> auch meiſterhaft zu verbinden. Endlich wurde er zwar<lb/> wieder hergeſtellt, der Arm aber blieb doch von der Zeit<lb/> an ſo ſteif, daß er niemahls wieder ein Gewehr anlegen<lb/> oder ſchießen konnte. Er war ſonſt bis dahin einer der<lb/> ſtaͤrkſten und geſchickteſten Jaͤger im ganzen Lande gewe-<lb/> ſen, und hatte ſich ſowohl durch die erlegten Elefanten, als<lb/> durch den Verkauf ihrer Zaͤhne ein betraͤchtliches Vermoͤ-<lb/> gen erworben. Er erzaͤhlte mir, in ſeiner Jugend ſey<lb/> die Kolonie noch nicht weit ins Land hinein ausgebreitet,<lb/> und die Hottentotten ſo zahlreich geweſen, daß die Kolo-<lb/> niſten nicht ohne Gefahr nach <placeName>Zwellendam</placeName> haͤtten kom-<lb/> men koͤnnen. Damahls waͤren auch die Elefanten, ſo-<lb/> gar ziemlich nahe beym <placeName>Cap</placeName>, ſo haͤufig geweſen, daß man<lb/> auf der Reiſe nach der Stadt und zuruͤck verſchiedne haͤtte<lb/> ſchießen koͤnnen. Er ſelbſt haͤtte auf dieſe Art oft an ei-<lb/> nem Tage vier bis fuͤnf, manchmahl zwoͤlf bis dreyzehn er-<lb/> legt. Zweymahl in ſeinem Leben haͤtte er auf einer foͤrmli-<lb/> chen Elefantenjagd an einem einzigen Tage zwey und zwan-<lb/> zig dieſer Thiere mit ſeiner Buͤchſe todtgeſchoſſen. Gute<lb/> Schuͤtzen toͤdten den Elefanten allezeit auf Einen Schuß,<lb/> trifft aber die Kugel eins von den Vorderbeinen ſo, daß das<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0372]
Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
fiel, ſondern zerfleiſchte auch mit den Zaͤhnen ihm den
linken Arm und die linke Seite dergeſtalt, daß er voͤllig
wie todt auf der Erde liegen blieb. Man weiß, daß
die Loͤwen oft zu großmuͤthig ſind, an einem todten Men-
ſchen ihre Rache auszuuͤben, wofern der Hunger ſie nicht
antreibt, ſie aufzufreſſen. So machte es auch dieſer
Loͤwe; er verließ ihn in jenem Zuſtande, ohne ihm wei-
ter Leid zuzufuͤgen. Seine Dienſtbothen fanden ihn end-
lich, und brachten ihn zu Hauſe. Seine Frau, ein
raſches, entſchloßnes Weib, hohlte ſogleich einige wohlrie-
chende Kraͤuter, die ſie in Waſſer kochte. Mit dieſem
Decoct wuſch ſie taͤglich ſeine Wunden, und wußte ſie
auch meiſterhaft zu verbinden. Endlich wurde er zwar
wieder hergeſtellt, der Arm aber blieb doch von der Zeit
an ſo ſteif, daß er niemahls wieder ein Gewehr anlegen
oder ſchießen konnte. Er war ſonſt bis dahin einer der
ſtaͤrkſten und geſchickteſten Jaͤger im ganzen Lande gewe-
ſen, und hatte ſich ſowohl durch die erlegten Elefanten, als
durch den Verkauf ihrer Zaͤhne ein betraͤchtliches Vermoͤ-
gen erworben. Er erzaͤhlte mir, in ſeiner Jugend ſey
die Kolonie noch nicht weit ins Land hinein ausgebreitet,
und die Hottentotten ſo zahlreich geweſen, daß die Kolo-
niſten nicht ohne Gefahr nach Zwellendam haͤtten kom-
men koͤnnen. Damahls waͤren auch die Elefanten, ſo-
gar ziemlich nahe beym Cap, ſo haͤufig geweſen, daß man
auf der Reiſe nach der Stadt und zuruͤck verſchiedne haͤtte
ſchießen koͤnnen. Er ſelbſt haͤtte auf dieſe Art oft an ei-
nem Tage vier bis fuͤnf, manchmahl zwoͤlf bis dreyzehn er-
legt. Zweymahl in ſeinem Leben haͤtte er auf einer foͤrmli-
chen Elefantenjagd an einem einzigen Tage zwey und zwan-
zig dieſer Thiere mit ſeiner Buͤchſe todtgeſchoſſen. Gute
Schuͤtzen toͤdten den Elefanten allezeit auf Einen Schuß,
trifft aber die Kugel eins von den Vorderbeinen ſo, daß das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |