Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792.Vierte Abtheilung. Achter Abschnitt. war. Diese mußten genau Achtung geben und verhin-dern, daß von dem, was der Compagnie gehörte, nichts gestohlen würde. Zugleich wurde in eben dem Augen- blicke ein Galgen errichtet, mit einer Inschrift, welche enthielt, daß jeder, der sich unterstehen würde, sich dem Orte zu nähern, ohne Untersuchung und Urtheils- spruch sogleich daran gehängt werden solle. Dies Ver- both und der Galgen machten, daß diejenigen Einwoh- ner der Stadt, die aus Mitleiden sich zu Pferde aufge- macht hatten, um den Unglücklichen, wenn es möglich wäre, Rettung zu verschaffen, sich genöthiget sahen, wieder umzukehren, ohne das mindeste zu ihrem Bey- stande versuchen zu können. Diesen Menschenfreunden blieb daher, so wie auch mir, nichts anders übrig, als von der Unvernunft und Raserey, ich will nicht sagen, dem höchst lieblosen und grausamen Betragen, derjeni- gen Augenzeugen zu seyn, die auch nicht im allergering- sten darauf bedacht waren, den auf dem Wrake Todes- angst ausstehenden, und von Hunger, Durst und Kälte entkräfteten, wirklich schon halb todten Leuten, Bey- stand und Hülfe widerfahren zu lassen. -- Das Be- dauernswürdige dieses Unglücks wurde noch durch einen besondern Umstand in hohem Grade vermehrt. Unter den wenigen, die so glücklich waren, durch Schwim- men ihr Leben retten zu können, befand sich auch der Constabel, ein Mann, den ich kannte, und den ich auch hernach in der Stadt manchmahl noch getroffen habe. Er hatte sich, um desto leichter schwimmen zu können, nackt ausgezogen, und kam auch lebendig ans Land: ein Glück, dessen nicht alle, die schwammen, wenn sie diese Kunst auch noch so gut verstanden, sich zu erfreuen hatten; weil sie entweder gegen Klippen gewor- Vierte Abtheilung. Achter Abſchnitt. war. Dieſe mußten genau Achtung geben und verhin-dern, daß von dem, was der Compagnie gehoͤrte, nichts geſtohlen wuͤrde. Zugleich wurde in eben dem Augen- blicke ein Galgen errichtet, mit einer Inſchrift, welche enthielt, daß jeder, der ſich unterſtehen wuͤrde, ſich dem Orte zu naͤhern, ohne Unterſuchung und Urtheils- ſpruch ſogleich daran gehaͤngt werden ſolle. Dies Ver- both und der Galgen machten, daß diejenigen Einwoh- ner der Stadt, die aus Mitleiden ſich zu Pferde aufge- macht hatten, um den Ungluͤcklichen, wenn es moͤglich waͤre, Rettung zu verſchaffen, ſich genoͤthiget ſahen, wieder umzukehren, ohne das mindeſte zu ihrem Bey- ſtande verſuchen zu koͤnnen. Dieſen Menſchenfreunden blieb daher, ſo wie auch mir, nichts anders uͤbrig, als von der Unvernunft und Raſerey, ich will nicht ſagen, dem hoͤchſt liebloſen und grauſamen Betragen, derjeni- gen Augenzeugen zu ſeyn, die auch nicht im allergering- ſten darauf bedacht waren, den auf dem Wrake Todes- angſt ausſtehenden, und von Hunger, Durſt und Kaͤlte entkraͤfteten, wirklich ſchon halb todten Leuten, Bey- ſtand und Huͤlfe widerfahren zu laſſen. — Das Be- dauernswuͤrdige dieſes Ungluͤcks wurde noch durch einen beſondern Umſtand in hohem Grade vermehrt. Unter den wenigen, die ſo gluͤcklich waren, durch Schwim- men ihr Leben retten zu koͤnnen, befand ſich auch der Conſtabel, ein Mann, den ich kannte, und den ich auch hernach in der Stadt manchmahl noch getroffen habe. Er hatte ſich, um deſto leichter ſchwimmen zu koͤnnen, nackt ausgezogen, und kam auch lebendig ans Land: ein Gluͤck, deſſen nicht alle, die ſchwammen, wenn ſie dieſe Kunſt auch noch ſo gut verſtanden, ſich zu erfreuen hatten; weil ſie entweder gegen Klippen gewor- <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0310" n="282"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vierte Abtheilung. Achter Abſchnitt.</hi></fw><lb/> war. Dieſe mußten genau Achtung geben und verhin-<lb/> dern, daß von dem, was der Compagnie gehoͤrte, nichts<lb/> geſtohlen wuͤrde. Zugleich wurde in eben dem Augen-<lb/> blicke ein Galgen errichtet, mit einer Inſchrift, welche<lb/> enthielt, daß jeder, der ſich unterſtehen wuͤrde, ſich<lb/> dem Orte zu naͤhern, ohne Unterſuchung und Urtheils-<lb/> ſpruch ſogleich daran gehaͤngt werden ſolle. Dies Ver-<lb/> both und der Galgen machten, daß diejenigen Einwoh-<lb/> ner der Stadt, die aus Mitleiden ſich zu Pferde aufge-<lb/> macht hatten, um den Ungluͤcklichen, wenn es moͤglich<lb/> waͤre, Rettung zu verſchaffen, ſich genoͤthiget ſahen,<lb/> wieder umzukehren, ohne das mindeſte zu ihrem Bey-<lb/> ſtande verſuchen zu koͤnnen. Dieſen Menſchenfreunden<lb/> blieb daher, ſo wie auch mir, nichts anders uͤbrig, als<lb/> von der Unvernunft und Raſerey, ich will nicht ſagen,<lb/> dem hoͤchſt liebloſen und grauſamen Betragen, derjeni-<lb/> gen Augenzeugen zu ſeyn, die auch nicht im allergering-<lb/> ſten darauf bedacht waren, den auf dem Wrake Todes-<lb/> angſt ausſtehenden, und von Hunger, Durſt und Kaͤlte<lb/> entkraͤfteten, wirklich ſchon halb todten Leuten, Bey-<lb/> ſtand und Huͤlfe widerfahren zu laſſen. — Das Be-<lb/> dauernswuͤrdige dieſes Ungluͤcks wurde noch durch einen<lb/> beſondern Umſtand in hohem Grade vermehrt. Unter<lb/> den wenigen, die ſo gluͤcklich waren, durch Schwim-<lb/> men ihr Leben retten zu koͤnnen, befand ſich auch der<lb/> Conſtabel, ein Mann, den ich kannte, und den ich<lb/> auch hernach in der Stadt manchmahl noch getroffen<lb/> habe. Er hatte ſich, um deſto leichter ſchwimmen zu<lb/> koͤnnen, nackt ausgezogen, und kam auch lebendig ans<lb/> Land: ein Gluͤck, deſſen nicht alle, die ſchwammen,<lb/> wenn ſie dieſe Kunſt auch noch ſo gut verſtanden, ſich zu<lb/> erfreuen hatten; weil ſie entweder gegen Klippen gewor-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [282/0310]
Vierte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
war. Dieſe mußten genau Achtung geben und verhin-
dern, daß von dem, was der Compagnie gehoͤrte, nichts
geſtohlen wuͤrde. Zugleich wurde in eben dem Augen-
blicke ein Galgen errichtet, mit einer Inſchrift, welche
enthielt, daß jeder, der ſich unterſtehen wuͤrde, ſich
dem Orte zu naͤhern, ohne Unterſuchung und Urtheils-
ſpruch ſogleich daran gehaͤngt werden ſolle. Dies Ver-
both und der Galgen machten, daß diejenigen Einwoh-
ner der Stadt, die aus Mitleiden ſich zu Pferde aufge-
macht hatten, um den Ungluͤcklichen, wenn es moͤglich
waͤre, Rettung zu verſchaffen, ſich genoͤthiget ſahen,
wieder umzukehren, ohne das mindeſte zu ihrem Bey-
ſtande verſuchen zu koͤnnen. Dieſen Menſchenfreunden
blieb daher, ſo wie auch mir, nichts anders uͤbrig, als
von der Unvernunft und Raſerey, ich will nicht ſagen,
dem hoͤchſt liebloſen und grauſamen Betragen, derjeni-
gen Augenzeugen zu ſeyn, die auch nicht im allergering-
ſten darauf bedacht waren, den auf dem Wrake Todes-
angſt ausſtehenden, und von Hunger, Durſt und Kaͤlte
entkraͤfteten, wirklich ſchon halb todten Leuten, Bey-
ſtand und Huͤlfe widerfahren zu laſſen. — Das Be-
dauernswuͤrdige dieſes Ungluͤcks wurde noch durch einen
beſondern Umſtand in hohem Grade vermehrt. Unter
den wenigen, die ſo gluͤcklich waren, durch Schwim-
men ihr Leben retten zu koͤnnen, befand ſich auch der
Conſtabel, ein Mann, den ich kannte, und den ich
auch hernach in der Stadt manchmahl noch getroffen
habe. Er hatte ſich, um deſto leichter ſchwimmen zu
koͤnnen, nackt ausgezogen, und kam auch lebendig ans
Land: ein Gluͤck, deſſen nicht alle, die ſchwammen,
wenn ſie dieſe Kunſt auch noch ſo gut verſtanden, ſich zu
erfreuen hatten; weil ſie entweder gegen Klippen gewor-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |