Auf unsrer Fahrt über den Sund segelte uns eine Men- ge Schiffe vorbey, eine andre Menge lag, um erst bey Kronborg den Zoll zu entrichten, auf der Rhede. Je- nes sah einem emporragenden Walde, dieses einer schwimmenden Stadt ähnlich. Aber zu sehen, daß ein einziges Reich hier allen Nationen Zoll abfordert, ist verdrießlich, zumahl für einen Schweden. Man ärgert sich, daß das Schwedische Reich nicht Theil daran nehmen kann. Hieran ist indessen wohl vornehmlich die Seich- tigkeit des Wassers an den Schwedischen Küsten Schuld, die von dem großen Sandstriche bis an den Helsingbor- ger Strand, durch groben Sand, Tang (Zostera) und Wasserriemen (Fucus), welches alles vom Wasser dahin getrieben wird, von Jahr zu Jahr zunimmt.
Weil zu Helsingör damahls kein Schiff nach Am- sterdam segelfertig war, entschloß ich mich, noch am Ta- ge meiner Ankunft eine Reise zu Lande nach Kopenhagen zu machen. Der Weg dahin ist sehr schön, läuft eine Strecke an der See hin, und geht hernach durch unge- mein angenehme Büchen- und Eichenwälder, und durch den Thiergarten. In diesem letztern darf man bey Le- bensstrafe kein Gewehr abschießen. Am Wege sah ich perennirende Maßliebe (Bellis perennis), gewöhnlichen Baldrian (Valeriana officinalis), wilde Wegwarte (Cichorium inrybus) und Mäuseg[er]ste (Hordeum mu- rinum) in Menge. Die letztere wächst auch häufig auf den Straßen zu Kopenhagen. Auch fährt man hier, be- sonders wenn man dieser Stadt näher kommt, durch vor- treffliche Alleen von gemeinen Kastanienbäumen, mit nie- dergebognen Stämmen. An den Befriedigungen der Gär- ten sieht man viele Weinstöcke mit ausgebreiteten Ranken.
Zu Kopenhagen besah ich den botanischen Garten, mit dessen Versetzung man jetzt beschäfftigt war. Her-
Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Auf unſrer Fahrt uͤber den Sund ſegelte uns eine Men- ge Schiffe vorbey, eine andre Menge lag, um erſt bey Kronborg den Zoll zu entrichten, auf der Rhede. Je- nes ſah einem emporragenden Walde, dieſes einer ſchwimmenden Stadt aͤhnlich. Aber zu ſehen, daß ein einziges Reich hier allen Nationen Zoll abfordert, iſt verdrießlich, zumahl fuͤr einen Schweden. Man aͤrgert ſich, daß das Schwediſche Reich nicht Theil daran nehmen kann. Hieran iſt indeſſen wohl vornehmlich die Seich- tigkeit des Waſſers an den Schwediſchen Kuͤſten Schuld, die von dem großen Sandſtriche bis an den Helſingbor- ger Strand, durch groben Sand, Tang (Zoſtera) und Waſſerriemen (Fucus), welches alles vom Waſſer dahin getrieben wird, von Jahr zu Jahr zunimmt.
Weil zu Helſingoͤr damahls kein Schiff nach Am- ſterdam ſegelfertig war, entſchloß ich mich, noch am Ta- ge meiner Ankunft eine Reiſe zu Lande nach Kopenhagen zu machen. Der Weg dahin iſt ſehr ſchoͤn, laͤuft eine Strecke an der See hin, und geht hernach durch unge- mein angenehme Buͤchen- und Eichenwaͤlder, und durch den Thiergarten. In dieſem letztern darf man bey Le- bensſtrafe kein Gewehr abſchießen. Am Wege ſah ich perennirende Maßliebe (Bellis perennis), gewoͤhnlichen Baldrian (Valeriana officinalis), wilde Wegwarte (Cichorium inrybus) und Maͤuſeg[er]ſte (Hordeum mu- rinum) in Menge. Die letztere waͤchſt auch haͤufig auf den Straßen zu Kopenhagen. Auch faͤhrt man hier, be- ſonders wenn man dieſer Stadt naͤher kommt, durch vor- treffliche Alleen von gemeinen Kaſtanienbaͤumen, mit nie- dergebognen Staͤmmen. An den Befriedigungen der Gaͤr- ten ſieht man viele Weinſtoͤcke mit ausgebreiteten Ranken.
Zu Kopenhagen beſah ich den botaniſchen Garten, mit deſſen Verſetzung man jetzt beſchaͤfftigt war. Her-
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Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Auf unſrer Fahrt uͤber den Sund ſegelte uns eine Men-
ge Schiffe vorbey, eine andre Menge lag, um erſt bey
Kronborg den Zoll zu entrichten, auf der Rhede. Je-
nes ſah einem emporragenden Walde, dieſes einer
ſchwimmenden Stadt aͤhnlich. Aber zu ſehen, daß ein
einziges Reich hier allen Nationen Zoll abfordert, iſt
verdrießlich, zumahl fuͤr einen Schweden. Man aͤrgert
ſich, daß das Schwediſche Reich nicht Theil daran nehmen
kann. Hieran iſt indeſſen wohl vornehmlich die Seich-
tigkeit des Waſſers an den Schwediſchen Kuͤſten Schuld,
die von dem großen Sandſtriche bis an den Helſingbor-
ger Strand, durch groben Sand, Tang (Zoſtera) und
Waſſerriemen (Fucus), welches alles vom Waſſer dahin
getrieben wird, von Jahr zu Jahr zunimmt.
Weil zu Helſingoͤr damahls kein Schiff nach Am-
ſterdam ſegelfertig war, entſchloß ich mich, noch am Ta-
ge meiner Ankunft eine Reiſe zu Lande nach Kopenhagen
zu machen. Der Weg dahin iſt ſehr ſchoͤn, laͤuft eine
Strecke an der See hin, und geht hernach durch unge-
mein angenehme Buͤchen- und Eichenwaͤlder, und durch
den Thiergarten. In dieſem letztern darf man bey Le-
bensſtrafe kein Gewehr abſchießen. Am Wege ſah ich
perennirende Maßliebe (Bellis perennis), gewoͤhnlichen
Baldrian (Valeriana officinalis), wilde Wegwarte
(Cichorium inrybus) und Maͤuſegerſte (Hordeum mu-
rinum) in Menge. Die letztere waͤchſt auch haͤufig auf
den Straßen zu Kopenhagen. Auch faͤhrt man hier, be-
ſonders wenn man dieſer Stadt naͤher kommt, durch vor-
treffliche Alleen von gemeinen Kaſtanienbaͤumen, mit nie-
dergebognen Staͤmmen. An den Befriedigungen der Gaͤr-
ten ſieht man viele Weinſtoͤcke mit ausgebreiteten Ranken.
Zu Kopenhagen beſah ich den botaniſchen Garten,
mit deſſen Verſetzung man jetzt beſchaͤfftigt war. Her-
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/30>, abgerufen am 03.07.2024.
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