mahl zeigte sich uns in dieser Zeit eine sehr schöne Was- serhose. Die Säule fing unten auf dem Wasser, mit gleichsam zerstreuten kleinen Wolken an, wuchs darauf aus denselben in einem schmalen, in einer Beugung em- porsteigenden, Zuge oder Strahle mit ebenen Seiten in die Höhe, welcher, sobald er über die Mitte hinauf war, nach und nach dick wurde und sich in einer Wolke endigte. Diese Erscheinung währte nicht lange, son- dern verschwand bald.
Den 22. Februar, kurz vor zwölf Uhr, passirten wir die Linie. Die Hitze war jetzt so stark, daß die Butter wie Oehl floß, und die Siegel auf den Briefen weich, und wenn Briefe auf einander lagen, ganz un- kenntlich wurden. Nunmehr zeigten sich auch die flie- genden Wachtelfische (Exocoetus volitans), in ziemlicher Menge: meistens flogen sie in einer Reihe in der Breite, bisweilen doch aber auch, wiewohl selten, in entgegen- stehenden Gliedern. Imgleichen sahen wir in dieser Gegend eine Art großer Vögel, die sehr hoch flogen. Der Scorbut fing an mehr überhand zu nehmen. Das Wasser faulte, obschon Quecksilber darin war, nahm bereits einen ekelhaften Leichengeruch an, und wur- de voll Würmer, daß man es ohne Kaffee oder Thee nicht trinken konnte. Nach einigen Wochen aber wurde es von selbst wieder rein und wohlschmeckend, nachdem alles Unreine und die Würmer sich auf den Boden ge- senkt hatten. Mittlerweile sammelten wir dann und wann Regenwasser, obzwar dies verbothen war, weil man glaubte, Regenwasser verursache Krankheiten, und unerachtet es vom Tauwerke nach Theer schmeckte. Um das Bier zu conserviren, legte man zwey Eyer in das Faß, die darin zerplatzten.
Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
mahl zeigte ſich uns in dieſer Zeit eine ſehr ſchoͤne Waſ- ſerhoſe. Die Saͤule fing unten auf dem Waſſer, mit gleichſam zerſtreuten kleinen Wolken an, wuchs darauf aus denſelben in einem ſchmalen, in einer Beugung em- porſteigenden, Zuge oder Strahle mit ebenen Seiten in die Hoͤhe, welcher, ſobald er uͤber die Mitte hinauf war, nach und nach dick wurde und ſich in einer Wolke endigte. Dieſe Erſcheinung waͤhrte nicht lange, ſon- dern verſchwand bald.
Den 22. Februar, kurz vor zwoͤlf Uhr, paſſirten wir die Linie. Die Hitze war jetzt ſo ſtark, daß die Butter wie Oehl floß, und die Siegel auf den Briefen weich, und wenn Briefe auf einander lagen, ganz un- kenntlich wurden. Nunmehr zeigten ſich auch die flie- genden Wachtelfiſche (Exocoetus volitans), in ziemlicher Menge: meiſtens flogen ſie in einer Reihe in der Breite, bisweilen doch aber auch, wiewohl ſelten, in entgegen- ſtehenden Gliedern. Imgleichen ſahen wir in dieſer Gegend eine Art großer Voͤgel, die ſehr hoch flogen. Der Scorbut fing an mehr uͤberhand zu nehmen. Das Waſſer faulte, obſchon Queckſilber darin war, nahm bereits einen ekelhaften Leichengeruch an, und wur- de voll Wuͤrmer, daß man es ohne Kaffee oder Thee nicht trinken konnte. Nach einigen Wochen aber wurde es von ſelbſt wieder rein und wohlſchmeckend, nachdem alles Unreine und die Wuͤrmer ſich auf den Boden ge- ſenkt hatten. Mittlerweile ſammelten wir dann und wann Regenwaſſer, obzwar dies verbothen war, weil man glaubte, Regenwaſſer verurſache Krankheiten, und unerachtet es vom Tauwerke nach Theer ſchmeckte. Um das Bier zu conſerviren, legte man zwey Eyer in das Faß, die darin zerplatzten.
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Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
mahl zeigte ſich uns in dieſer Zeit eine ſehr ſchoͤne Waſ-
ſerhoſe. Die Saͤule fing unten auf dem Waſſer, mit
gleichſam zerſtreuten kleinen Wolken an, wuchs darauf
aus denſelben in einem ſchmalen, in einer Beugung em-
porſteigenden, Zuge oder Strahle mit ebenen Seiten in
die Hoͤhe, welcher, ſobald er uͤber die Mitte hinauf
war, nach und nach dick wurde und ſich in einer Wolke
endigte. Dieſe Erſcheinung waͤhrte nicht lange, ſon-
dern verſchwand bald.
Den 22. Februar, kurz vor zwoͤlf Uhr, paſſirten
wir die Linie. Die Hitze war jetzt ſo ſtark, daß die
Butter wie Oehl floß, und die Siegel auf den Briefen
weich, und wenn Briefe auf einander lagen, ganz un-
kenntlich wurden. Nunmehr zeigten ſich auch die flie-
genden Wachtelfiſche (Exocoetus volitans), in ziemlicher
Menge: meiſtens flogen ſie in einer Reihe in der Breite,
bisweilen doch aber auch, wiewohl ſelten, in entgegen-
ſtehenden Gliedern. Imgleichen ſahen wir in dieſer
Gegend eine Art großer Voͤgel, die ſehr hoch flogen.
Der Scorbut fing an mehr uͤberhand zu nehmen.
Das Waſſer faulte, obſchon Queckſilber darin war,
nahm bereits einen ekelhaften Leichengeruch an, und wur-
de voll Wuͤrmer, daß man es ohne Kaffee oder Thee
nicht trinken konnte. Nach einigen Wochen aber wurde
es von ſelbſt wieder rein und wohlſchmeckend, nachdem
alles Unreine und die Wuͤrmer ſich auf den Boden ge-
ſenkt hatten. Mittlerweile ſammelten wir dann und
wann Regenwaſſer, obzwar dies verbothen war, weil
man glaubte, Regenwaſſer verurſache Krankheiten, und
unerachtet es vom Tauwerke nach Theer ſchmeckte. Um
das Bier zu conſerviren, legte man zwey Eyer in das
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Thunberg, Carl Peter: Reisen durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien [...] in den Jahren 1770 bis 1779. Bd. 1. Übers. v. Christian Heinrich Groskurd. Berlin, 1792, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thunberg_reisen01_1792/114>, abgerufen am 25.11.2024.
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