längerer Zeit wird die landübliche Wirthschaft sich den neuen Verhältnissen anpassen und die Kultur auf den Acker beschränken, der die Kosten bezahlt. Durch diesen langsamen und schwankenden Uebergang geht aber der Nation ein weit größeres Kapital verloren, als die Ab- gabe selbst nöthig machte.
§. 35. Wirkung der Abgabe, wenn die Konsumtion an Korn sich gleich bleibt.
Das bisher Gesagte ist nur für den Fall gültig, wenn durch die neue Steuer die Kornkonsumtion ab- nimmt. Wo aber das Volk reich genug ist, um einen höhern Preis für das Getreide bezahlen zu können, und die Konsumtion selbst sich gleich bleibt, da ist die Wir- kung der Auflagen ganz anders.
Wenn z. B. in dem isolirten Staate die entfernten Gegenden in Folge der Abgabe aufhören, Korn nach der Stadt zu liefern, so entsteht hieraus augenblicklich Man- gel in der Stadt; der Mangel erzeugt höhere Preise, der höhere Preis macht es den entfernten Gegenden wieder möglich, Korn für die Stadt zu bauen, und so ist das Gleichgewicht wieder hergestellt. Da nun der Bedarf der Stadt nicht anders befriedigt werden kann, als wenn der Kornbau sich bis auf 31, 5 Meilen von der Stadt ausdehnt: so muß der Preis des Korns auch so hoch stei- gen, daß dem entferntesten Gut nicht bloß die Pro- duktions- und Transportkosten des Getreides, sondern auch die neu hinzugekommene Auflage ersetzt wird.
In diesem Fall muß also der Konsument des Korns die ganze auf den Ackerbau gelegte Abgabe bezahlen.
Nach den Lehren des physiokratischen Systems fallen alle auf die Gewerbe gelegten Abgaben doch zuletzt auf den Landbau zurück. Wenn ein Handwerker z. B. eine
laͤngerer Zeit wird die landuͤbliche Wirthſchaft ſich den neuen Verhaͤltniſſen anpaſſen und die Kultur auf den Acker beſchraͤnken, der die Koſten bezahlt. Durch dieſen langſamen und ſchwankenden Uebergang geht aber der Nation ein weit groͤßeres Kapital verloren, als die Ab- gabe ſelbſt noͤthig machte.
§. 35. Wirkung der Abgabe, wenn die Konſumtion an Korn ſich gleich bleibt.
Das bisher Geſagte iſt nur fuͤr den Fall guͤltig, wenn durch die neue Steuer die Kornkonſumtion ab- nimmt. Wo aber das Volk reich genug iſt, um einen hoͤhern Preis fuͤr das Getreide bezahlen zu koͤnnen, und die Konſumtion ſelbſt ſich gleich bleibt, da iſt die Wir- kung der Auflagen ganz anders.
Wenn z. B. in dem iſolirten Staate die entfernten Gegenden in Folge der Abgabe aufhoͤren, Korn nach der Stadt zu liefern, ſo entſteht hieraus augenblicklich Man- gel in der Stadt; der Mangel erzeugt hoͤhere Preiſe, der hoͤhere Preis macht es den entfernten Gegenden wieder moͤglich, Korn fuͤr die Stadt zu bauen, und ſo iſt das Gleichgewicht wieder hergeſtellt. Da nun der Bedarf der Stadt nicht anders befriedigt werden kann, als wenn der Kornbau ſich bis auf 31, 5 Meilen von der Stadt ausdehnt: ſo muß der Preis des Korns auch ſo hoch ſtei- gen, daß dem entfernteſten Gut nicht bloß die Pro- duktions- und Transportkoſten des Getreides, ſondern auch die neu hinzugekommene Auflage erſetzt wird.
In dieſem Fall muß alſo der Konſument des Korns die ganze auf den Ackerbau gelegte Abgabe bezahlen.
Nach den Lehren des phyſiokratiſchen Syſtems fallen alle auf die Gewerbe gelegten Abgaben doch zuletzt auf den Landbau zuruͤck. Wenn ein Handwerker z. B. eine
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laͤngerer Zeit wird die landuͤbliche Wirthſchaft ſich den
neuen Verhaͤltniſſen anpaſſen und die Kultur auf den
Acker beſchraͤnken, der die Koſten bezahlt. Durch dieſen
langſamen und ſchwankenden Uebergang geht aber der
Nation ein weit groͤßeres Kapital verloren, als die Ab-
gabe ſelbſt noͤthig machte.
§. 35.
Wirkung der Abgabe, wenn die Konſumtion an Korn ſich
gleich bleibt.
Das bisher Geſagte iſt nur fuͤr den Fall guͤltig,
wenn durch die neue Steuer die Kornkonſumtion ab-
nimmt. Wo aber das Volk reich genug iſt, um einen
hoͤhern Preis fuͤr das Getreide bezahlen zu koͤnnen, und
die Konſumtion ſelbſt ſich gleich bleibt, da iſt die Wir-
kung der Auflagen ganz anders.
Wenn z. B. in dem iſolirten Staate die entfernten
Gegenden in Folge der Abgabe aufhoͤren, Korn nach der
Stadt zu liefern, ſo entſteht hieraus augenblicklich Man-
gel in der Stadt; der Mangel erzeugt hoͤhere Preiſe, der
hoͤhere Preis macht es den entfernten Gegenden wieder
moͤglich, Korn fuͤr die Stadt zu bauen, und ſo iſt das
Gleichgewicht wieder hergeſtellt. Da nun der Bedarf
der Stadt nicht anders befriedigt werden kann, als wenn
der Kornbau ſich bis auf 31, 5 Meilen von der Stadt
ausdehnt: ſo muß der Preis des Korns auch ſo hoch ſtei-
gen, daß dem entfernteſten Gut nicht bloß die Pro-
duktions- und Transportkoſten des Getreides, ſondern auch
die neu hinzugekommene Auflage erſetzt wird.
In dieſem Fall muß alſo der Konſument des Korns
die ganze auf den Ackerbau gelegte Abgabe bezahlen.
Nach den Lehren des phyſiokratiſchen Syſtems fallen
alle auf die Gewerbe gelegten Abgaben doch zuletzt auf
den Landbau zuruͤck. Wenn ein Handwerker z. B. eine
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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/277>, abgerufen am 03.03.2025.
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