und so lange dieser nicht erreicht ist, so lange ist auch die höhere Nutzung der feinen Schafzucht im Verhältniß zur Rindviehzucht nicht als Landrente, sondern als Zins des in der feinen Heerde steckenden Kapitals, und als Beloh- nung der Industrie des Schafzüchters zu betrachten.
Die Einführung der feinen Schafe in Deutschland und die almälige Verdrängung der Schafe mit grober Wolle ist von manchen interessanten Erscheinungen begleitet gewesen.
Die gröbern Schafe gaben noch vor 30 Jahren so geringen Ertrag, daß der Boden durch solche Schäfereien benutzt gar keine Landrente abwarf. Die feinsten Heer- den geben dagegen einen so hohen Reinertrag, daß selbst der Kornbau oft minder einträglich ist als die Schafzucht, und diese ist dadurch für den gegenwärtigen Moment die Angel um welche sich die ganze Wirthschaftseinrichtung dreht. Um über die Zweckmäßigkeit einer Wirthschaft ein Urtheil fällen zu können, muß man jetzt zuerst die Schä- ferei besehen: denn die Güte der Heerde entscheidet dar- über welchen Aufwand man zur Gewinnung des Futters machen darf. Ist die Heerde von der ersten Qualität, so bezahlt sich selbst die Körnerfütterung reichlich, viel mehr also noch die Kartoffeln- und Kleefütterung; und ein Gut welches sonst durch seinen Bodenreichthum und durch seine Lage bei einer konsequenten Bewirthschaftung auf Koppelwirthschaft verwiesen wäre, kann dann mit Vortheil zur Fruchtwechselwirthschaft übergehen.
Die große Einträglichkeit der feinen Schafzucht hat im östlichen Deutschland fast bei allen Landwirthen das Streben sich feine Heerden zu verschaffen, hervorgebracht. Da nun die Schafe sich ziemlich schnell vermehren, und da außerdem noch beträchtliche Heerden von Merinos aus Spanien und Frankreich eingeführt sind, die ächten Schafe selbst sich also beträchtlich vermehrt haben; und andern- seits fast alle Schäfereien durch Zulassung von Merino-
und ſo lange dieſer nicht erreicht iſt, ſo lange iſt auch die hoͤhere Nutzung der feinen Schafzucht im Verhaͤltniß zur Rindviehzucht nicht als Landrente, ſondern als Zins des in der feinen Heerde ſteckenden Kapitals, und als Beloh- nung der Induſtrie des Schafzuͤchters zu betrachten.
Die Einfuͤhrung der feinen Schafe in Deutſchland und die almaͤlige Verdraͤngung der Schafe mit grober Wolle iſt von manchen intereſſanten Erſcheinungen begleitet geweſen.
Die groͤbern Schafe gaben noch vor 30 Jahren ſo geringen Ertrag, daß der Boden durch ſolche Schaͤfereien benutzt gar keine Landrente abwarf. Die feinſten Heer- den geben dagegen einen ſo hohen Reinertrag, daß ſelbſt der Kornbau oft minder eintraͤglich iſt als die Schafzucht, und dieſe iſt dadurch fuͤr den gegenwaͤrtigen Moment die Angel um welche ſich die ganze Wirthſchaftseinrichtung dreht. Um uͤber die Zweckmaͤßigkeit einer Wirthſchaft ein Urtheil faͤllen zu koͤnnen, muß man jetzt zuerſt die Schaͤ- ferei beſehen: denn die Guͤte der Heerde entſcheidet dar- uͤber welchen Aufwand man zur Gewinnung des Futters machen darf. Iſt die Heerde von der erſten Qualitaͤt, ſo bezahlt ſich ſelbſt die Koͤrnerfuͤtterung reichlich, viel mehr alſo noch die Kartoffeln- und Kleefuͤtterung; und ein Gut welches ſonſt durch ſeinen Bodenreichthum und durch ſeine Lage bei einer konſequenten Bewirthſchaftung auf Koppelwirthſchaft verwieſen waͤre, kann dann mit Vortheil zur Fruchtwechſelwirthſchaft uͤbergehen.
Die große Eintraͤglichkeit der feinen Schafzucht hat im oͤſtlichen Deutſchland faſt bei allen Landwirthen das Streben ſich feine Heerden zu verſchaffen, hervorgebracht. Da nun die Schafe ſich ziemlich ſchnell vermehren, und da außerdem noch betraͤchtliche Heerden von Merinos aus Spanien und Frankreich eingefuͤhrt ſind, die aͤchten Schafe ſelbſt ſich alſo betraͤchtlich vermehrt haben; und andern- ſeits faſt alle Schaͤfereien durch Zulaſſung von Merino-
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und ſo lange dieſer nicht erreicht iſt, ſo lange iſt auch die
hoͤhere Nutzung der feinen Schafzucht im Verhaͤltniß zur
Rindviehzucht nicht als Landrente, ſondern als Zins des
in der feinen Heerde ſteckenden Kapitals, und als Beloh-
nung der Induſtrie des Schafzuͤchters zu betrachten.
Die Einfuͤhrung der feinen Schafe in Deutſchland und
die almaͤlige Verdraͤngung der Schafe mit grober Wolle iſt
von manchen intereſſanten Erſcheinungen begleitet geweſen.
Die groͤbern Schafe gaben noch vor 30 Jahren ſo
geringen Ertrag, daß der Boden durch ſolche Schaͤfereien
benutzt gar keine Landrente abwarf. Die feinſten Heer-
den geben dagegen einen ſo hohen Reinertrag, daß ſelbſt
der Kornbau oft minder eintraͤglich iſt als die Schafzucht,
und dieſe iſt dadurch fuͤr den gegenwaͤrtigen Moment die
Angel um welche ſich die ganze Wirthſchaftseinrichtung
dreht. Um uͤber die Zweckmaͤßigkeit einer Wirthſchaft ein
Urtheil faͤllen zu koͤnnen, muß man jetzt zuerſt die Schaͤ-
ferei beſehen: denn die Guͤte der Heerde entſcheidet dar-
uͤber welchen Aufwand man zur Gewinnung des Futters
machen darf. Iſt die Heerde von der erſten Qualitaͤt, ſo
bezahlt ſich ſelbſt die Koͤrnerfuͤtterung reichlich, viel mehr
alſo noch die Kartoffeln- und Kleefuͤtterung; und ein
Gut welches ſonſt durch ſeinen Bodenreichthum und durch
ſeine Lage bei einer konſequenten Bewirthſchaftung auf
Koppelwirthſchaft verwieſen waͤre, kann dann mit Vortheil
zur Fruchtwechſelwirthſchaft uͤbergehen.
Die große Eintraͤglichkeit der feinen Schafzucht hat
im oͤſtlichen Deutſchland faſt bei allen Landwirthen das
Streben ſich feine Heerden zu verſchaffen, hervorgebracht.
Da nun die Schafe ſich ziemlich ſchnell vermehren, und
da außerdem noch betraͤchtliche Heerden von Merinos aus
Spanien und Frankreich eingefuͤhrt ſind, die aͤchten Schafe
ſelbſt ſich alſo betraͤchtlich vermehrt haben; und andern-
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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/233>, abgerufen am 07.07.2024.
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