mit jüngern Bäumen aber bedeutend stärker ist, so muß auch der Zuwachs im Durchschnitt, d. i. für alle Kaveln zusammen, größer als 1/20 seyn.
Ist es also einerseits völlig entschieden, daß die Na- tur der Bäume einen noch stärkern relativen Zuwachs als 1/20 möglich macht, und ist andererseits die Erfahrung, daß in manchen Wäldern der Zuwachs nur 1/40 beträgt, unbestreitbar: so folgt hieraus, daß die Bewirthschaftung solcher Waldungen höchst unrichtig und fehlerhaft seyn müsse.
In Waldungen, wo 100 und 200jährige Bäume mit Bäumen von 10 und 20jährigem Alter zusammen- stehen und untermischt sind, in welchen Bäume vorhan- den sind, die überhaupt nicht mehr wachsen, die aber ei- nen großen Raum einnehmen und das junge Holz unter- drücken, wo folglich der absolute Zuwachs selbst sehr ge- ringe ist, und dieser mit einem sehr großen Holzbestand verglichen werden muß; da kann auch leicht der relative Zuwachs bis zu 1/40 und noch tiefer herabsinken.
Eine solche Forstkultur oder vielmehr Unkultur kann nur da gerechtfertigt werden, wo das Holz nicht abzuse- tzen ist, und der Boden selbst einen so geringen Werth hat, daß die Kosten des Ausrodens der Baumstämme und der Verwandlung des Forstgrundes in Ackerland nicht be- zahlt werden.
In den frühern Jahrhunderten mochte dies für einen großen Theil Deutschlands der Fall seyn. Die Verhält- nisse haben sich seitdem sehr geändert; aber diese Aende- rung der Verhältnisse hat nicht überall eine Aenderung in der Behandlung der Forsten hervorgebracht, und wir fin- den auch in unsern Tagen noch viele Waldungen, die auf die herkömmliche aber jetzt höchst unkonsequente Weise behandelt werden.
Aber auch da, wo die richtige Einsicht schon vorwal-
mit juͤngern Baͤumen aber bedeutend ſtaͤrker iſt, ſo muß auch der Zuwachs im Durchſchnitt, d. i. fuͤr alle Kaveln zuſammen, groͤßer als 1/20 ſeyn.
Iſt es alſo einerſeits voͤllig entſchieden, daß die Na- tur der Baͤume einen noch ſtaͤrkern relativen Zuwachs als 1/20 moͤglich macht, und iſt andererſeits die Erfahrung, daß in manchen Waͤldern der Zuwachs nur 1/40 betraͤgt, unbeſtreitbar: ſo folgt hieraus, daß die Bewirthſchaftung ſolcher Waldungen hoͤchſt unrichtig und fehlerhaft ſeyn muͤſſe.
In Waldungen, wo 100 und 200jaͤhrige Baͤume mit Baͤumen von 10 und 20jaͤhrigem Alter zuſammen- ſtehen und untermiſcht ſind, in welchen Baͤume vorhan- den ſind, die uͤberhaupt nicht mehr wachſen, die aber ei- nen großen Raum einnehmen und das junge Holz unter- druͤcken, wo folglich der abſolute Zuwachs ſelbſt ſehr ge- ringe iſt, und dieſer mit einem ſehr großen Holzbeſtand verglichen werden muß; da kann auch leicht der relative Zuwachs bis zu 1/40 und noch tiefer herabſinken.
Eine ſolche Forſtkultur oder vielmehr Unkultur kann nur da gerechtfertigt werden, wo das Holz nicht abzuſe- tzen iſt, und der Boden ſelbſt einen ſo geringen Werth hat, daß die Koſten des Ausrodens der Baumſtaͤmme und der Verwandlung des Forſtgrundes in Ackerland nicht be- zahlt werden.
In den fruͤhern Jahrhunderten mochte dies fuͤr einen großen Theil Deutſchlands der Fall ſeyn. Die Verhaͤlt- niſſe haben ſich ſeitdem ſehr geaͤndert; aber dieſe Aende- rung der Verhaͤltniſſe hat nicht uͤberall eine Aenderung in der Behandlung der Forſten hervorgebracht, und wir fin- den auch in unſern Tagen noch viele Waldungen, die auf die herkoͤmmliche aber jetzt hoͤchſt unkonſequente Weiſe behandelt werden.
Aber auch da, wo die richtige Einſicht ſchon vorwal-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0162"n="148"/>
mit juͤngern Baͤumen aber bedeutend ſtaͤrker iſt, ſo muß<lb/>
auch der Zuwachs im Durchſchnitt, d. i. fuͤr alle Kaveln<lb/>
zuſammen, groͤßer als 1/20 ſeyn.</p><lb/><p>Iſt es alſo einerſeits voͤllig entſchieden, daß die Na-<lb/>
tur der Baͤume einen noch ſtaͤrkern relativen Zuwachs<lb/>
als 1/20 moͤglich macht, und iſt andererſeits die Erfahrung,<lb/>
daß in manchen Waͤldern der Zuwachs nur 1/40 betraͤgt,<lb/>
unbeſtreitbar: ſo folgt hieraus, daß die Bewirthſchaftung<lb/>ſolcher Waldungen hoͤchſt unrichtig und fehlerhaft ſeyn<lb/>
muͤſſe.</p><lb/><p>In Waldungen, wo 100 und 200jaͤhrige Baͤume<lb/>
mit Baͤumen von 10 und 20jaͤhrigem Alter zuſammen-<lb/>ſtehen und untermiſcht ſind, in welchen Baͤume vorhan-<lb/>
den ſind, die uͤberhaupt nicht mehr wachſen, die aber ei-<lb/>
nen großen Raum einnehmen und das junge Holz unter-<lb/>
druͤcken, wo folglich der abſolute Zuwachs ſelbſt ſehr ge-<lb/>
ringe iſt, und dieſer mit einem ſehr großen Holzbeſtand<lb/>
verglichen werden muß; da kann auch leicht der relative<lb/>
Zuwachs bis zu 1/40 und noch tiefer herabſinken.</p><lb/><p>Eine ſolche Forſtkultur oder vielmehr Unkultur kann<lb/>
nur da gerechtfertigt werden, wo das Holz nicht abzuſe-<lb/>
tzen iſt, und der Boden ſelbſt einen ſo geringen Werth<lb/>
hat, daß die Koſten des Ausrodens der Baumſtaͤmme und<lb/>
der Verwandlung des Forſtgrundes in Ackerland nicht be-<lb/>
zahlt werden.</p><lb/><p>In den fruͤhern Jahrhunderten mochte dies fuͤr einen<lb/>
großen Theil Deutſchlands der Fall ſeyn. Die Verhaͤlt-<lb/>
niſſe haben ſich ſeitdem ſehr geaͤndert; aber dieſe Aende-<lb/>
rung der Verhaͤltniſſe hat nicht uͤberall eine Aenderung in<lb/>
der Behandlung der Forſten hervorgebracht, und wir fin-<lb/>
den auch in unſern Tagen noch viele Waldungen, die auf<lb/>
die herkoͤmmliche aber <hirendition="#g">jetzt</hi> hoͤchſt unkonſequente Weiſe<lb/>
behandelt werden.</p><lb/><p>Aber auch da, wo die richtige Einſicht ſchon vorwal-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[148/0162]
mit juͤngern Baͤumen aber bedeutend ſtaͤrker iſt, ſo muß
auch der Zuwachs im Durchſchnitt, d. i. fuͤr alle Kaveln
zuſammen, groͤßer als 1/20 ſeyn.
Iſt es alſo einerſeits voͤllig entſchieden, daß die Na-
tur der Baͤume einen noch ſtaͤrkern relativen Zuwachs
als 1/20 moͤglich macht, und iſt andererſeits die Erfahrung,
daß in manchen Waͤldern der Zuwachs nur 1/40 betraͤgt,
unbeſtreitbar: ſo folgt hieraus, daß die Bewirthſchaftung
ſolcher Waldungen hoͤchſt unrichtig und fehlerhaft ſeyn
muͤſſe.
In Waldungen, wo 100 und 200jaͤhrige Baͤume
mit Baͤumen von 10 und 20jaͤhrigem Alter zuſammen-
ſtehen und untermiſcht ſind, in welchen Baͤume vorhan-
den ſind, die uͤberhaupt nicht mehr wachſen, die aber ei-
nen großen Raum einnehmen und das junge Holz unter-
druͤcken, wo folglich der abſolute Zuwachs ſelbſt ſehr ge-
ringe iſt, und dieſer mit einem ſehr großen Holzbeſtand
verglichen werden muß; da kann auch leicht der relative
Zuwachs bis zu 1/40 und noch tiefer herabſinken.
Eine ſolche Forſtkultur oder vielmehr Unkultur kann
nur da gerechtfertigt werden, wo das Holz nicht abzuſe-
tzen iſt, und der Boden ſelbſt einen ſo geringen Werth
hat, daß die Koſten des Ausrodens der Baumſtaͤmme und
der Verwandlung des Forſtgrundes in Ackerland nicht be-
zahlt werden.
In den fruͤhern Jahrhunderten mochte dies fuͤr einen
großen Theil Deutſchlands der Fall ſeyn. Die Verhaͤlt-
niſſe haben ſich ſeitdem ſehr geaͤndert; aber dieſe Aende-
rung der Verhaͤltniſſe hat nicht uͤberall eine Aenderung in
der Behandlung der Forſten hervorgebracht, und wir fin-
den auch in unſern Tagen noch viele Waldungen, die auf
die herkoͤmmliche aber jetzt hoͤchſt unkonſequente Weiſe
behandelt werden.
Aber auch da, wo die richtige Einſicht ſchon vorwal-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/162>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.