Erster Abschnitt. Gestaltung des isolirten Staats.
§. 1. Voraussetzungen.
Man denke sich eine sehr große Stadt in der Mitte ei- ner fruchtbaren Ebene gelegen, die von keinem schiffbaren Flusse oder Kanal durchströmt wird. Die Ebene selbst bestehe aus einem durchaus gleichförmigen Boden, der überall der Kultur fähig ist. In großer Entfernung von der Stadt endige sich die Ebene in eine unkultivirte Wild- niß, wodurch dieser Staat von der übrigen Welt gänz- lich getrennt wird.
Die Ebene enthalte weiter keine Städte, als die eine große Stadt, und diese muß also alle Produkte des Kunst- fleißes für das Land liefern, so wie die Stadt einzig von der sie umgebenden Landfläche mit Lebensmitteln versorgt werden kann.
Die Bergwerke und Salinen, welche das Bedürfniß an Metallen und Salz für den ganzen Staat liefern, den- ken wir uns in der Nähe dieser Zentralstadt -- die wir, weil sie die einzige ist, künftig schlechthin die Stadt nen- nen werden -- gelegen.
§. 2. Aufgabe.
Es entsteht nun die Frage: wie wird sich unter die- sen Verhältnissen der Ackerbau gestalten, und wie wird
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Erſter Abſchnitt. Geſtaltung des iſolirten Staats.
§. 1. Vorausſetzungen.
Man denke ſich eine ſehr große Stadt in der Mitte ei- ner fruchtbaren Ebene gelegen, die von keinem ſchiffbaren Fluſſe oder Kanal durchſtroͤmt wird. Die Ebene ſelbſt beſtehe aus einem durchaus gleichfoͤrmigen Boden, der uͤberall der Kultur faͤhig iſt. In großer Entfernung von der Stadt endige ſich die Ebene in eine unkultivirte Wild- niß, wodurch dieſer Staat von der uͤbrigen Welt gaͤnz- lich getrennt wird.
Die Ebene enthalte weiter keine Staͤdte, als die eine große Stadt, und dieſe muß alſo alle Produkte des Kunſt- fleißes fuͤr das Land liefern, ſo wie die Stadt einzig von der ſie umgebenden Landflaͤche mit Lebensmitteln verſorgt werden kann.
Die Bergwerke und Salinen, welche das Beduͤrfniß an Metallen und Salz fuͤr den ganzen Staat liefern, den- ken wir uns in der Naͤhe dieſer Zentralſtadt — die wir, weil ſie die einzige iſt, kuͤnftig ſchlechthin die Stadt nen- nen werden — gelegen.
§. 2. Aufgabe.
Es entſteht nun die Frage: wie wird ſich unter die- ſen Verhaͤltniſſen der Ackerbau geſtalten, und wie wird
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[[1]/0015]
Erſter Abſchnitt.
Geſtaltung des iſolirten Staats.
§. 1.
Vorausſetzungen.
Man denke ſich eine ſehr große Stadt in der Mitte ei-
ner fruchtbaren Ebene gelegen, die von keinem ſchiffbaren
Fluſſe oder Kanal durchſtroͤmt wird. Die Ebene ſelbſt beſtehe
aus einem durchaus gleichfoͤrmigen Boden, der uͤberall
der Kultur faͤhig iſt. In großer Entfernung von der
Stadt endige ſich die Ebene in eine unkultivirte Wild-
niß, wodurch dieſer Staat von der uͤbrigen Welt gaͤnz-
lich getrennt wird.
Die Ebene enthalte weiter keine Staͤdte, als die eine
große Stadt, und dieſe muß alſo alle Produkte des Kunſt-
fleißes fuͤr das Land liefern, ſo wie die Stadt einzig von
der ſie umgebenden Landflaͤche mit Lebensmitteln verſorgt
werden kann.
Die Bergwerke und Salinen, welche das Beduͤrfniß
an Metallen und Salz fuͤr den ganzen Staat liefern, den-
ken wir uns in der Naͤhe dieſer Zentralſtadt — die wir,
weil ſie die einzige iſt, kuͤnftig ſchlechthin die Stadt nen-
nen werden — gelegen.
§. 2.
Aufgabe.
Es entſteht nun die Frage: wie wird ſich unter die-
ſen Verhaͤltniſſen der Ackerbau geſtalten, und wie wird
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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/15>, abgerufen am 03.03.2025.
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