Die gleichmäßig reichliche Unterhaltung des Viehes während des ganzen Jahres ist von der größten Wichtig- keit. Bei der Sommerstallfütterung ist diese Gleichmä- ßigkeit, wenn nur Grünfutter in hinreichender Menge vor- handen ist, leicht zu erreichen. Bei der Weidewirthschaft ist dies aber mit größern Schwierigkeiten verbunden: denn in den Monaten Mai und Juni ist der Wachsthum des Grases so lebhaft, daß das Vieh nicht alles verzehren kann, sondern einen Theil desselben in Halme schießen läßt, während in den Monaten Juli und August der Gras- wuchs nachläßt, und das Vieh nun in der Regel Mangel leidet, wenn es auf die Dreeschweiden allein an- gewiesen ist.
Um diesem Uebel abzuhelfen, müßte man in den Mo- naten Juli und August von Zeit zu Zeit frische Weide auf einmal gemähten Wiesen und auf der Kleestoppel ein- räumen können; oder man müßte zur Aushülfe einiges Grünfutter nach der Weide fahren.
Ist nun auf diese Weise die Gleichmäßigkeit in der Ernährung des Viehes gesichert, und erhalten die Weide- kühe dasselbe Winterfutter was die Stallkühe bekommen: so ist nun weiter kein Grund abzusehen, warum die Wei- dekühe von einer gleichen Quantität Futter nicht auch eben so viele Milch und Butter produziren sollten, als die Stallkühe.
Ich habe deshalb auch in §. 16., wo von der Stall- fütterung die Rede ist, keine höhere Nutzung des Futters durch Stallkühe als durch Weidekühe angenommen, son- dern der Stallfütterung nur die wesentlichen, von ihr unzertrennlichen Vorzüge und Nachtheile zu Gut und zur Last geschrieben.
Ob nun aber der im Stall gewonnene Mist einen höhern oder geringern Werth hat, als der auf die Weide gefallene, dem auch die Wohlthat des Viehlagers beige-
Die gleichmaͤßig reichliche Unterhaltung des Viehes waͤhrend des ganzen Jahres iſt von der groͤßten Wichtig- keit. Bei der Sommerſtallfuͤtterung iſt dieſe Gleichmaͤ- ßigkeit, wenn nur Gruͤnfutter in hinreichender Menge vor- handen iſt, leicht zu erreichen. Bei der Weidewirthſchaft iſt dies aber mit groͤßern Schwierigkeiten verbunden: denn in den Monaten Mai und Juni iſt der Wachsthum des Graſes ſo lebhaft, daß das Vieh nicht alles verzehren kann, ſondern einen Theil deſſelben in Halme ſchießen laͤßt, waͤhrend in den Monaten Juli und Auguſt der Gras- wuchs nachlaͤßt, und das Vieh nun in der Regel Mangel leidet, wenn es auf die Dreeſchweiden allein an- gewieſen iſt.
Um dieſem Uebel abzuhelfen, muͤßte man in den Mo- naten Juli und Auguſt von Zeit zu Zeit friſche Weide auf einmal gemaͤhten Wieſen und auf der Kleeſtoppel ein- raͤumen koͤnnen; oder man muͤßte zur Aushuͤlfe einiges Gruͤnfutter nach der Weide fahren.
Iſt nun auf dieſe Weiſe die Gleichmaͤßigkeit in der Ernaͤhrung des Viehes geſichert, und erhalten die Weide- kuͤhe daſſelbe Winterfutter was die Stallkuͤhe bekommen: ſo iſt nun weiter kein Grund abzuſehen, warum die Wei- dekuͤhe von einer gleichen Quantitaͤt Futter nicht auch eben ſo viele Milch und Butter produziren ſollten, als die Stallkuͤhe.
Ich habe deshalb auch in §. 16., wo von der Stall- fuͤtterung die Rede iſt, keine hoͤhere Nutzung des Futters durch Stallkuͤhe als durch Weidekuͤhe angenommen, ſon- dern der Stallfuͤtterung nur die weſentlichen, von ihr unzertrennlichen Vorzuͤge und Nachtheile zu Gut und zur Laſt geſchrieben.
Ob nun aber der im Stall gewonnene Miſt einen hoͤhern oder geringern Werth hat, als der auf die Weide gefallene, dem auch die Wohlthat des Viehlagers beige-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0133"n="119"/><p>Die gleichmaͤßig reichliche Unterhaltung des Viehes<lb/>
waͤhrend des ganzen Jahres iſt von der groͤßten Wichtig-<lb/>
keit. Bei der Sommerſtallfuͤtterung iſt dieſe Gleichmaͤ-<lb/>
ßigkeit, wenn nur Gruͤnfutter in hinreichender Menge vor-<lb/>
handen iſt, leicht zu erreichen. Bei der Weidewirthſchaft<lb/>
iſt dies aber mit groͤßern Schwierigkeiten verbunden: denn<lb/>
in den Monaten Mai und Juni iſt der Wachsthum des<lb/>
Graſes ſo lebhaft, daß das Vieh nicht alles verzehren kann,<lb/>ſondern einen Theil deſſelben in Halme ſchießen laͤßt,<lb/>
waͤhrend in den Monaten Juli und Auguſt der Gras-<lb/>
wuchs nachlaͤßt, und das Vieh nun in der Regel<lb/>
Mangel leidet, wenn es auf die Dreeſchweiden allein an-<lb/>
gewieſen iſt.</p><lb/><p>Um dieſem Uebel abzuhelfen, muͤßte man in den Mo-<lb/>
naten Juli und Auguſt von Zeit zu Zeit friſche Weide<lb/>
auf einmal gemaͤhten Wieſen und auf der Kleeſtoppel ein-<lb/>
raͤumen koͤnnen; oder man muͤßte zur Aushuͤlfe einiges<lb/>
Gruͤnfutter nach der Weide fahren.</p><lb/><p>Iſt nun auf dieſe Weiſe die Gleichmaͤßigkeit in der<lb/>
Ernaͤhrung des Viehes geſichert, und erhalten die Weide-<lb/>
kuͤhe daſſelbe Winterfutter was die Stallkuͤhe bekommen:<lb/>ſo iſt nun weiter kein Grund abzuſehen, warum die Wei-<lb/>
dekuͤhe von einer gleichen Quantitaͤt Futter nicht auch<lb/>
eben ſo viele Milch und Butter produziren ſollten, als die<lb/>
Stallkuͤhe.</p><lb/><p>Ich habe deshalb auch in §. 16., wo von der Stall-<lb/>
fuͤtterung die Rede iſt, keine hoͤhere Nutzung des Futters<lb/>
durch Stallkuͤhe als durch Weidekuͤhe angenommen, ſon-<lb/>
dern der Stallfuͤtterung nur die weſentlichen, von ihr<lb/>
unzertrennlichen Vorzuͤge und Nachtheile zu Gut und zur<lb/>
Laſt geſchrieben.</p><lb/><p>Ob nun aber der im Stall gewonnene Miſt einen<lb/>
hoͤhern oder geringern Werth hat, als der auf die Weide<lb/>
gefallene, dem auch die Wohlthat des Viehlagers beige-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[119/0133]
Die gleichmaͤßig reichliche Unterhaltung des Viehes
waͤhrend des ganzen Jahres iſt von der groͤßten Wichtig-
keit. Bei der Sommerſtallfuͤtterung iſt dieſe Gleichmaͤ-
ßigkeit, wenn nur Gruͤnfutter in hinreichender Menge vor-
handen iſt, leicht zu erreichen. Bei der Weidewirthſchaft
iſt dies aber mit groͤßern Schwierigkeiten verbunden: denn
in den Monaten Mai und Juni iſt der Wachsthum des
Graſes ſo lebhaft, daß das Vieh nicht alles verzehren kann,
ſondern einen Theil deſſelben in Halme ſchießen laͤßt,
waͤhrend in den Monaten Juli und Auguſt der Gras-
wuchs nachlaͤßt, und das Vieh nun in der Regel
Mangel leidet, wenn es auf die Dreeſchweiden allein an-
gewieſen iſt.
Um dieſem Uebel abzuhelfen, muͤßte man in den Mo-
naten Juli und Auguſt von Zeit zu Zeit friſche Weide
auf einmal gemaͤhten Wieſen und auf der Kleeſtoppel ein-
raͤumen koͤnnen; oder man muͤßte zur Aushuͤlfe einiges
Gruͤnfutter nach der Weide fahren.
Iſt nun auf dieſe Weiſe die Gleichmaͤßigkeit in der
Ernaͤhrung des Viehes geſichert, und erhalten die Weide-
kuͤhe daſſelbe Winterfutter was die Stallkuͤhe bekommen:
ſo iſt nun weiter kein Grund abzuſehen, warum die Wei-
dekuͤhe von einer gleichen Quantitaͤt Futter nicht auch
eben ſo viele Milch und Butter produziren ſollten, als die
Stallkuͤhe.
Ich habe deshalb auch in §. 16., wo von der Stall-
fuͤtterung die Rede iſt, keine hoͤhere Nutzung des Futters
durch Stallkuͤhe als durch Weidekuͤhe angenommen, ſon-
dern der Stallfuͤtterung nur die weſentlichen, von ihr
unzertrennlichen Vorzuͤge und Nachtheile zu Gut und zur
Laſt geſchrieben.
Ob nun aber der im Stall gewonnene Miſt einen
hoͤhern oder geringern Werth hat, als der auf die Weide
gefallene, dem auch die Wohlthat des Viehlagers beige-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/133>, abgerufen am 07.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.