Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

mer, küßte sie hundertmal, und benetzte sie mit
Thränen der Freude, die über seinen stachlich-
ten Bart herunter rollten, wie ein plötzlicher
Sonnenregen über die glänzenden Stoppeln
der Felder. Wie rechtmäßig war diese Freu-
de; denn nach diesem Orakelspruche endigte
sich alle sein Leiden. Halb war nun schon
die Bedingung des Hofmarschalls erfüllt, und
für die andere Hälfte wird die schöne Clarisse
schon sorgen. Mit einem segnenden Compli-
mente verließ er die Stube des Grafen. An
der Treppe lauerte die verschmitzte Sibylle
auf ihn, und erforschte den Ausgang der
Sache. Mit zwey kurzen Worten entdeckt'
er ihr die gnädige Erlaubniß seines Patrons;
und indem er sich in die Chaise warf, flog
die erfreute Zofe zu ihrer Gebieterinn. Nun
beschäftigte die Wahl eines reizenden Putzes
den ganzen Vormittag beyde weibliche Her-
zen, und alles lag schon in der schönsten Ord-
nung, ehe der langsame Alte seiner Tochter

die

mer, kuͤßte ſie hundertmal, und benetzte ſie mit
Thraͤnen der Freude, die uͤber ſeinen ſtachlich-
ten Bart herunter rollten, wie ein ploͤtzlicher
Sonnenregen uͤber die glaͤnzenden Stoppeln
der Felder. Wie rechtmaͤßig war dieſe Freu-
de; denn nach dieſem Orakelſpruche endigte
ſich alle ſein Leiden. Halb war nun ſchon
die Bedingung des Hofmarſchalls erfuͤllt, und
fuͤr die andere Haͤlfte wird die ſchoͤne Clariſſe
ſchon ſorgen. Mit einem ſegnenden Compli-
mente verließ er die Stube des Grafen. An
der Treppe lauerte die verſchmitzte Sibylle
auf ihn, und erforſchte den Ausgang der
Sache. Mit zwey kurzen Worten entdeckt’
er ihr die gnaͤdige Erlaubniß ſeines Patrons;
und indem er ſich in die Chaiſe warf, flog
die erfreute Zofe zu ihrer Gebieterinn. Nun
beſchaͤftigte die Wahl eines reizenden Putzes
den ganzen Vormittag beyde weibliche Her-
zen, und alles lag ſchon in der ſchoͤnſten Ord-
nung, ehe der langſame Alte ſeiner Tochter

die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0066" n="62"/>
mer, ku&#x0364;ßte &#x017F;ie hundertmal, und benetzte &#x017F;ie mit<lb/>
Thra&#x0364;nen der Freude, die u&#x0364;ber &#x017F;einen &#x017F;tachlich-<lb/>
ten Bart herunter rollten, wie ein plo&#x0364;tzlicher<lb/>
Sonnenregen u&#x0364;ber die gla&#x0364;nzenden Stoppeln<lb/>
der Felder. Wie rechtma&#x0364;ßig war die&#x017F;e Freu-<lb/>
de; denn nach die&#x017F;em Orakel&#x017F;pruche endigte<lb/>
&#x017F;ich alle &#x017F;ein Leiden. Halb war nun &#x017F;chon<lb/>
die Bedingung des Hofmar&#x017F;challs erfu&#x0364;llt, und<lb/>
fu&#x0364;r die andere Ha&#x0364;lfte wird die &#x017F;cho&#x0364;ne Clari&#x017F;&#x017F;e<lb/>
&#x017F;chon &#x017F;orgen. Mit einem &#x017F;egnenden Compli-<lb/>
mente verließ er die Stube des Grafen. An<lb/>
der Treppe lauerte die ver&#x017F;chmitzte Sibylle<lb/>
auf ihn, und erfor&#x017F;chte den Ausgang der<lb/>
Sache. Mit zwey kurzen Worten entdeckt&#x2019;<lb/>
er ihr die gna&#x0364;dige Erlaubniß &#x017F;eines Patrons;<lb/>
und indem er &#x017F;ich in die Chai&#x017F;e warf, flog<lb/>
die erfreute Zofe zu ihrer Gebieterinn. Nun<lb/>
be&#x017F;cha&#x0364;ftigte die Wahl eines reizenden Putzes<lb/>
den ganzen Vormittag beyde weibliche Her-<lb/>
zen, und alles lag &#x017F;chon in der &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Ord-<lb/>
nung, ehe der lang&#x017F;ame Alte &#x017F;einer Tochter<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0066] mer, kuͤßte ſie hundertmal, und benetzte ſie mit Thraͤnen der Freude, die uͤber ſeinen ſtachlich- ten Bart herunter rollten, wie ein ploͤtzlicher Sonnenregen uͤber die glaͤnzenden Stoppeln der Felder. Wie rechtmaͤßig war dieſe Freu- de; denn nach dieſem Orakelſpruche endigte ſich alle ſein Leiden. Halb war nun ſchon die Bedingung des Hofmarſchalls erfuͤllt, und fuͤr die andere Haͤlfte wird die ſchoͤne Clariſſe ſchon ſorgen. Mit einem ſegnenden Compli- mente verließ er die Stube des Grafen. An der Treppe lauerte die verſchmitzte Sibylle auf ihn, und erforſchte den Ausgang der Sache. Mit zwey kurzen Worten entdeckt’ er ihr die gnaͤdige Erlaubniß ſeines Patrons; und indem er ſich in die Chaiſe warf, flog die erfreute Zofe zu ihrer Gebieterinn. Nun beſchaͤftigte die Wahl eines reizenden Putzes den ganzen Vormittag beyde weibliche Her- zen, und alles lag ſchon in der ſchoͤnſten Ord- nung, ehe der langſame Alte ſeiner Tochter die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/66
Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/66>, abgerufen am 28.11.2024.