kannten begrüßt reichte sie, nicht mehr als eine Nymphe des Dorfs, ihrem unerkann- ten Liebhaber die Hand mit kostbaren Ringen gezieret, und sagte höflich zu ihm: Wie geht es, werther Herr Pastor? Darauf umarmte sie ihren alten weinenden Vater, der vor der Hofstimme seiner Tochter er- schrack und nicht wuste, ob er mit seiner bäu- rischen Sprache ihre Ohren beleidigen dürf- te. Noch scheuer und in einem unaufhörli- chen Bücklinge stund ihr Liebhaber vor ihr, und hustete immer und sprach nichts. Lange getraute er sich auch nicht, sie anzublicken; denn ihr hüpfender Busen, von keinem länd- lichen Halstuche bedeckt, war ein zu unge- wöhnlicher Anblick für ihn, und setzte seine Nerven in ein fleberhaftes Erzittern. Mit zufriednem Mirleiden beobachtete Wilhelmi- ne den Einfluß ihrer Person, und riß end- lich Vater und Liebhaber aus ihrer Betäu- bung. Jhre harmonische Stimme bildete
man-
kannten begruͤßt reichte ſie, nicht mehr als eine Nymphe des Dorfs, ihrem unerkann- ten Liebhaber die Hand mit koſtbaren Ringen gezieret, und ſagte hoͤflich zu ihm: Wie geht es, werther Herr Paſtor? Darauf umarmte ſie ihren alten weinenden Vater, der vor der Hofſtimme ſeiner Tochter er- ſchrack und nicht wuſte, ob er mit ſeiner baͤu- riſchen Sprache ihre Ohren beleidigen duͤrf- te. Noch ſcheuer und in einem unaufhoͤrli- chen Buͤcklinge ſtund ihr Liebhaber vor ihr, und huſtete immer und ſprach nichts. Lange getraute er ſich auch nicht, ſie anzublicken; denn ihr huͤpfender Buſen, von keinem laͤnd- lichen Halstuche bedeckt, war ein zu unge- woͤhnlicher Anblick fuͤr ihn, und ſetzte ſeine Nerven in ein fleberhaftes Erzittern. Mit zufriednem Mirleiden beobachtete Wilhelmi- ne den Einfluß ihrer Perſon, und riß end- lich Vater und Liebhaber aus ihrer Betaͤu- bung. Jhre harmoniſche Stimme bildete
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kannten begruͤßt reichte ſie, nicht mehr als
eine Nymphe des Dorfs, ihrem unerkann-
ten Liebhaber die Hand mit koſtbaren Ringen
gezieret, und ſagte hoͤflich zu ihm: Wie
geht es, werther Herr Paſtor? Darauf
umarmte ſie ihren alten weinenden Vater,
der vor der Hofſtimme ſeiner Tochter er-
ſchrack und nicht wuſte, ob er mit ſeiner baͤu-
riſchen Sprache ihre Ohren beleidigen duͤrf-
te. Noch ſcheuer und in einem unaufhoͤrli-
chen Buͤcklinge ſtund ihr Liebhaber vor ihr,
und huſtete immer und ſprach nichts. Lange
getraute er ſich auch nicht, ſie anzublicken;
denn ihr huͤpfender Buſen, von keinem laͤnd-
lichen Halstuche bedeckt, war ein zu unge-
woͤhnlicher Anblick fuͤr ihn, und ſetzte ſeine
Nerven in ein fleberhaftes Erzittern. Mit
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ne den Einfluß ihrer Perſon, und riß end-
lich Vater und Liebhaber aus ihrer Betaͤu-
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[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/32>, abgerufen am 08.07.2024.
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