Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

2) Ob dann nicht eine Lutherische Printzeßin, wennWie auch der andern, aber unter vier Bedingungen. deroselben eine Heyrath mit einem Catholischen Printzen, unter der Condition, daß sie zu dessen Religion trete, angetragen würde, sich ohne Verlust ihrer Seeligkeit dazu resolviren könne, bevorab, wenn aus denen dabey sich ereignenden Umständen die Göttliche Providenz zu spühren: Auf diese Frage ist zu antworten, daß wenn eine Lutherische Printzeßin 1) die heilsame Erkänntnüß hat von denen nothwendigen Stücken des Christenthums; 2) sich völlig unterrichten lässet, daß in beyden Religionen diese nothwendige Stücke einerley seyn, die andern Lehren aber, so in der Catholischen Religion sich finden möchten, gar nicht zu denen nothwendigen Stücken des Christenthums gehören, und über das eine moderate und vernünfftige Erklärung admittiren; 3) niemahlen nichts wissentlich anzunehmen gedencket, so denen nothwendigen Stücken des Christenthums zuwider ist, und 4) dabey durch GOttes Beystand biß an ihr Ende zu bleiben sich entschliesset: So kan sie sich ohne Verlust ihrer Seeligkeit zu einer Heyrath unter obiger Condition resolviren. Denn sie gehet 1) von einer Particulair-Kirchen zu der andern, welche die nothwendige Stücke des Christenthums mit der andern gemein hat, wie solches von vielen allbereits zur Gnüge ausgeführet. 2) Hält sie JEsum Christum auch in selbiger Kirchen vor das eintzige Mittel der Seeligkeit. 3) Kan und muß sie auch, nach dieser Kirchen Vorschrifft, Christi Verdienst und Gerechtigkeit mit wahrem Glauben ergreiffen und sich appliciren. 4) Darf sie andere Lehren derselbigen Kirchen nicht glauben, als ob sie zur Seeligkeit nothwendig wären. 5) Kommt noch darzu, daß sonderliche Umstände sich ereignen, daraus die Göttliche Providenz sowohl de praesenti als auch de futuro zu spühren, allermassen dadurch der Kirchen und dem Vaterlande viel Gutes zu hoffen stünde. Weil nun bey diesen allen sich nichts findet, daß den Verlust der Seeligkeit könnte zu wegen bringen, sondern vielmehr alle Mittel zur Seeligkeit zu gelangen beybehalten werden, so bleibt es dabey, daß eine Evangelische Printzeßin zu einer solchen Heyrath sich wohl resolviren könne. Solte endlich neben der Verschonung einer öffentlichen und solennen Abschwerung, die Communion sub utraque vor eine solche Printzeßin, wie sie andern allbereit gegönnet, zu erhalten seyn, so würde dero Gemüth noch weniger auch in das künfftige anstößig und zweiffelhafftig können gemachet werden, zugeschweigen daß unsere Kirche solche Concession als etwas grosses ansehen könnte.

2) Ob dann nicht eine Lutherische Printzeßin, wennWie auch der andern, aber unter vier Bedingungen. deroselben eine Heyrath mit einem Catholischen Printzen, unter der Condition, daß sie zu dessen Religion trete, angetragen würde, sich ohne Verlust ihrer Seeligkeit dazu resolviren könne, bevorab, wenn aus denen dabey sich ereignenden Umständen die Göttliche Providenz zu spühren: Auf diese Frage ist zu antworten, daß wenn eine Lutherische Printzeßin 1) die heilsame Erkänntnüß hat von denen nothwendigen Stücken des Christenthums; 2) sich völlig unterrichten lässet, daß in beyden Religionen diese nothwendige Stücke einerley seyn, die andern Lehren aber, so in der Catholischen Religion sich finden möchten, gar nicht zu denen nothwendigen Stücken des Christenthums gehören, und über das eine moderate und vernünfftige Erklärung admittiren; 3) niemahlen nichts wissentlich anzunehmen gedencket, so denen nothwendigen Stücken des Christenthums zuwider ist, und 4) dabey durch GOttes Beystand biß an ihr Ende zu bleiben sich entschliesset: So kan sie sich ohne Verlust ihrer Seeligkeit zu einer Heyrath unter obiger Condition resolviren. Denn sie gehet 1) von einer Particulair-Kirchen zu der andern, welche die nothwendige Stücke des Christenthums mit der andern gemein hat, wie solches von vielen allbereits zur Gnüge ausgeführet. 2) Hält sie JEsum Christum auch in selbiger Kirchen vor das eintzige Mittel der Seeligkeit. 3) Kan und muß sie auch, nach dieser Kirchen Vorschrifft, Christi Verdienst und Gerechtigkeit mit wahrem Glauben ergreiffen und sich appliciren. 4) Darf sie andere Lehren derselbigen Kirchen nicht glauben, als ob sie zur Seeligkeit nothwendig wären. 5) Kommt noch darzu, daß sonderliche Umstände sich ereignen, daraus die Göttliche Providenz sowohl de praesenti als auch de futuro zu spühren, allermassen dadurch der Kirchen und dem Vaterlande viel Gutes zu hoffen stünde. Weil nun bey diesen allen sich nichts findet, daß den Verlust der Seeligkeit könnte zu wegen bringen, sondern vielmehr alle Mittel zur Seeligkeit zu gelangen beybehalten werden, so bleibt es dabey, daß eine Evangelische Printzeßin zu einer solchen Heyrath sich wohl resolviren könne. Solte endlich neben der Verschonung einer öffentlichen und solennen Abschwerung, die Communion sub utraque vor eine solche Printzeßin, wie sie andern allbereit gegönnet, zu erhalten seyn, so würde dero Gemüth noch weniger auch in das künfftige anstößig und zweiffelhafftig können gemachet werden, zugeschweigen daß unsere Kirche solche Concession als etwas grosses ansehen könnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0067" n="59"/>
        <p>2) Ob dann nicht eine Lutherische Printzeßin, wenn<note place="right">Wie auch                          der andern, aber unter vier Bedingungen.</note> deroselben eine Heyrath mit                      einem Catholischen Printzen, unter der <hi rendition="#i">Condition</hi>, daß                      sie zu dessen Religion trete, angetragen würde, sich ohne Verlust ihrer                      Seeligkeit dazu <hi rendition="#i">resolvir</hi>en könne, bevorab, wenn aus                      denen dabey sich ereignenden Umständen die Göttliche <hi rendition="#i">Providenz</hi> zu spühren: Auf diese Frage ist zu antworten, daß wenn eine                      Lutherische Printzeßin 1) die heilsame Erkänntnüß hat von denen nothwendigen                      Stücken des Christenthums; 2) sich völlig unterrichten lässet, daß in beyden                      Religionen diese nothwendige Stücke einerley seyn, die andern Lehren aber, so in                      der Catholischen Religion sich finden möchten, gar nicht zu denen nothwendigen                      Stücken des Christenthums gehören, und über das eine moderate und vernünfftige                      Erklärung admittiren; 3) niemahlen nichts wissentlich anzunehmen gedencket, so                      denen nothwendigen Stücken des Christenthums zuwider ist, und 4) dabey durch                      GOttes Beystand biß an ihr Ende zu bleiben sich entschliesset: So kan sie sich                      ohne Verlust ihrer Seeligkeit zu einer Heyrath unter obiger Condition                      resolviren. Denn sie gehet 1) von einer Particulair-Kirchen zu der andern,                      welche die nothwendige Stücke des Christenthums mit der andern gemein hat, wie                      solches von vielen allbereits zur Gnüge ausgeführet. 2) Hält sie JEsum Christum                      auch in selbiger Kirchen vor das eintzige Mittel der Seeligkeit. 3) Kan und muß                      sie auch, nach dieser Kirchen Vorschrifft, Christi Verdienst und Gerechtigkeit                      mit wahrem Glauben ergreiffen und sich appliciren. 4) Darf sie andere Lehren                      derselbigen Kirchen nicht glauben, als ob sie zur Seeligkeit nothwendig wären.                      5) Kommt noch darzu, daß sonderliche Umstände sich ereignen, daraus die                      Göttliche Providenz sowohl de praesenti als auch de futuro zu spühren,                      allermassen dadurch der Kirchen und dem Vaterlande viel Gutes zu hoffen stünde.                      Weil nun bey diesen allen sich nichts findet, daß den Verlust der Seeligkeit                      könnte zu wegen bringen, sondern vielmehr alle Mittel zur Seeligkeit zu gelangen                      beybehalten werden, so bleibt es dabey, daß eine Evangelische Printzeßin zu                      einer solchen Heyrath sich wohl resolviren könne. Solte endlich neben der                      Verschonung einer öffentlichen und solennen Abschwerung, die Communion sub                      utraque vor eine solche Printzeßin, wie sie andern allbereit gegönnet, zu                      erhalten seyn, so würde dero Gemüth noch weniger auch in das künfftige anstößig                      und zweiffelhafftig können gemachet werden, zugeschweigen daß unsere Kirche                      solche Concession als etwas grosses ansehen könnte.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0067] 2) Ob dann nicht eine Lutherische Printzeßin, wenn deroselben eine Heyrath mit einem Catholischen Printzen, unter der Condition, daß sie zu dessen Religion trete, angetragen würde, sich ohne Verlust ihrer Seeligkeit dazu resolviren könne, bevorab, wenn aus denen dabey sich ereignenden Umständen die Göttliche Providenz zu spühren: Auf diese Frage ist zu antworten, daß wenn eine Lutherische Printzeßin 1) die heilsame Erkänntnüß hat von denen nothwendigen Stücken des Christenthums; 2) sich völlig unterrichten lässet, daß in beyden Religionen diese nothwendige Stücke einerley seyn, die andern Lehren aber, so in der Catholischen Religion sich finden möchten, gar nicht zu denen nothwendigen Stücken des Christenthums gehören, und über das eine moderate und vernünfftige Erklärung admittiren; 3) niemahlen nichts wissentlich anzunehmen gedencket, so denen nothwendigen Stücken des Christenthums zuwider ist, und 4) dabey durch GOttes Beystand biß an ihr Ende zu bleiben sich entschliesset: So kan sie sich ohne Verlust ihrer Seeligkeit zu einer Heyrath unter obiger Condition resolviren. Denn sie gehet 1) von einer Particulair-Kirchen zu der andern, welche die nothwendige Stücke des Christenthums mit der andern gemein hat, wie solches von vielen allbereits zur Gnüge ausgeführet. 2) Hält sie JEsum Christum auch in selbiger Kirchen vor das eintzige Mittel der Seeligkeit. 3) Kan und muß sie auch, nach dieser Kirchen Vorschrifft, Christi Verdienst und Gerechtigkeit mit wahrem Glauben ergreiffen und sich appliciren. 4) Darf sie andere Lehren derselbigen Kirchen nicht glauben, als ob sie zur Seeligkeit nothwendig wären. 5) Kommt noch darzu, daß sonderliche Umstände sich ereignen, daraus die Göttliche Providenz sowohl de praesenti als auch de futuro zu spühren, allermassen dadurch der Kirchen und dem Vaterlande viel Gutes zu hoffen stünde. Weil nun bey diesen allen sich nichts findet, daß den Verlust der Seeligkeit könnte zu wegen bringen, sondern vielmehr alle Mittel zur Seeligkeit zu gelangen beybehalten werden, so bleibt es dabey, daß eine Evangelische Printzeßin zu einer solchen Heyrath sich wohl resolviren könne. Solte endlich neben der Verschonung einer öffentlichen und solennen Abschwerung, die Communion sub utraque vor eine solche Printzeßin, wie sie andern allbereit gegönnet, zu erhalten seyn, so würde dero Gemüth noch weniger auch in das künfftige anstößig und zweiffelhafftig können gemachet werden, zugeschweigen daß unsere Kirche solche Concession als etwas grosses ansehen könnte. Wie auch der andern, aber unter vier Bedingungen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/67
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/67>, abgerufen am 24.11.2024.