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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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Evangelische Fürsten dergleichen Behutsamkeit benöthiget sind.Unrecht geschehe; Also ist auch in denen Republiquen, sie mögen nun von einer Regiments forme seyn, wie sie wollen, gar gewöhnlich, daß nicht nur die Regenten über die Unterthanen, sondern auch diese über jene sich öffters beklagen, und daß von denen Unterthanen der Adeliche, Bürger- und Bauerstand in stets währender aemulation leben; absonderlich aber, was die Monarchische Republiquen betrifft, daß Könige, Fürsten und Herren es ihren Unterthanen selten recht machen können, und sich dannenhero wohl in acht zunehmen haben, damit sie diesen alle occasionen zu revoltiren benehmen mögen. Denn ob wohl dergleichen revoltirungen ordentlich vor Laster und Crimina laesae Majestatis (sive eminenter ita dicta, sive analoga) pflegen gehalten zu werden, und dannenhero die Furcht für harter Bestraffung die Unterthanen zu mehrern mahlen von Empörungen billich abhalten solte; so wird doch diese Furcht zum öfftern verringert, weil unterschiedene Anmerckungen dabey vorzukommen pflegen, vermöge welcher sich so dann die Unterthanen von dem imputirten Laster beleydigter Majestät zu befreyen suchen; als wenn z. E. der Staat nicht absolut Monarchisch, sondern gemischt ist, oder wenn bey Antretung des Regiments die Könige und Fürsten mit ihren Unterthanen gewisse special pacta treffen, und sie hernach von diesen beschuldiget werden, daß sie dieselben nicht gehalten, und also die Unterthanen wohl befugt wären, ihre durch solche Pacta erlangete Rechte auch mit Gewalt zu vertheydigen. Absonderlich aber pfleget bey dergleichen Wiederwärtigkeit die Religion als eine Rechtfertigung der innerlichen Unruhen gebraucht zu werden, zu mahlen da nach denen Regeln gesunder Vernunfft unstreitig ist, daß der Obrigkeit nicht zustehe, die Unterthanen vermittelst eines Gewissen-Zwangs zur Religion zu zwingen, wenn nur dieser Gewissens-Zwang vernünfftig ausgeleget, und das Wort Religion nicht gemißbraucht, und zum Deckel der Boßheit unterleget wird. Ob nun wohl dieser Mißbrauch ursprünglich aus dem Päbstischen oder Canonischen Recht herzuleiten, so ist doch auch nicht zu leugnen, daß viele reliquien dieses Mißbrauchs noch hin und wieder unter uns verblieben, und in denen Wittenbergischen und von Dedekenno gesamleten Consiliis Theologicis hier und dar welche zu finden, in welchen dieser Mißbrauch anzutreffen, und die Obrigkeiten, wenn sie ihre unstreitige jura circa sacra exerciren wollen, nicht undeutlich bedrohet werden, daß wenn sie diese ihre jura ausüben würden, alsdann die Stände dieses nicht leiden sondern als einen Gewissens-Zwang aufnehmen würden. Weßwegen es auch Serenissimo nicht zu verdencken war, daß er bey dem in vorigen casu erzehlten Handel behutsam verfuhr.

Evangelische Fürsten dergleichen Behutsamkeit benöthiget sind.Unrecht geschehe; Also ist auch in denen Republiquen, sie mögen nun von einer Regiments forme seyn, wie sie wollen, gar gewöhnlich, daß nicht nur die Regenten über die Unterthanen, sondern auch diese über jene sich öffters beklagen, und daß von denen Unterthanen der Adeliche, Bürger- und Bauerstand in stets währender aemulation leben; absonderlich aber, was die Monarchische Republiquen betrifft, daß Könige, Fürsten und Herren es ihren Unterthanen selten recht machen können, und sich dannenhero wohl in acht zunehmen haben, damit sie diesen alle occasionen zu revoltiren benehmen mögen. Denn ob wohl dergleichen revoltirungen ordentlich vor Laster und Crimina laesae Majestatis (sive eminenter ita dicta, sive analoga) pflegen gehalten zu werden, und dannenhero die Furcht für harter Bestraffung die Unterthanen zu mehrern mahlen von Empörungen billich abhalten solte; so wird doch diese Furcht zum öfftern verringert, weil unterschiedene Anmerckungen dabey vorzukommen pflegen, vermöge welcher sich so dann die Unterthanen von dem imputirten Laster beleydigter Majestät zu befreyen suchen; als wenn z. E. der Staat nicht absolut Monarchisch, sondern gemischt ist, oder wenn bey Antretung des Regiments die Könige und Fürsten mit ihren Unterthanen gewisse special pacta treffen, und sie hernach von diesen beschuldiget werden, daß sie dieselben nicht gehalten, und also die Unterthanen wohl befugt wären, ihre durch solche Pacta erlangete Rechte auch mit Gewalt zu vertheydigen. Absonderlich aber pfleget bey dergleichen Wiederwärtigkeit die Religion als eine Rechtfertigung der innerlichen Unruhen gebraucht zu werden, zu mahlen da nach denen Regeln gesunder Vernunfft unstreitig ist, daß der Obrigkeit nicht zustehe, die Unterthanen vermittelst eines Gewissen-Zwangs zur Religion zu zwingen, wenn nur dieser Gewissens-Zwang vernünfftig ausgeleget, und das Wort Religion nicht gemißbraucht, und zum Deckel der Boßheit unterleget wird. Ob nun wohl dieser Mißbrauch ursprünglich aus dem Päbstischen oder Canonischen Recht herzuleiten, so ist doch auch nicht zu leugnen, daß viele reliquien dieses Mißbrauchs noch hin und wieder unter uns verblieben, und in denen Wittenbergischen und von Dedekenno gesamleten Consiliis Theologicis hier und dar welche zu finden, in welchen dieser Mißbrauch anzutreffen, und die Obrigkeiten, wenn sie ihre unstreitige jura circa sacra exerciren wollen, nicht undeutlich bedrohet werden, daß wenn sie diese ihre jura ausüben würden, alsdann die Stände dieses nicht leiden sondern als einen Gewissens-Zwang aufnehmen würden. Weßwegen es auch Serenissimo nicht zu verdencken war, daß er bey dem in vorigen casu erzehlten Handel behutsam verfuhr.

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[210/0218] Unrecht geschehe; Also ist auch in denen Republiquen, sie mögen nun von einer Regiments forme seyn, wie sie wollen, gar gewöhnlich, daß nicht nur die Regenten über die Unterthanen, sondern auch diese über jene sich öffters beklagen, und daß von denen Unterthanen der Adeliche, Bürger- und Bauerstand in stets währender aemulation leben; absonderlich aber, was die Monarchische Republiquen betrifft, daß Könige, Fürsten und Herren es ihren Unterthanen selten recht machen können, und sich dannenhero wohl in acht zunehmen haben, damit sie diesen alle occasionen zu revoltiren benehmen mögen. Denn ob wohl dergleichen revoltirungen ordentlich vor Laster und Crimina laesae Majestatis (sive eminenter ita dicta, sive analoga) pflegen gehalten zu werden, und dannenhero die Furcht für harter Bestraffung die Unterthanen zu mehrern mahlen von Empörungen billich abhalten solte; so wird doch diese Furcht zum öfftern verringert, weil unterschiedene Anmerckungen dabey vorzukommen pflegen, vermöge welcher sich so dann die Unterthanen von dem imputirten Laster beleydigter Majestät zu befreyen suchen; als wenn z. E. der Staat nicht absolut Monarchisch, sondern gemischt ist, oder wenn bey Antretung des Regiments die Könige und Fürsten mit ihren Unterthanen gewisse special pacta treffen, und sie hernach von diesen beschuldiget werden, daß sie dieselben nicht gehalten, und also die Unterthanen wohl befugt wären, ihre durch solche Pacta erlangete Rechte auch mit Gewalt zu vertheydigen. Absonderlich aber pfleget bey dergleichen Wiederwärtigkeit die Religion als eine Rechtfertigung der innerlichen Unruhen gebraucht zu werden, zu mahlen da nach denen Regeln gesunder Vernunfft unstreitig ist, daß der Obrigkeit nicht zustehe, die Unterthanen vermittelst eines Gewissen-Zwangs zur Religion zu zwingen, wenn nur dieser Gewissens-Zwang vernünfftig ausgeleget, und das Wort Religion nicht gemißbraucht, und zum Deckel der Boßheit unterleget wird. Ob nun wohl dieser Mißbrauch ursprünglich aus dem Päbstischen oder Canonischen Recht herzuleiten, so ist doch auch nicht zu leugnen, daß viele reliquien dieses Mißbrauchs noch hin und wieder unter uns verblieben, und in denen Wittenbergischen und von Dedekenno gesamleten Consiliis Theologicis hier und dar welche zu finden, in welchen dieser Mißbrauch anzutreffen, und die Obrigkeiten, wenn sie ihre unstreitige jura circa sacra exerciren wollen, nicht undeutlich bedrohet werden, daß wenn sie diese ihre jura ausüben würden, alsdann die Stände dieses nicht leiden sondern als einen Gewissens-Zwang aufnehmen würden. Weßwegen es auch Serenissimo nicht zu verdencken war, daß er bey dem in vorigen casu erzehlten Handel behutsam verfuhr. Evangelische Fürsten dergleichen Behutsamkeit benöthiget sind.

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/218>, abgerufen am 27.11.2024.