Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

Bild:
<< vorherige Seite

auch unbeseelte Dinge, als geschriebene Bücher, in Bann. Man fieng an (p. 216. seq.) damit man nebst der so genannten geistlichen auch alle weltliche Gewalt unter desto heiligern Schein an sich ziehen möchte, den Kirchen-Bann auch in denen allerdings und unstreitig weltlichen Händeln zu brauchen. Man verwahrte die praetendirten Jura der Clerisey mit grossen Eyffer, daß ja kein weltlicher zugelassen würde (p. 218. seq.) die Straffe des Kirchen-Bannes auszuüben, sondern dieses geistliche Schwert, das das weltliche schon ziemlich stumpff gemachet hatte, allein in den Händen der Clerisey bliebe. Und daß man auch von dieser als Haupt erkennet würde, massete sich der Pabst das Souveraine recht an, in Sachen des Kirchen-Bannes nach seinen Gefallen zu verfahren, nachdem vorher in 5ten Seculo (p. 219.) sich auch nur ein schlechter Münch unterstanden hatte, Kayser Theodosium den jüngern mit erwünschten Success in Bann zu thun, mehrentheils aber das Bann-Recht hernach als das edelste Stücke jurisdictionis Ecclesiasticae betrachtet wurde. Und wenn man gleich (p. 220. seq.) aus denenselben Zeiten genungsame Leges und andere Documenta anführen kan, daß die Excommunicationes auch durch weltliche, als Kayser und Könige, geschehen sey; so pfleget man doch dergleichen Documenta dergestalt auszulegen, daß dieses alles von der weltlichen Obrigkeit bloß als Executoribus geschehen, die denen Schlüsseln der Clerisey dadurch nur hülfliche Hand geboten hätten. Man schriebe dem Kirchen-Bann, der, als obgedacht, seinen Ursprung nach nichts als eine weltliche Straffe war, immer mehr und mehr Würckungen einer weltlichen Straffe zu, dergestalt daß man ihn auch der Todes-Straffe gleich achtete. (p. 222.) Augustinus Quaest. 39. super Deuteron. Hoc nunc agit, inquit, in Ecclesia Excommunicatio, quod agebat tunc (tempore legis Mosaicae) interfectio. Dannenhero ware leicht zu behaupten, daß weil mit dem Todt alle Jura aufhören, also auch der verbannete Mensch alle seine Rechte und Gerechtigkeiten verlöhre, da denn hernach (p. 223.) die Conclusion von sich selbst folgete, daß auch die verbanneten Könige und Kayser so gut als Abgesetzete anzusehen wären. Und wurde also die praetendirte geistliche Bestraffung, die nach dem Vorgeben der Herren Geistlichen nur geistliche Würckungen nach sich ziehen solte, in der That zu einen Abgrund gemacht, der alle weltliche Rechte der Christen und alle menschliche Actiones wegfrasse, und verschlunge. Damit aber sowohl Herr als Knecht verblendet wurde (p. 225.) den hierunter steckenden augenscheinlichen Betrug nicht zu sehen, loge man ihnen viel von falschen und erdichteten Wundern vor, indem man die Leute beredere als ob der

auch unbeseelte Dinge, als geschriebene Bücher, in Bann. Man fieng an (p. 216. seq.) damit man nebst der so genannten geistlichen auch alle weltliche Gewalt unter desto heiligern Schein an sich ziehen möchte, den Kirchen-Bann auch in denen allerdings und unstreitig weltlichen Händeln zu brauchen. Man verwahrte die praetendirten Jura der Clerisey mit grossen Eyffer, daß ja kein weltlicher zugelassen würde (p. 218. seq.) die Straffe des Kirchen-Bannes auszuüben, sondern dieses geistliche Schwert, das das weltliche schon ziemlich stumpff gemachet hatte, allein in den Händen der Clerisey bliebe. Und daß man auch von dieser als Haupt erkennet würde, massete sich der Pabst das Souveraine recht an, in Sachen des Kirchen-Bannes nach seinen Gefallen zu verfahren, nachdem vorher in 5ten Seculo (p. 219.) sich auch nur ein schlechter Münch unterstanden hatte, Kayser Theodosium den jüngern mit erwünschten Success in Bann zu thun, mehrentheils aber das Bann-Recht hernach als das edelste Stücke jurisdictionis Ecclesiasticae betrachtet wurde. Und wenn man gleich (p. 220. seq.) aus denenselben Zeiten genungsame Leges und andere Documenta anführen kan, daß die Excommunicationes auch durch weltliche, als Kayser und Könige, geschehen sey; so pfleget man doch dergleichen Documenta dergestalt auszulegen, daß dieses alles von der weltlichen Obrigkeit bloß als Executoribus geschehen, die denen Schlüsseln der Clerisey dadurch nur hülfliche Hand geboten hätten. Man schriebe dem Kirchen-Bann, der, als obgedacht, seinen Ursprung nach nichts als eine weltliche Straffe war, immer mehr und mehr Würckungen einer weltlichen Straffe zu, dergestalt daß man ihn auch der Todes-Straffe gleich achtete. (p. 222.) Augustinus Quaest. 39. super Deuteron. Hoc nunc agit, inquit, in Ecclesia Excommunicatio, quod agebat tunc (tempore legis Mosaicae) interfectio. Dannenhero ware leicht zu behaupten, daß weil mit dem Todt alle Jura aufhören, also auch der verbannete Mensch alle seine Rechte und Gerechtigkeiten verlöhre, da denn hernach (p. 223.) die Conclusion von sich selbst folgete, daß auch die verbanneten Könige und Kayser so gut als Abgesetzete anzusehen wären. Und wurde also die praetendirte geistliche Bestraffung, die nach dem Vorgeben der Herren Geistlichen nur geistliche Würckungen nach sich ziehen solte, in der That zu einen Abgrund gemacht, der alle weltliche Rechte der Christen und alle menschliche Actiones wegfrasse, und verschlunge. Damit aber sowohl Herr als Knecht verblendet wurde (p. 225.) den hierunter steckenden augenscheinlichen Betrug nicht zu sehen, loge man ihnen viel von falschen und erdichteten Wundern vor, indem man die Leute beredere als ob der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0144" n="136"/>
auch unbeseelte Dinge, als geschriebene Bücher, in Bann. Man fieng an <hi rendition="#i">(p. 216. seq.)</hi> damit man nebst der so genannten                      geistlichen auch alle weltliche Gewalt unter desto heiligern Schein an sich                      ziehen möchte, den Kirchen-Bann auch in denen allerdings und unstreitig                      weltlichen Händeln zu brauchen. Man verwahrte die praetendirten Jura der                      Clerisey mit grossen Eyffer, daß ja kein weltlicher zugelassen würde <hi rendition="#i">(p. 218. seq.)</hi> die Straffe des Kirchen-Bannes auszuüben,                      sondern dieses geistliche Schwert, das das weltliche schon ziemlich stumpff                      gemachet hatte, allein in den Händen der Clerisey bliebe. Und daß man auch von                      dieser als Haupt erkennet würde, massete sich der Pabst das Souveraine recht an,                      in Sachen des Kirchen-Bannes nach seinen Gefallen zu verfahren, nachdem vorher                      in 5ten Seculo <hi rendition="#i">(p. 219.)</hi> sich auch nur ein schlechter                      Münch unterstanden hatte, Kayser Theodosium den jüngern mit erwünschten Success                      in Bann zu thun, mehrentheils aber das Bann-Recht hernach als das edelste Stücke                      jurisdictionis Ecclesiasticae betrachtet wurde. Und wenn man gleich <hi rendition="#i">(p. 220. seq.)</hi> aus denenselben Zeiten genungsame Leges                      und andere Documenta anführen kan, daß die Excommunicationes auch durch                      weltliche, als Kayser und Könige, geschehen sey; so pfleget man doch dergleichen                      Documenta dergestalt auszulegen, daß dieses alles von der weltlichen Obrigkeit                      bloß als Executoribus geschehen, die denen Schlüsseln der Clerisey dadurch nur                      hülfliche Hand geboten hätten. Man schriebe dem Kirchen-Bann, der, als                      obgedacht, seinen Ursprung nach nichts als eine weltliche Straffe war, immer                      mehr und mehr Würckungen einer weltlichen Straffe zu, dergestalt daß man ihn                      auch der Todes-Straffe gleich achtete. <hi rendition="#i">(p. 222.)</hi> Augustinus <hi rendition="#i">Quaest. 39. super Deuteron. Hoc nunc agit</hi>,                      inquit, <hi rendition="#i">in Ecclesia Excommunicatio, quod agebat tunc</hi> (tempore legis Mosaicae) <hi rendition="#i">interfectio</hi>. Dannenhero ware                      leicht zu behaupten, daß weil mit dem Todt alle Jura aufhören, also auch der                      verbannete Mensch alle seine Rechte und Gerechtigkeiten verlöhre, da denn                      hernach <hi rendition="#i">(p. 223.)</hi> die Conclusion von sich selbst                      folgete, daß auch die verbanneten Könige und Kayser so gut als Abgesetzete                      anzusehen wären. Und wurde also die praetendirte geistliche Bestraffung, die                      nach dem Vorgeben der Herren Geistlichen nur geistliche Würckungen nach sich                      ziehen solte, in der That zu einen Abgrund gemacht, der alle weltliche Rechte                      der Christen und alle menschliche Actiones wegfrasse, und verschlunge. Damit                      aber sowohl Herr als Knecht verblendet wurde <hi rendition="#i">(p. 225.)</hi> den hierunter steckenden augenscheinlichen Betrug nicht zu sehen, loge man ihnen                      viel von falschen und erdichteten Wundern vor, indem man die Leute beredere als                      ob der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[136/0144] auch unbeseelte Dinge, als geschriebene Bücher, in Bann. Man fieng an (p. 216. seq.) damit man nebst der so genannten geistlichen auch alle weltliche Gewalt unter desto heiligern Schein an sich ziehen möchte, den Kirchen-Bann auch in denen allerdings und unstreitig weltlichen Händeln zu brauchen. Man verwahrte die praetendirten Jura der Clerisey mit grossen Eyffer, daß ja kein weltlicher zugelassen würde (p. 218. seq.) die Straffe des Kirchen-Bannes auszuüben, sondern dieses geistliche Schwert, das das weltliche schon ziemlich stumpff gemachet hatte, allein in den Händen der Clerisey bliebe. Und daß man auch von dieser als Haupt erkennet würde, massete sich der Pabst das Souveraine recht an, in Sachen des Kirchen-Bannes nach seinen Gefallen zu verfahren, nachdem vorher in 5ten Seculo (p. 219.) sich auch nur ein schlechter Münch unterstanden hatte, Kayser Theodosium den jüngern mit erwünschten Success in Bann zu thun, mehrentheils aber das Bann-Recht hernach als das edelste Stücke jurisdictionis Ecclesiasticae betrachtet wurde. Und wenn man gleich (p. 220. seq.) aus denenselben Zeiten genungsame Leges und andere Documenta anführen kan, daß die Excommunicationes auch durch weltliche, als Kayser und Könige, geschehen sey; so pfleget man doch dergleichen Documenta dergestalt auszulegen, daß dieses alles von der weltlichen Obrigkeit bloß als Executoribus geschehen, die denen Schlüsseln der Clerisey dadurch nur hülfliche Hand geboten hätten. Man schriebe dem Kirchen-Bann, der, als obgedacht, seinen Ursprung nach nichts als eine weltliche Straffe war, immer mehr und mehr Würckungen einer weltlichen Straffe zu, dergestalt daß man ihn auch der Todes-Straffe gleich achtete. (p. 222.) Augustinus Quaest. 39. super Deuteron. Hoc nunc agit, inquit, in Ecclesia Excommunicatio, quod agebat tunc (tempore legis Mosaicae) interfectio. Dannenhero ware leicht zu behaupten, daß weil mit dem Todt alle Jura aufhören, also auch der verbannete Mensch alle seine Rechte und Gerechtigkeiten verlöhre, da denn hernach (p. 223.) die Conclusion von sich selbst folgete, daß auch die verbanneten Könige und Kayser so gut als Abgesetzete anzusehen wären. Und wurde also die praetendirte geistliche Bestraffung, die nach dem Vorgeben der Herren Geistlichen nur geistliche Würckungen nach sich ziehen solte, in der That zu einen Abgrund gemacht, der alle weltliche Rechte der Christen und alle menschliche Actiones wegfrasse, und verschlunge. Damit aber sowohl Herr als Knecht verblendet wurde (p. 225.) den hierunter steckenden augenscheinlichen Betrug nicht zu sehen, loge man ihnen viel von falschen und erdichteten Wundern vor, indem man die Leute beredere als ob der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/144
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/144>, abgerufen am 22.11.2024.