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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725.

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lehnung der Beschuldigung, daß die in die Römische Kirche eingeschlichene Jerthümer den Grund der Seeligkeit umstossen, gründet sich auf vorhergesetzte Fundamenta und substernirte Hypotheses. Denn wenn sie eine wahre Christliche Kirche ist, so müssen derselben Errores den Grund des Glaubens nicht umstossen, weil sie sonst keine rechte Christliche Kirche bleiben würde. Denn obschon eine wahre Christliche Kirche nicht alle Irrthümer excludiret, so excludiret sie dennoch die Irrthümer, welche der Beschaffenheit, daß sie den Grund des Glaubens und die anhangende Seeligkeit sollten umstossen.

4.) Ob die in der Römisch-Catholischen Kirche Sterbende auf das Verdienst ihrer eigenen Wercke, oder auf das Verdienst Christi verwiesen werden Resp. Allhier findet sich ein mercklicher Unterscheid inter doctrinam & praxin, wenn man auf das erste reflectiret, so wäre negative zu antworten, in praxi aber findet sichs gantz anders, und die insgemein so beschaffen, daß man in deren Absicht die negativam in eine affirmativam verwandlen muß.

5.) Ob man Wallfahrten gehen, Fasttäge halten, sich mit dem Creutz zeichnen, das Weyhwasser nehmen, und andere dergleichen bey ihnen übliche Ceremonien verrichten könne Resp. distincte: wenn sie pur indifferent, die man thun oder lassen könne, gehalten werden; so schaden sie der Seeligkeit nicht, höchstschädlich aber sind sie, wenn solchen Ceremonien vis meriti, daß die Seeligkeit damit zu verdienen stehe, solle tribuiret und zugeeignet werden.

6.) Ob die Priester der Römisch-Catholischen Kirche einen Beichtenden recht absolviren Resp. Ja. Die Pontisicii statuiren, daß die Priester potestate judiciali, die unsrige, daß sie potestate ministeriali absolviren. Aus jenem folget, daß sie als judices, von den Sünden der Menschen weder ein Judicium fällen, noch proportionirte Satisfactiones canonicas injungiren könten, wenn die Sünden mit allen ihren circumstantien ihnen nicht solten kund gethan werden.

7.) Ob eine Evangelische Printzeßin aus hochwichtigen und der gantzen Christenheit zum Vortheil kommenden Ursachen sich mit einem Römisch-Catholischen Herrn auf diese Weise ehelich versprechen könne, daß sie von ihrer zu seiner Religion, weil sonst die Mariage nicht geschehen könnte, tretten wolle Rs. Hierauf kan man nicht gleich mit ja oder nein antworten, denn es ist nicht zu rathen, daß ein der Evangelischen Religion zugethanes Haupt von einer reinern Kirche zu einer unreinern schlechterdinge treten sollte. Es

lehnung der Beschuldigung, daß die in die Römische Kirche eingeschlichene Jerthümer den Grund der Seeligkeit umstossen, gründet sich auf vorhergesetzte Fundamenta und substernirte Hypotheses. Denn wenn sie eine wahre Christliche Kirche ist, so müssen derselben Errores den Grund des Glaubens nicht umstossen, weil sie sonst keine rechte Christliche Kirche bleiben würde. Denn obschon eine wahre Christliche Kirche nicht alle Irrthümer excludiret, so excludiret sie dennoch die Irrthümer, welche der Beschaffenheit, daß sie den Grund des Glaubens und die anhangende Seeligkeit sollten umstossen.

4.) Ob die in der Römisch-Catholischen Kirche Sterbende auf das Verdienst ihrer eigenen Wercke, oder auf das Verdienst Christi verwiesen werden Resp. Allhier findet sich ein mercklicher Unterscheid inter doctrinam & praxin, wenn man auf das erste reflectiret, so wäre negative zu antworten, in praxi aber findet sichs gantz anders, und die insgemein so beschaffen, daß man in deren Absicht die negativam in eine affirmativam verwandlen muß.

5.) Ob man Wallfahrten gehen, Fasttäge halten, sich mit dem Creutz zeichnen, das Weyhwasser nehmen, und andere dergleichen bey ihnen übliche Ceremonien verrichten könne Resp. distincte: wenn sie pur indifferent, die man thun oder lassen könne, gehalten werden; so schaden sie der Seeligkeit nicht, höchstschädlich aber sind sie, wenn solchen Ceremonien vis meriti, daß die Seeligkeit damit zu verdienen stehe, solle tribuiret und zugeeignet werden.

6.) Ob die Priester der Römisch-Catholischen Kirche einen Beichtenden recht absolviren Resp. Ja. Die Pontisicii statuiren, daß die Priester potestate judiciali, die unsrige, daß sie potestate ministeriali absolviren. Aus jenem folget, daß sie als judices, von den Sünden der Menschen weder ein Judicium fällen, noch proportionirte Satisfactiones canonicas injungiren könten, wenn die Sünden mit allen ihren circumstantien ihnen nicht solten kund gethan werden.

7.) Ob eine Evangelische Printzeßin aus hochwichtigen und der gantzen Christenheit zum Vortheil kom̃enden Ursachen sich mit einem Römisch-Catholischen Herrn auf diese Weise ehelich versprechen könne, daß sie von ihrer zu seiner Religion, weil sonst die Mariage nicht geschehen könnte, tretten wolle Rs. Hierauf kan man nicht gleich mit ja oder nein antworten, denn es ist nicht zu rathen, daß ein der Evangelischen Religion zugethanes Haupt von einer reinern Kirche zu einer unreinern schlechterdinge treten sollte. Es

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[111/0119] lehnung der Beschuldigung, daß die in die Römische Kirche eingeschlichene Jerthümer den Grund der Seeligkeit umstossen, gründet sich auf vorhergesetzte Fundamenta und substernirte Hypotheses. Denn wenn sie eine wahre Christliche Kirche ist, so müssen derselben Errores den Grund des Glaubens nicht umstossen, weil sie sonst keine rechte Christliche Kirche bleiben würde. Denn obschon eine wahre Christliche Kirche nicht alle Irrthümer excludiret, so excludiret sie dennoch die Irrthümer, welche der Beschaffenheit, daß sie den Grund des Glaubens und die anhangende Seeligkeit sollten umstossen. 4.) Ob die in der Römisch-Catholischen Kirche Sterbende auf das Verdienst ihrer eigenen Wercke, oder auf das Verdienst Christi verwiesen werden Resp. Allhier findet sich ein mercklicher Unterscheid inter doctrinam & praxin, wenn man auf das erste reflectiret, so wäre negative zu antworten, in praxi aber findet sichs gantz anders, und die insgemein so beschaffen, daß man in deren Absicht die negativam in eine affirmativam verwandlen muß. 5.) Ob man Wallfahrten gehen, Fasttäge halten, sich mit dem Creutz zeichnen, das Weyhwasser nehmen, und andere dergleichen bey ihnen übliche Ceremonien verrichten könne Resp. distincte: wenn sie pur indifferent, die man thun oder lassen könne, gehalten werden; so schaden sie der Seeligkeit nicht, höchstschädlich aber sind sie, wenn solchen Ceremonien vis meriti, daß die Seeligkeit damit zu verdienen stehe, solle tribuiret und zugeeignet werden. 6.) Ob die Priester der Römisch-Catholischen Kirche einen Beichtenden recht absolviren Resp. Ja. Die Pontisicii statuiren, daß die Priester potestate judiciali, die unsrige, daß sie potestate ministeriali absolviren. Aus jenem folget, daß sie als judices, von den Sünden der Menschen weder ein Judicium fällen, noch proportionirte Satisfactiones canonicas injungiren könten, wenn die Sünden mit allen ihren circumstantien ihnen nicht solten kund gethan werden. 7.) Ob eine Evangelische Printzeßin aus hochwichtigen und der gantzen Christenheit zum Vortheil kom̃enden Ursachen sich mit einem Römisch-Catholischen Herrn auf diese Weise ehelich versprechen könne, daß sie von ihrer zu seiner Religion, weil sonst die Mariage nicht geschehen könnte, tretten wolle Rs. Hierauf kan man nicht gleich mit ja oder nein antworten, denn es ist nicht zu rathen, daß ein der Evangelischen Religion zugethanes Haupt von einer reinern Kirche zu einer unreinern schlechterdinge treten sollte. Es

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Vierdter Theil. Halle, 1725, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte04_1725/119>, abgerufen am 22.11.2024.