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Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

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brachte hierauf den Votmittag mit lauter Verdruß zu, und gieng mit dieser übeln disposition zum Philintis, der mich zu Mittage zu Gaste gebeten hatte, woselbst fast die gantze Mahlzeit durch von dieser Predigt raisonniret, und der unzeitige Eifer des Chrectophilus von denen meisten bestrafft wurde, ausser daß ein junger naseweiser Mann den Schatz seiner morale aufthun wolte, und, weil er auch durch ein närrische Singularität ein Ansehen zu erlangen sich fürgesetzet / einen gantzen locum communem, wie man seine Autorität conserviren solte, herbetete. Ich hatte guten Lust, mit ihn anzubinden, wenn ich nicht allbereit in derselbigen Gesellschafft gewahr worden wäre, daß man ihn vor einen hochmüthigen Gecken hielte, auch von einen meiner Beysitzer gehöret hätte, daß er dasjenige, was er war, zwar nicht vi oder clam, jedoch precario sich hätte zuwege bringen müssen. Nach der Mahlzeit expedirte ich etliche Geschäffte, die ich zu verrichten hatte, und verfügte mich gegen den Abend zu meinem Socrate. Ich gedachte, ich würde wegen der empfangenen Beschimpffung ihn entrüstet und verdrießlich antreffen. Nachdem ich aber seine gewöhnliche Leutseligkeit an ihm verspührete, und er mich, weil denselbigen Tag gleich verdrießlich Wetter War / zum Camin führete, und bey einer Pfeiffe Toback seine weise Discurse so ruhig als sonsten fortführete; konte ich mich nicht länger enthalten / ihn zu fragen: ob er nicht wüste, daß Chrestophilus uns denselben Tag aufgeboten hätte? Er sagte Nein, und begehrte von mir zu wissen, was ich damit meynete. Ich erzehlete ihm die Sache von Anfang biß zum Ende, und weil die Umstände einige Hefftigkeit bey mir erregten, wurde der ehrliche Socrates bewogen, seine Pfeiffe vom Munde zu nehmen, und mir mit einiger attention zuzuhören. Als ich aber meine Erzehlung vollender hatte, und verhoffte / Socrates solte seinen Eiffer über diese Unbilligkeit blicken lassen / verdroß es mich wohl von Hertzen, als ich sahe, daß Socr ates gantz keine Farbe im Gesichte änderte, seine Pfeiffe wieder ansteckte, und mit einer kaltsinnigen Mine zu mir sagte: ich bin dergleichen Complimenten von dem Herrn Chrestophilo schon gewohnet, und afficiren mich dieselben so wenig, daß wenn ich sonst nicht auch mit Geschäfften überhäufft wäre, wolte ich des Herrn Chrestophili

brachte hierauf den Votmittag mit lauter Verdruß zu, und gieng mit dieser übeln disposition zum Philintis, der mich zu Mittage zu Gaste gebeten hatte, woselbst fast die gantze Mahlzeit durch von dieser Predigt raisonniret, und der unzeitige Eifer des Chrectophilus von denen meisten bestrafft wurde, ausser daß ein junger naseweiser Mann den Schatz seiner morale aufthun wolte, und, weil er auch durch ein närrische Singularität ein Ansehen zu erlangen sich fürgesetzet / einen gantzen locum communem, wie man seine Autorität conserviren solte, herbetete. Ich hatte guten Lust, mit ihn anzubinden, wenn ich nicht allbereit in derselbigen Gesellschafft gewahr worden wäre, daß man ihn vor einen hochmüthigen Gecken hielte, auch von einen meiner Beysitzer gehöret hätte, daß er dasjenige, was er war, zwar nicht vi oder clam, jedoch precario sich hätte zuwege bringen müssen. Nach der Mahlzeit expedirte ich etliche Geschäffte, die ich zu verrichten hatte, und verfügte mich gegen den Abend zu meinem Socrate. Ich gedachte, ich würde wegen der empfangenen Beschimpffung ihn entrüstet und verdrießlich antreffen. Nachdem ich aber seine gewöhnliche Leutseligkeit an ihm verspührete, und er mich, weil denselbigen Tag gleich verdrießlich Wetter War / zum Camin führete, und bey einer Pfeiffe Toback seine weise Discurse so ruhig als sonsten fortführete; konte ich mich nicht länger enthalten / ihn zu fragen: ob er nicht wüste, daß Chrestophilus uns denselben Tag aufgeboten hätte? Er sagte Nein, und begehrte von mir zu wissen, was ich damit meynete. Ich erzehlete ihm die Sache von Anfang biß zum Ende, und weil die Umstände einige Hefftigkeit bey mir erregten, wurde der ehrliche Socrates bewogen, seine Pfeiffe vom Munde zu nehmen, und mir mit einiger attention zuzuhören. Als ich aber meine Erzehlung vollender hatte, und verhoffte / Socrates solte seinen Eiffer über diese Unbilligkeit blicken lassen / verdroß es mich wohl von Hertzen, als ich sahe, daß Socr ates gantz keine Farbe im Gesichte änderte, seine Pfeiffe wieder ansteckte, und mit einer kaltsinnigen Mine zu mir sagte: ich bin dergleichen Complimenten von dem Herrn Chrestophilo schon gewohnet, und afficiren mich dieselben so wenig, daß wenn ich sonst nicht auch mit Geschäfften überhäufft wäre, wolte ich des Herrn Chrestophili

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[59/0065] brachte hierauf den Votmittag mit lauter Verdruß zu, und gieng mit dieser übeln disposition zum Philintis, der mich zu Mittage zu Gaste gebeten hatte, woselbst fast die gantze Mahlzeit durch von dieser Predigt raisonniret, und der unzeitige Eifer des Chrectophilus von denen meisten bestrafft wurde, ausser daß ein junger naseweiser Mann den Schatz seiner morale aufthun wolte, und, weil er auch durch ein närrische Singularität ein Ansehen zu erlangen sich fürgesetzet / einen gantzen locum communem, wie man seine Autorität conserviren solte, herbetete. Ich hatte guten Lust, mit ihn anzubinden, wenn ich nicht allbereit in derselbigen Gesellschafft gewahr worden wäre, daß man ihn vor einen hochmüthigen Gecken hielte, auch von einen meiner Beysitzer gehöret hätte, daß er dasjenige, was er war, zwar nicht vi oder clam, jedoch precario sich hätte zuwege bringen müssen. Nach der Mahlzeit expedirte ich etliche Geschäffte, die ich zu verrichten hatte, und verfügte mich gegen den Abend zu meinem Socrate. Ich gedachte, ich würde wegen der empfangenen Beschimpffung ihn entrüstet und verdrießlich antreffen. Nachdem ich aber seine gewöhnliche Leutseligkeit an ihm verspührete, und er mich, weil denselbigen Tag gleich verdrießlich Wetter War / zum Camin führete, und bey einer Pfeiffe Toback seine weise Discurse so ruhig als sonsten fortführete; konte ich mich nicht länger enthalten / ihn zu fragen: ob er nicht wüste, daß Chrestophilus uns denselben Tag aufgeboten hätte? Er sagte Nein, und begehrte von mir zu wissen, was ich damit meynete. Ich erzehlete ihm die Sache von Anfang biß zum Ende, und weil die Umstände einige Hefftigkeit bey mir erregten, wurde der ehrliche Socrates bewogen, seine Pfeiffe vom Munde zu nehmen, und mir mit einiger attention zuzuhören. Als ich aber meine Erzehlung vollender hatte, und verhoffte / Socrates solte seinen Eiffer über diese Unbilligkeit blicken lassen / verdroß es mich wohl von Hertzen, als ich sahe, daß Socr ates gantz keine Farbe im Gesichte änderte, seine Pfeiffe wieder ansteckte, und mit einer kaltsinnigen Mine zu mir sagte: ich bin dergleichen Complimenten von dem Herrn Chrestophilo schon gewohnet, und afficiren mich dieselben so wenig, daß wenn ich sonst nicht auch mit Geschäfften überhäufft wäre, wolte ich des Herrn Chrestophili

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/65>, abgerufen am 24.11.2024.