Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.diese Beulen dann und wann an ihr ereignet, die sich wohl wieder verlieren würden, womit sich Sempronius begütigen laßen und darauff daß Eheversprechen mit ihr vollenzogen, hat auch mit ihr vier Jahr in gantz vergnügendem Ehestande gelebet und zwey Kinder mit ihr gezeiget, von denen der Sohn annoch am Leben ist: Nach Ablauff solcher vier Jahre aber hat sich das malum latens erst recht hervor gethan, indem Caja in allen Gliedern grosses Reissen bekommen, welches endlich an dem einem Arme zum offenen Schaden ausgebrochen, hat aber nachdem so weit umb sich gegriffen, daß sie anderer Oerther des Leibes zu geschweigen auch nicht einsten in Gesichte davon befreyet geblieben, ist auch hin und wieder an Händen und Fussen nicht allein lahm, sondern auch die Gelencke an den Fingern von der scharffen materia angegriffen und inficiret worden, daß sie zum Theil gar heraus genommen werden müssen, wie denn auch von dem fördersten Theil der Hirnschale ein Stücke heraus gefallen. Ob nun gleich flugs anfangs Sempronius bewehrte Medicos & Chirurgos consuliret, adhibiret, die auch allerhand dienliche und kostbahre Medicamenta verschrieben und appliciret, hat doch nichts anschlagen wollen, sondern ist vielmehr ihr Zufall und Kranckheit dadurch vergrössert und von Tage zu Tage schlimmer worden, ja die Medici selbst desperiren nunmehro an ihrer reconvalescentz, halten den affectum pro incurabili, und stellen darbeneben denselben so gefährlich vor, daß man sich dabey einer Contagion zu besorgen habe, weßwegen denn Sempronius so von Natur eckel nnd furchtsam ist, auf gutbefinden seiner Freunde und metu contagionis sich ihrer nun etliche Jahr her eusern und ihre Conservation meyden müssen, ihr aber doch nicht nur eine eigene Magd zur Wartung und Handreichung gehalten, sondern auch Sie mit nöthiger Kost und Verpflegung versehen, daß Sie keinen Mangel gehabt. Weil nun diese Caja 17. gantzer Jahr durante matrimonio also kräncklich, über zehen Jahr aber gantz lahm und bettlagerich gewesen, die weiter nicht kommen können, als wohin Sie mit Tüchern durch die Magd gehoben und geböhret wird, und also weder des Sempronii Haußhaltung versehen, noch Ihm, der doch noch ein vigoröser Mann ist, und des Pauli continentz nicht hat, das debitum conjugale in so vielen und langen Jahren nicht leisten können, So fraget es sich: ob denn zu Rechte kein Mittel zu finden daß dieses unglüseelige Matrimonium quoad vinculum dissolviret, und Ihm frey gegeben werden könne, sich an eine andere Person anderweit zu verheyrathen? Da denn Sempronius vor sich anzuführen hat 1. was insgemein gesaget zu werden pfleget, quod melius sit nubere, quam uri, als welches insgemein nicht nur ad personas solutas, sondern auch auf solche Personen, von denen gesaget werden kan, daß Sie mehr extra matrimonium als in matrimonio lebeten, wie es dem Sempronio ergehet, appliciret werden kan, massen durch anderweitlich verstattete Verheyrathung des Sempronii Gewis- diese Beulen dann und wann an ihr ereignet, die sich wohl wieder verlieren würden, womit sich Sempronius begütigen laßen und darauff daß Eheversprechen mit ihr vollenzogen, hat auch mit ihr vier Jahr in gantz vergnügendem Ehestande gelebet und zwey Kinder mit ihr gezeiget, von denen der Sohn annoch am Leben ist: Nach Ablauff solcher vier Jahre aber hat sich das malum latens erst recht hervor gethan, indem Caja in allen Gliedern grosses Reissen bekommen, welches endlich an dem einem Arme zum offenen Schaden ausgebrochen, hat aber nachdem so weit umb sich gegriffen, daß sie anderer Oerther des Leibes zu geschweigen auch nicht einsten in Gesichte davon befreyet geblieben, ist auch hin und wieder an Händen und Fussen nicht allein lahm, sondern auch die Gelencke an den Fingern von der scharffen materia angegriffen und inficiret worden, daß sie zum Theil gar heraus genommen werden müssen, wie denn auch von dem fördersten Theil der Hirnschale ein Stücke heraus gefallen. Ob nun gleich flugs anfangs Sempronius bewehrte Medicos & Chirurgos consuliret, adhibiret, die auch allerhand dienliche und kostbahre Medicamenta verschrieben und appliciret, hat doch nichts anschlagen wollen, sondern ist vielmehr ihr Zufall und Kranckheit dadurch vergrössert und von Tage zu Tage schlimmer worden, ja die Medici selbst desperiren nunmehro an ihrer reconvalescentz, halten den affectum pro incurabili, und stellen darbeneben denselben so gefährlich vor, daß man sich dabey einer Contagion zu besorgen habe, weßwegen denn Sempronius so von Natur eckel nnd furchtsam ist, auf gutbefinden seiner Freunde und metu contagionis sich ihrer nun etliche Jahr her eusern und ihre Conservation meyden müssen, ihr aber doch nicht nur eine eigene Magd zur Wartung und Handreichung gehalten, sondern auch Sie mit nöthiger Kost und Verpflegung versehen, daß Sie keinen Mangel gehabt. Weil nun diese Caja 17. gantzer Jahr durante matrimonio also kräncklich, über zehen Jahr aber gantz lahm und bettlagerich gewesen, die weiter nicht kommen können, als wohin Sie mit Tüchern durch die Magd gehoben und geböhret wird, und also weder des Sempronii Haußhaltung versehen, noch Ihm, der doch noch ein vigoröser Mann ist, und des Pauli continentz nicht hat, das debitum conjugale in so vielen und langen Jahren nicht leisten können, So fraget es sich: ob denn zu Rechte kein Mittel zu finden daß dieses unglüseelige Matrimonium quoad vinculum dissolviret, und Ihm frey gegeben werden könne, sich an eine andere Person anderweit zu verheyrathen? Da denn Sempronius vor sich anzuführen hat 1. was insgemein gesaget zu werden pfleget, quod melius sit nubere, quam uri, als welches insgemein nicht nur ad personas solutas, sondern auch auf solche Personen, von denen gesaget werden kan, daß Sie mehr extra matrimonium als in matrimonio lebeten, wie es dem Sempronio ergehet, appliciret werden kan, massen durch anderweitlich verstattete Verheyrathung des Sempronii Gewis- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0359" n="353"/> diese Beulen dann und wann an ihr ereignet, die sich wohl wieder verlieren würden, womit sich Sempronius begütigen laßen und darauff daß Eheversprechen mit ihr vollenzogen, hat auch mit ihr vier Jahr in gantz vergnügendem Ehestande gelebet und zwey Kinder mit ihr gezeiget, von denen der Sohn annoch am Leben ist: Nach Ablauff solcher vier Jahre aber hat sich das malum latens erst recht hervor gethan, indem Caja in allen Gliedern grosses Reissen bekommen, welches endlich an dem einem Arme zum offenen Schaden ausgebrochen, hat aber nachdem so weit umb sich gegriffen, daß sie anderer Oerther des Leibes zu geschweigen auch nicht einsten in Gesichte davon befreyet geblieben, ist auch hin und wieder an Händen und Fussen nicht allein lahm, sondern auch die Gelencke an den Fingern von der scharffen materia angegriffen und inficiret worden, daß sie zum Theil gar heraus genommen werden müssen, wie denn auch von dem fördersten Theil der Hirnschale ein Stücke heraus gefallen. Ob nun gleich flugs anfangs Sempronius bewehrte Medicos & Chirurgos consuliret, adhibiret, die auch allerhand dienliche und kostbahre Medicamenta verschrieben und appliciret, hat doch nichts anschlagen wollen, sondern ist vielmehr ihr Zufall und Kranckheit dadurch vergrössert und von Tage zu Tage schlimmer worden, ja die Medici selbst desperiren nunmehro an ihrer reconvalescentz, halten den affectum pro incurabili, und stellen darbeneben denselben so gefährlich vor, daß man sich dabey einer Contagion zu besorgen habe, weßwegen denn Sempronius so von Natur eckel nnd furchtsam ist, auf gutbefinden seiner Freunde und metu contagionis sich ihrer nun etliche Jahr her eusern und ihre Conservation meyden müssen, ihr aber doch nicht nur eine eigene Magd zur Wartung und Handreichung gehalten, sondern auch Sie mit nöthiger Kost und Verpflegung versehen, daß Sie keinen Mangel gehabt. Weil nun diese Caja 17. gantzer Jahr durante matrimonio also kräncklich, über zehen Jahr aber gantz lahm und bettlagerich gewesen, die weiter nicht kommen können, als wohin Sie mit Tüchern durch die Magd gehoben und geböhret wird, und also weder des Sempronii Haußhaltung versehen, noch Ihm, der doch noch ein vigoröser Mann ist, und des Pauli continentz nicht hat, das debitum conjugale in so vielen und langen Jahren nicht leisten können, So fraget es sich: ob denn zu Rechte kein Mittel zu finden daß dieses unglüseelige <hi rendition="#i">Matrimonium quoad vinculum dissolvir</hi>et, und Ihm frey gegeben werden könne, sich an eine andere Person anderweit zu verheyrathen? 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diese Beulen dann und wann an ihr ereignet, die sich wohl wieder verlieren würden, womit sich Sempronius begütigen laßen und darauff daß Eheversprechen mit ihr vollenzogen, hat auch mit ihr vier Jahr in gantz vergnügendem Ehestande gelebet und zwey Kinder mit ihr gezeiget, von denen der Sohn annoch am Leben ist: Nach Ablauff solcher vier Jahre aber hat sich das malum latens erst recht hervor gethan, indem Caja in allen Gliedern grosses Reissen bekommen, welches endlich an dem einem Arme zum offenen Schaden ausgebrochen, hat aber nachdem so weit umb sich gegriffen, daß sie anderer Oerther des Leibes zu geschweigen auch nicht einsten in Gesichte davon befreyet geblieben, ist auch hin und wieder an Händen und Fussen nicht allein lahm, sondern auch die Gelencke an den Fingern von der scharffen materia angegriffen und inficiret worden, daß sie zum Theil gar heraus genommen werden müssen, wie denn auch von dem fördersten Theil der Hirnschale ein Stücke heraus gefallen. Ob nun gleich flugs anfangs Sempronius bewehrte Medicos & Chirurgos consuliret, adhibiret, die auch allerhand dienliche und kostbahre Medicamenta verschrieben und appliciret, hat doch nichts anschlagen wollen, sondern ist vielmehr ihr Zufall und Kranckheit dadurch vergrössert und von Tage zu Tage schlimmer worden, ja die Medici selbst desperiren nunmehro an ihrer reconvalescentz, halten den affectum pro incurabili, und stellen darbeneben denselben so gefährlich vor, daß man sich dabey einer Contagion zu besorgen habe, weßwegen denn Sempronius so von Natur eckel nnd furchtsam ist, auf gutbefinden seiner Freunde und metu contagionis sich ihrer nun etliche Jahr her eusern und ihre Conservation meyden müssen, ihr aber doch nicht nur eine eigene Magd zur Wartung und Handreichung gehalten, sondern auch Sie mit nöthiger Kost und Verpflegung versehen, daß Sie keinen Mangel gehabt. Weil nun diese Caja 17. gantzer Jahr durante matrimonio also kräncklich, über zehen Jahr aber gantz lahm und bettlagerich gewesen, die weiter nicht kommen können, als wohin Sie mit Tüchern durch die Magd gehoben und geböhret wird, und also weder des Sempronii Haußhaltung versehen, noch Ihm, der doch noch ein vigoröser Mann ist, und des Pauli continentz nicht hat, das debitum conjugale in so vielen und langen Jahren nicht leisten können, So fraget es sich: ob denn zu Rechte kein Mittel zu finden daß dieses unglüseelige Matrimonium quoad vinculum dissolviret, und Ihm frey gegeben werden könne, sich an eine andere Person anderweit zu verheyrathen? Da denn Sempronius vor sich anzuführen hat 1. was insgemein gesaget zu werden pfleget, quod melius sit nubere, quam uri, als welches insgemein nicht nur ad personas solutas, sondern auch auf solche Personen, von denen gesaget werden kan, daß Sie mehr extra matrimonium als in matrimonio lebeten, wie es dem Sempronio ergehet, appliciret werden kan, massen durch anderweitlich verstattete Verheyrathung des Sempronii Gewis-
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/359>, abgerufen am 28.07.2024. |