Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.Stunde noch nicht gesehen, und den ersten bereits etliche Wochen nach dessen Aufrichtung zufällig in Abschrifft zu lesen überkommen. Es hat sich aber ferner begeben, daß als bey jüngsten Land-Tage die gesamte Landschafft angezogener beyder Recesse halber, als ob dadurch forma Reip. immutiret, und ihre Jura gekräncket worden, schrifftlich queruliret, auch ein gewisses petitum formiret, occasione dessen in der Raths- oder Regierungs Stube bey hierüber haltender consultation eine quaestion und harer disputat moviret worden, wo und von wem die Landschafft von gedachten Recessen Nachricht und Abschrifft erlanget? und als ob derjenige, der solche derselben oder einem membro ihres Mittels communiciret, höchst straffbar gehandelt, souteniret, sowohl allerhand suspiciones gemacht werden wollen, auch ermeldter Hoff-Rath, als er zu seiner exculpation und Rettung seiner Unschuld declariret, wie er den letztern Recess noch nicht einmahl mit Augen gesehen, weniger dessen contenta wisse, Hochgedachter ältister Herr den Hoff-Rath deswegen gar ungütig angelassen, und wie dieses, daß er nehmlich solche Recesse nicht lese, wieder seine Pflicht lieffe, ihm beymessen wollen, welches der Hoff Rath sich sehr schmertzlich zu Gemüthe ziehet, und nicht nur hochgedachten Hn. Graffen durch den Herrn Cantzlar, wie ihm hierunter zu viel geschehen, repraesentiren laße, sondern auch gegentheils die Herren, die jenes mit angehöret, dergleichen selbst gethan, auch zu Salvirung seiner Ehre und Pflicht und Beruhigung seines Gewissens sich hierüber informiren zu lassen, vor gut befunden. Ob nehmlich dem Hoff Rath darumb, daß er die zwischen denen Hoch Gräfflichen vormahls dissentirenden Persohnen aufgerichtete Vergleiche und Recesse nicht gelesen, noch selbige zu erlangen begehret, eine straffbahre culpa und negligentia mit Bestand beyzumessen, oder er hierunter wieder seine Pflicht gehandelt habe? Er seines Orts hoffet, es werde keine andere als negativa decisio statt finden Denn 1) ist kein Herr gezwungen, mit allen seinen Räthen zugleich die vorfallenden Sachen zu überlegen und zu communiciren, sondern es stehet ihm allerdings frey, zu gewissen Dingen auch nur einen und den andern zu ziehen, und mit diesen solche abzuhandeln, die übrigen Räthe hergegen von der communication auszuschliessen, welchenfalls diese so dann 2) kein jus contradicendi oder eine obligation haben, entweder sich zu solchen negotiis gleichsam zu dringen, oder, worinnen solche bestehen, und was darbey vorgegangen, curieus zu seyn, und darauf Kundschafft zu legen, sondern können und sollen vielmehr zu Vermeidung aller Neugierigkeit, Vorwitz und Vermessenheit sich derselben so lange entschlagen, biß sie de novo darzu gezogen, oder davon Wissenschafft zu erlangen, durch den Herrn selbst veranlasset werden, als der sie durch Ausschliessung von der Communication gleichsam ihrer Pflicht, so viel diese Sache betrifft, erlassen, und sich darum ferner zu bekümmern tacite sive ex ipso facto verbothen. Da nun ad speciem zu Stunde noch nicht gesehen, und den ersten bereits etliche Wochen nach dessen Aufrichtung zufällig in Abschrifft zu lesen überkommen. Es hat sich aber ferner begeben, daß als bey jüngsten Land-Tage die gesamte Landschafft angezogener beyder Recesse halber, als ob dadurch forma Reip. immutiret, und ihre Jura gekräncket worden, schrifftlich queruliret, auch ein gewisses petitum formiret, occasione dessen in der Raths- oder Regierungs Stube bey hierüber haltender consultation eine quaestion und harer disputat moviret worden, wo und von wem die Landschafft von gedachten Recessen Nachricht und Abschrifft erlanget? und als ob derjenige, der solche derselben oder einem membro ihres Mittels communiciret, höchst straffbar gehandelt, souteniret, sowohl allerhand suspiciones gemacht werden wollen, auch ermeldter Hoff-Rath, als er zu seiner exculpation und Rettung seiner Unschuld declariret, wie er den letztern Recess noch nicht einmahl mit Augen gesehen, weniger dessen contenta wisse, Hochgedachter ältister Herr den Hoff-Rath deswegen gar ungütig angelassen, und wie dieses, daß er nehmlich solche Recesse nicht lese, wieder seine Pflicht lieffe, ihm beymessen wollen, welches der Hoff Rath sich sehr schmertzlich zu Gemüthe ziehet, und nicht nur hochgedachten Hn. Graffen durch den Herrn Cantzlar, wie ihm hierunter zu viel geschehen, repraesentiren laße, sondern auch gegentheils die Herren, die jenes mit angehöret, dergleichen selbst gethan, auch zu Salvirung seiner Ehre und Pflicht und Beruhigung seines Gewissens sich hierüber informiren zu lassen, vor gut befunden. Ob nehmlich dem Hoff Rath darumb, daß er die zwischen denen Hoch Gräfflichen vormahls dissentirenden Persohnen aufgerichtete Vergleiche und Recesse nicht gelesen, noch selbige zu erlangen begehret, eine straffbahre culpa und negligentia mit Bestand beyzumessen, oder er hierunter wieder seine Pflicht gehandelt habe? Er seines Orts hoffet, es werde keine andere als negativa decisio statt finden Denn 1) ist kein Herr gezwungen, mit allen seinen Räthen zugleich die vorfallenden Sachen zu überlegen und zu communiciren, sondern es stehet ihm allerdings frey, zu gewissen Dingen auch nur einen und den andern zu ziehen, und mit diesen solche abzuhandeln, die übrigen Räthe hergegen von der communication auszuschliessen, welchenfalls diese so dann 2) kein jus contradicendi oder eine obligation haben, entweder sich zu solchen negotiis gleichsam zu dringen, oder, worinnen solche bestehen, und was darbey vorgegangen, curieus zu seyn, und darauf Kundschafft zu legen, sondern können und sollen vielmehr zu Vermeidung aller Neugierigkeit, Vorwitz und Vermessenheit sich derselben so lange entschlagen, biß sie de novo darzu gezogen, oder davon Wissenschafft zu erlangen, durch den Herrn selbst veranlasset werden, als der sie durch Ausschliessung von der Communication gleichsam ihrer Pflicht, so viel diese Sache betrifft, erlassen, und sich darum ferner zu bekümmern tacite sive ex ipso facto verbothen. Da nun ad speciem zu <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0242" n="236"/> Stunde noch nicht gesehen, und den ersten bereits etliche Wochen nach dessen Aufrichtung zufällig in Abschrifft zu lesen überkommen. Es hat sich aber ferner begeben, daß als bey jüngsten Land-Tage die gesamte Landschafft angezogener beyder Recesse halber, als ob dadurch forma Reip. immutiret, und ihre Jura gekräncket worden, schrifftlich queruliret, auch ein gewisses petitum formiret, occasione dessen in der Raths- oder Regierungs Stube bey hierüber haltender consultation eine quaestion und harer disputat moviret worden, wo und von wem die Landschafft von gedachten Recessen Nachricht und Abschrifft erlanget? und als ob derjenige, der solche derselben oder einem membro ihres Mittels communiciret, höchst straffbar gehandelt, souteniret, sowohl allerhand suspiciones gemacht werden wollen, auch ermeldter Hoff-Rath, als er zu seiner exculpation und Rettung seiner Unschuld declariret, wie er den letztern Recess noch nicht einmahl mit Augen gesehen, weniger dessen contenta wisse, Hochgedachter ältister Herr den Hoff-Rath deswegen gar ungütig angelassen, und wie dieses, daß er nehmlich solche Recesse nicht lese, wieder seine Pflicht lieffe, ihm beymessen wollen, welches der Hoff Rath sich sehr schmertzlich zu Gemüthe ziehet, und nicht nur hochgedachten Hn. Graffen durch den Herrn Cantzlar, wie ihm hierunter zu viel geschehen, repraesentiren laße, sondern auch gegentheils die Herren, die jenes mit angehöret, dergleichen selbst gethan, auch zu Salvirung seiner Ehre und Pflicht und Beruhigung seines Gewissens sich hierüber informiren zu lassen, vor gut befunden. Ob nehmlich dem Hoff Rath darumb, daß er die zwischen denen Hoch Gräfflichen vormahls <hi rendition="#i">dissentir</hi>enden Persohnen aufgerichtete Vergleiche und <hi rendition="#i">Recesse</hi> nicht gelesen, noch selbige zu erlangen begehret, eine straffbahre <hi rendition="#i">culpa</hi> und <hi rendition="#i">negligentia</hi> mit Bestand beyzumessen, oder er hierunter wieder seine Pflicht gehandelt habe? Er seines Orts hoffet, es werde keine andere als negativa decisio statt finden Denn 1) ist kein Herr gezwungen, mit allen seinen Räthen zugleich die vorfallenden Sachen zu überlegen und zu communiciren, sondern es stehet ihm allerdings frey, zu gewissen Dingen auch nur einen und den andern zu ziehen, und mit diesen solche abzuhandeln, die übrigen Räthe hergegen von der communication auszuschliessen, welchenfalls diese so dann 2) kein jus contradicendi oder eine obligation haben, entweder sich zu solchen negotiis gleichsam zu dringen, oder, worinnen solche bestehen, und was darbey vorgegangen, curieus zu seyn, und darauf Kundschafft zu legen, sondern können und sollen vielmehr zu Vermeidung aller Neugierigkeit, Vorwitz und Vermessenheit sich derselben so lange entschlagen, biß sie de novo darzu gezogen, oder davon Wissenschafft zu erlangen, durch den Herrn selbst veranlasset werden, als der sie durch Ausschliessung von der Communication gleichsam ihrer Pflicht, so viel diese Sache betrifft, erlassen, und sich darum ferner zu bekümmern tacite sive ex ipso facto verbothen. Da nun ad speciem zu </p> </div> </body> </text> </TEI> [236/0242]
Stunde noch nicht gesehen, und den ersten bereits etliche Wochen nach dessen Aufrichtung zufällig in Abschrifft zu lesen überkommen. Es hat sich aber ferner begeben, daß als bey jüngsten Land-Tage die gesamte Landschafft angezogener beyder Recesse halber, als ob dadurch forma Reip. immutiret, und ihre Jura gekräncket worden, schrifftlich queruliret, auch ein gewisses petitum formiret, occasione dessen in der Raths- oder Regierungs Stube bey hierüber haltender consultation eine quaestion und harer disputat moviret worden, wo und von wem die Landschafft von gedachten Recessen Nachricht und Abschrifft erlanget? und als ob derjenige, der solche derselben oder einem membro ihres Mittels communiciret, höchst straffbar gehandelt, souteniret, sowohl allerhand suspiciones gemacht werden wollen, auch ermeldter Hoff-Rath, als er zu seiner exculpation und Rettung seiner Unschuld declariret, wie er den letztern Recess noch nicht einmahl mit Augen gesehen, weniger dessen contenta wisse, Hochgedachter ältister Herr den Hoff-Rath deswegen gar ungütig angelassen, und wie dieses, daß er nehmlich solche Recesse nicht lese, wieder seine Pflicht lieffe, ihm beymessen wollen, welches der Hoff Rath sich sehr schmertzlich zu Gemüthe ziehet, und nicht nur hochgedachten Hn. Graffen durch den Herrn Cantzlar, wie ihm hierunter zu viel geschehen, repraesentiren laße, sondern auch gegentheils die Herren, die jenes mit angehöret, dergleichen selbst gethan, auch zu Salvirung seiner Ehre und Pflicht und Beruhigung seines Gewissens sich hierüber informiren zu lassen, vor gut befunden. Ob nehmlich dem Hoff Rath darumb, daß er die zwischen denen Hoch Gräfflichen vormahls dissentirenden Persohnen aufgerichtete Vergleiche und Recesse nicht gelesen, noch selbige zu erlangen begehret, eine straffbahre culpa und negligentia mit Bestand beyzumessen, oder er hierunter wieder seine Pflicht gehandelt habe? Er seines Orts hoffet, es werde keine andere als negativa decisio statt finden Denn 1) ist kein Herr gezwungen, mit allen seinen Räthen zugleich die vorfallenden Sachen zu überlegen und zu communiciren, sondern es stehet ihm allerdings frey, zu gewissen Dingen auch nur einen und den andern zu ziehen, und mit diesen solche abzuhandeln, die übrigen Räthe hergegen von der communication auszuschliessen, welchenfalls diese so dann 2) kein jus contradicendi oder eine obligation haben, entweder sich zu solchen negotiis gleichsam zu dringen, oder, worinnen solche bestehen, und was darbey vorgegangen, curieus zu seyn, und darauf Kundschafft zu legen, sondern können und sollen vielmehr zu Vermeidung aller Neugierigkeit, Vorwitz und Vermessenheit sich derselben so lange entschlagen, biß sie de novo darzu gezogen, oder davon Wissenschafft zu erlangen, durch den Herrn selbst veranlasset werden, als der sie durch Ausschliessung von der Communication gleichsam ihrer Pflicht, so viel diese Sache betrifft, erlassen, und sich darum ferner zu bekümmern tacite sive ex ipso facto verbothen. Da nun ad speciem zu
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/242 |
Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/242>, abgerufen am 28.07.2024. |