Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Gebet lernen wollen, Krafft dessen sie nie einigen Mangel haben solte; Ferner H. Bernd und sein Weib dafür halten, daß an ihres Kindes Lähmung Inquisitin schuld sey, und das Kind aus deren Hause kranck zurücke kommen, nicht weniger Inquisitin etwas verdächtig zu machen scheinet, daß als ihr Barthold Werner, daß sie der Zauberey verdächtig gemacht würde, gesagt, sie sehr erschrocken, auch sich nachhero verlauten lassen, wo die Sache nicht bald zu Ende käme, müste sie sich ein Leid thun; und dann in delictis atrocioribus & occultis auch wohl judicia leviora ad inquirendum hinlänglich sind. Dieweilen aber dennoch eines theils aus denen actis nicht zufinden, daß jemahls einige böse fama wieder Inquisitin obhanden gewesen, oder fonst etwas wieder sie gerüget worden, gestalt dann die geringste Registratur deßhalb nicht vorhanden, sondern der judex sofort Zeugen abgehöret, auch selbige über verschiedene Dinge befraget, davon doch vorhero in denen actis nichts enthalten gewesen, so eine speciem suggestionis machet, und eine Nullitaet des Processes nach sich ziehet, andern Theils aber die angezogenen indicia, wann selbige gleich wieder Inquisitin erwiesen seyn solten, davon es aber zum Theil noch ermangelt, jedoch wieder dieselbe keinen beständigen Verdacht der Zauberey machen, und insgesamt nimis remota seynd, so nichts inferiren, und dann absonderlich in diesem crimine als maxime occulto sehr behutsam zu verfahren, daß nicht aus superstition unschuldige Leute in gefährliche Inquisition gezogen werden mögen; So ist, wie in dem Urtheil enthalten, erkannt worden.

§. III. In 1699. Jahr in November wurden uns von GrefenauDes andern casus erster actus. in Gotaischen acta zugeschickt / bey welchen sich der Justitiarius eyfferiger angelegen seyn lassen, Elisabeth Dornheimbin der Hexerey verdächtig zu machen, ob er wohl nur etwa bey 3. oder 4. Puncten den Nahmen der Denuncianten gemeldet hatte. Das (1) indicium solte seyn, daß sie im Felde Weinbach genannt Anno 98. für Pfingsten dürres Graß von einem Acker weggenommen, und damit im Fahr-Weg ein Creutz geschlagen. Weil nun der Hirte allda das Viehe gehütet, sey eine Kuh darüber gegangen, welche dann auf ebener Erde darnieder gefallen und ein Bein zerbrochen hätte: (jedoch hatten die Zeugen fol. 61. das Creutzschlagen nicht gesehen.) (2) wurde sie beschuldiget, daß sie Georg Gabriel Lützelbergern aus freyen Stücken zwey Bund Stroh in seinen Hoff geleget, nachdem aber Lützelberger solch Stroh den Schweinen untergestreuet, wären 17. Schweine nach einander gestorben. (3) Daß einsmahls Anno 98. schwartze Thiere, wie Katzen in Erhards Kuh-Stalle herum gelauffen, und gespielet. Als nun Erhards Weib nebst der Magd die Stallthüre aufgemacht, und aus dem Stalle gekommen, hätte Inquisitin vor der Stallthüre ge-

ein Gebet lernen wollen, Krafft dessen sie nie einigen Mangel haben solte; Ferner H. Bernd und sein Weib dafür halten, daß an ihres Kindes Lähmung Inquisitin schuld sey, und das Kind aus deren Hause kranck zurücke kommen, nicht weniger Inquisitin etwas verdächtig zu machen scheinet, daß als ihr Barthold Werner, daß sie der Zauberey verdächtig gemacht würde, gesagt, sie sehr erschrocken, auch sich nachhero verlauten lassen, wo die Sache nicht bald zu Ende käme, müste sie sich ein Leid thun; und dann in delictis atrocioribus & occultis auch wohl judicia leviora ad inquirendum hinlänglich sind. Dieweilen aber dennoch eines theils aus denen actis nicht zufinden, daß jemahls einige böse fama wieder Inquisitin obhanden gewesen, oder fonst etwas wieder sie gerüget worden, gestalt dann die geringste Registratur deßhalb nicht vorhanden, sondern der judex sofort Zeugen abgehöret, auch selbige über verschiedene Dinge befraget, davon doch vorhero in denen actis nichts enthalten gewesen, so eine speciem suggestionis machet, und eine Nullitaet des Processes nach sich ziehet, andern Theils aber die angezogenen indicia, wann selbige gleich wieder Inquisitin erwiesen seyn solten, davon es aber zum Theil noch ermangelt, jedoch wieder dieselbe keinen beständigen Verdacht der Zauberey machen, und insgesamt nimis remota seynd, so nichts inferiren, und dann absonderlich in diesem crimine als maxime occulto sehr behutsam zu verfahren, daß nicht aus superstition unschuldige Leute in gefährliche Inquisition gezogen werden mögen; So ist, wie in dem Urtheil enthalten, erkannt worden.

§. III. In 1699. Jahr in November wurden uns von GrefenauDes andern casus erster actus. in Gotaischen acta zugeschickt / bey welchen sich der Justitiarius eyfferiger angelegen seyn lassen, Elisabeth Dornheimbin der Hexerey verdächtig zu machen, ob er wohl nur etwa bey 3. oder 4. Puncten den Nahmen der Denuncianten gemeldet hatte. Das (1) indicium solte seyn, daß sie im Felde Weinbach genannt Anno 98. für Pfingsten dürres Graß von einem Acker weggenommen, und damit im Fahr-Weg ein Creutz geschlagen. Weil nun der Hirte allda das Viehe gehütet, sey eine Kuh darüber gegangen, welche dann auf ebener Erde darnieder gefallen und ein Bein zerbrochen hätte: (jedoch hatten die Zeugen fol. 61. das Creutzschlagen nicht gesehen.) (2) wurde sie beschuldiget, daß sie Georg Gabriel Lützelbergern aus freyen Stücken zwey Bund Stroh in seinen Hoff geleget, nachdem aber Lützelberger solch Stroh den Schweinen untergestreuet, wären 17. Schweine nach einander gestorben. (3) Daß einsmahls Anno 98. schwartze Thiere, wie Katzen in Erhards Kuh-Stalle herum gelauffen, und gespielet. Als nun Erhards Weib nebst der Magd die Stallthüre aufgemacht, und aus dem Stalle gekommen, hätte Inquisitin vor der Stallthüre ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0229" n="223"/>
ein Gebet lernen wollen, Krafft                      dessen sie nie einigen Mangel haben solte; Ferner H. Bernd und sein Weib dafür                      halten, daß an ihres Kindes Lähmung Inquisitin schuld sey, und das Kind aus                      deren Hause kranck zurücke kommen, nicht weniger Inquisitin etwas verdächtig zu                      machen scheinet, daß als ihr Barthold Werner, daß sie der Zauberey verdächtig                      gemacht würde, gesagt, sie sehr erschrocken, auch sich nachhero verlauten                      lassen, wo die Sache nicht bald zu Ende käme, müste sie sich ein Leid thun; und                      dann in delictis atrocioribus &amp; occultis auch wohl judicia leviora ad                      inquirendum hinlänglich sind. Dieweilen aber dennoch eines theils aus denen                      actis nicht zufinden, daß jemahls einige böse fama wieder Inquisitin obhanden                      gewesen, oder fonst etwas wieder sie gerüget worden, gestalt dann die geringste                      Registratur deßhalb nicht vorhanden, sondern der judex sofort Zeugen abgehöret,                      auch selbige über verschiedene Dinge befraget, davon doch vorhero in denen actis                      nichts enthalten gewesen, so eine speciem suggestionis machet, und eine                      Nullitaet des Processes nach sich ziehet, andern Theils aber die angezogenen                      indicia, wann selbige gleich wieder Inquisitin erwiesen seyn solten, davon es                      aber zum Theil noch ermangelt, jedoch wieder dieselbe keinen beständigen                      Verdacht der Zauberey machen, und insgesamt nimis remota seynd, so nichts                      inferiren, und dann absonderlich in diesem crimine als maxime occulto sehr                      behutsam zu verfahren, daß nicht aus superstition unschuldige Leute in                      gefährliche Inquisition gezogen werden mögen; So ist, wie in dem Urtheil                      enthalten, erkannt worden.</p>
        <p>§. III. In 1699. Jahr in November wurden uns von Grefenau<note place="right">Des andern <hi rendition="#i">casus</hi> erster <hi rendition="#i">actus.</hi></note> in Gotaischen acta zugeschickt / bey                      welchen sich der Justitiarius eyfferiger angelegen seyn lassen, Elisabeth                      Dornheimbin der Hexerey verdächtig zu machen, ob er wohl nur etwa bey 3. oder 4.                      Puncten den Nahmen der Denuncianten gemeldet hatte. Das (1) indicium solte seyn,                      daß sie im Felde Weinbach genannt Anno 98. für Pfingsten dürres Graß von einem                      Acker weggenommen, und damit im Fahr-Weg ein Creutz geschlagen. Weil nun der                      Hirte allda das Viehe gehütet, sey eine Kuh darüber gegangen, welche dann auf                      ebener Erde darnieder gefallen und ein Bein zerbrochen hätte: (jedoch hatten die                      Zeugen fol. 61. das Creutzschlagen nicht gesehen.) (2) wurde sie beschuldiget,                      daß sie Georg Gabriel Lützelbergern aus freyen Stücken zwey Bund Stroh in seinen                      Hoff geleget, nachdem aber Lützelberger solch Stroh den Schweinen                      untergestreuet, wären 17. Schweine nach einander gestorben. (3) Daß einsmahls                      Anno 98. schwartze Thiere, wie Katzen in Erhards Kuh-Stalle herum gelauffen, und                      gespielet. Als nun Erhards Weib nebst der Magd die Stallthüre aufgemacht, und                      aus dem Stalle gekommen, hätte Inquisitin vor der Stallthüre ge-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0229] ein Gebet lernen wollen, Krafft dessen sie nie einigen Mangel haben solte; Ferner H. Bernd und sein Weib dafür halten, daß an ihres Kindes Lähmung Inquisitin schuld sey, und das Kind aus deren Hause kranck zurücke kommen, nicht weniger Inquisitin etwas verdächtig zu machen scheinet, daß als ihr Barthold Werner, daß sie der Zauberey verdächtig gemacht würde, gesagt, sie sehr erschrocken, auch sich nachhero verlauten lassen, wo die Sache nicht bald zu Ende käme, müste sie sich ein Leid thun; und dann in delictis atrocioribus & occultis auch wohl judicia leviora ad inquirendum hinlänglich sind. Dieweilen aber dennoch eines theils aus denen actis nicht zufinden, daß jemahls einige böse fama wieder Inquisitin obhanden gewesen, oder fonst etwas wieder sie gerüget worden, gestalt dann die geringste Registratur deßhalb nicht vorhanden, sondern der judex sofort Zeugen abgehöret, auch selbige über verschiedene Dinge befraget, davon doch vorhero in denen actis nichts enthalten gewesen, so eine speciem suggestionis machet, und eine Nullitaet des Processes nach sich ziehet, andern Theils aber die angezogenen indicia, wann selbige gleich wieder Inquisitin erwiesen seyn solten, davon es aber zum Theil noch ermangelt, jedoch wieder dieselbe keinen beständigen Verdacht der Zauberey machen, und insgesamt nimis remota seynd, so nichts inferiren, und dann absonderlich in diesem crimine als maxime occulto sehr behutsam zu verfahren, daß nicht aus superstition unschuldige Leute in gefährliche Inquisition gezogen werden mögen; So ist, wie in dem Urtheil enthalten, erkannt worden. §. III. In 1699. Jahr in November wurden uns von Grefenau in Gotaischen acta zugeschickt / bey welchen sich der Justitiarius eyfferiger angelegen seyn lassen, Elisabeth Dornheimbin der Hexerey verdächtig zu machen, ob er wohl nur etwa bey 3. oder 4. Puncten den Nahmen der Denuncianten gemeldet hatte. Das (1) indicium solte seyn, daß sie im Felde Weinbach genannt Anno 98. für Pfingsten dürres Graß von einem Acker weggenommen, und damit im Fahr-Weg ein Creutz geschlagen. Weil nun der Hirte allda das Viehe gehütet, sey eine Kuh darüber gegangen, welche dann auf ebener Erde darnieder gefallen und ein Bein zerbrochen hätte: (jedoch hatten die Zeugen fol. 61. das Creutzschlagen nicht gesehen.) (2) wurde sie beschuldiget, daß sie Georg Gabriel Lützelbergern aus freyen Stücken zwey Bund Stroh in seinen Hoff geleget, nachdem aber Lützelberger solch Stroh den Schweinen untergestreuet, wären 17. Schweine nach einander gestorben. (3) Daß einsmahls Anno 98. schwartze Thiere, wie Katzen in Erhards Kuh-Stalle herum gelauffen, und gespielet. Als nun Erhards Weib nebst der Magd die Stallthüre aufgemacht, und aus dem Stalle gekommen, hätte Inquisitin vor der Stallthüre ge- Des andern casus erster actus.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/229
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/229>, abgerufen am 24.11.2024.