Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724.Privilegiis entstandene Gewohnheiten eben so viel gölten, als geschriebene Gesetze. Hiernächst thäte Scherzius jenen grosses Unrecht, wenn er sie beschuldigte, als wenn sie geleugnet hätten, daß die hohe Landes-Obrigkeit nicht solte Macht haben unehrliche Leute ehrlich zu machen, sondern sie hätten nur geleugnet, daß dergleichen begnadigte Leute könten zu Doctorn gemacht und andern Collegiis aufgedrungen werden / unter welchen beyden ein grosser Unterschied wäre. Vielmehr solten sich die Straßburgischen Juristen schämen, daß sie die ersten wären, die eine so schändliche Sache angerathen hätten; denn wenn sie nur ein eintziges Exempel hätten anführen können, daß anderswo oder vorher eines Schinders Sohn wäre promoviret oder in die Zahl rechtschaffener Medicorum aufgenommen worden, würden sie es unstreitig nicht vergessen haben anzuführen, und solchergestalt hätten sie besser gethan, wenn sie das Wienerische Consilium hätten unangepackt gelassen, zumahl da sie solches nicht mit mehrern Nachdruck refutiret, und bald anfangs eine Eheliche und Ehrliche Geburth mit einander confundiret hätten, unter welchen beyden doch ein grosser Unterschied wäre, indem z. E Leibeigene Kinder zwar ehelich aber nicht honoratiores, Ehrlich wären, wie allbereit dr. Beier in Tyrone p. 45. & 65. diesen Unterschied angemerck hätte, und Lehmann in der Speyerischen Chronick auch dahin inclinirte. Und ob wohl Scherzius leugnen wolte, daß die Scharffrichter und Schinder nicht levis notae macula laboritten, so hätten doch die meisten Juristen das Gegentheil behauptet, ja Frommann selbst de levs notae macula p 8. & passim bejahet, daß die Häscher levissima, die Scharffrichter leviori, und die Schinder oder Abdecker levi macula laborirten, und wäre diese Meynung in dem gemeinen Völcker Recht oder doch zum wenigsten in jure gentium moratiorum gegründet, wovon man ein mehrers bey Bodino de Rep. l. 3. c. 3. prope finem & l. 4. c 8. Lipsio ad Tacit. Ann. 2. c. 32. Frehero de Infamia lib. 3. c. 23. n. 2. & 13. finden würde. Die Schinder und Abdecker gehörten unter diejenigen, die nach Carpzovii stilo part. 2. Decis. 112. bey Verrichtung ihres Amts oder Handthierung mit unziemlichen Dingen umgiengen, und wären demnach die Scharffrichter ihrer Person wegen nicht infam, sondern weil sie die garstigen Dinge, als Schinden, Cloacen reumen u. s. w. umb schändlichen Gewinsts willen übernommen. Das stärckste Argument wieder die Schinders Söhne wäre dieses, daß in denen Poltcey-Ordnungen 1548. und 1577. artic. von Handwercks. Söhnen, unter denen daselbst gemeldeten Handwerckern der Privilegiis entstandene Gewohnheiten eben so viel gölten, als geschriebene Gesetze. Hiernächst thäte Scherzius jenen grosses Unrecht, wenn er sie beschuldigte, als wenn sie geleugnet hätten, daß die hohe Landes-Obrigkeit nicht solte Macht haben unehrliche Leute ehrlich zu machen, sondern sie hätten nur geleugnet, daß dergleichen begnadigte Leute könten zu Doctorn gemacht und andern Collegiis aufgedrungen werden / unter welchen beyden ein grosser Unterschied wäre. Vielmehr solten sich die Straßburgischen Juristen schämen, daß sie die ersten wären, die eine so schändliche Sache angerathen hätten; denn wenn sie nur ein eintziges Exempel hätten anführen können, daß anderswo oder vorher eines Schinders Sohn wäre promoviret oder in die Zahl rechtschaffener Medicorum aufgenommen worden, würden sie es unstreitig nicht vergessen haben anzuführen, und solchergestalt hätten sie besser gethan, wenn sie das Wienerische Consilium hätten unangepackt gelassen, zumahl da sie solches nicht mit mehrern Nachdruck refutiret, und bald anfangs eine Eheliche und Ehrliche Geburth mit einander confundiret hätten, unter welchen beyden doch ein grosser Unterschied wäre, indem z. E Leibeigene Kinder zwar ehelich aber nicht honoratiores, Ehrlich wären, wie allbereit dr. Beier in Tyrone p. 45. & 65. diesen Unterschied angemerck hätte, und Lehmann in der Speyerischen Chronick auch dahin inclinirte. Und ob wohl Scherzius leugnen wolte, daß die Scharffrichter und Schinder nicht levis notae macula laboritten, so hätten doch die meisten Juristen das Gegentheil behauptet, ja Frommann selbst de levs notae macula p 8. & passim bejahet, daß die Häscher levissima, die Scharffrichter leviori, und die Schinder oder Abdecker levi macula laborirten, und wäre diese Meynung in dem gemeinen Völcker Recht oder doch zum wenigsten in jure gentium moratiorum gegründet, wovon man ein mehrers bey Bodino de Rep. l. 3. c. 3. prope finem & l. 4. c 8. Lipsio ad Tacit. Ann. 2. c. 32. Frehero de Infamia lib. 3. c. 23. n. 2. & 13. finden würde. Die Schinder und Abdecker gehörten unter diejenigen, die nach Carpzovii stilo part. 2. Decis. 112. bey Verrichtung ihres Amts oder Handthierung mit unziemlichen Dingen umgiengen, und wären demnach die Scharffrichter ihrer Person wegen nicht infam, sondern weil sie die garstigen Dinge, als Schinden, Cloacen reumen u. s. w. umb schändlichen Gewinsts willen übernommen. Das stärckste Argument wieder die Schinders Söhne wäre dieses, daß in denen Poltcey-Ordnungen 1548. und 1577. artic. von Handwercks. Söhnen, unter denen daselbst gemeldeten Handwerckern der <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0195" n="189"/> Privilegiis entstandene Gewohnheiten eben so viel gölten, als geschriebene Gesetze. Hiernächst thäte Scherzius jenen grosses Unrecht, wenn er sie beschuldigte, als wenn sie geleugnet hätten, daß die hohe Landes-Obrigkeit nicht solte Macht haben unehrliche Leute ehrlich zu machen, sondern sie hätten nur geleugnet, daß dergleichen begnadigte Leute könten zu <hi rendition="#i">Doctorn</hi> gemacht und andern <hi rendition="#i">Collegiis</hi> aufgedrungen werden / unter welchen beyden ein grosser Unterschied wäre. Vielmehr solten sich die Straßburgischen Juristen schämen, daß sie die ersten wären, die eine so schändliche Sache angerathen hätten; denn wenn sie nur ein eintziges Exempel hätten anführen können, daß anderswo oder vorher eines Schinders Sohn wäre promoviret oder in die Zahl rechtschaffener Medicorum aufgenommen worden, würden sie es unstreitig nicht vergessen haben anzuführen, und solchergestalt hätten sie besser gethan, wenn sie das Wienerische Consilium hätten unangepackt gelassen, zumahl da sie solches nicht mit mehrern Nachdruck refutiret, und bald anfangs eine Eheliche und Ehrliche Geburth mit einander confundiret hätten, unter welchen beyden doch ein grosser Unterschied wäre, indem z. E Leibeigene Kinder zwar ehelich aber nicht honoratiores, Ehrlich wären, wie allbereit dr. Beier in Tyrone p. 45. & 65. diesen Unterschied angemerck hätte, und Lehmann in der Speyerischen Chronick auch dahin inclinirte. Und ob wohl Scherzius leugnen wolte, daß die Scharffrichter und Schinder nicht levis notae macula laboritten, so hätten doch die meisten Juristen das Gegentheil behauptet, ja Frommann selbst de levs notae macula p 8. & passim bejahet, daß die Häscher levissima, die Scharffrichter leviori, und die Schinder oder Abdecker levi macula laborirten, und wäre diese Meynung in dem gemeinen Völcker Recht oder doch zum wenigsten in jure gentium moratiorum gegründet, wovon man ein mehrers bey Bodino de Rep. l. 3. c. 3. prope finem & l. 4. c 8. Lipsio ad Tacit. Ann. 2. c. 32. Frehero de Infamia lib. 3. c. 23. n. 2. & 13. finden würde. Die Schinder und Abdecker gehörten unter diejenigen, die nach Carpzovii stilo part. 2. Decis. 112. bey Verrichtung ihres Amts oder Handthierung mit unziemlichen Dingen umgiengen, und wären demnach die Scharffrichter ihrer Person wegen nicht infam, sondern weil sie die garstigen Dinge, als Schinden, Cloacen reumen u. s. w. umb schändlichen Gewinsts willen übernommen. Das stärckste Argument wieder die Schinders Söhne wäre dieses, daß in denen Poltcey-Ordnungen 1548. und 1577. artic. von Handwercks. Söhnen, unter denen daselbst gemeldeten Handwerckern der </p> </div> </body> </text> </TEI> [189/0195]
Privilegiis entstandene Gewohnheiten eben so viel gölten, als geschriebene Gesetze. Hiernächst thäte Scherzius jenen grosses Unrecht, wenn er sie beschuldigte, als wenn sie geleugnet hätten, daß die hohe Landes-Obrigkeit nicht solte Macht haben unehrliche Leute ehrlich zu machen, sondern sie hätten nur geleugnet, daß dergleichen begnadigte Leute könten zu Doctorn gemacht und andern Collegiis aufgedrungen werden / unter welchen beyden ein grosser Unterschied wäre. Vielmehr solten sich die Straßburgischen Juristen schämen, daß sie die ersten wären, die eine so schändliche Sache angerathen hätten; denn wenn sie nur ein eintziges Exempel hätten anführen können, daß anderswo oder vorher eines Schinders Sohn wäre promoviret oder in die Zahl rechtschaffener Medicorum aufgenommen worden, würden sie es unstreitig nicht vergessen haben anzuführen, und solchergestalt hätten sie besser gethan, wenn sie das Wienerische Consilium hätten unangepackt gelassen, zumahl da sie solches nicht mit mehrern Nachdruck refutiret, und bald anfangs eine Eheliche und Ehrliche Geburth mit einander confundiret hätten, unter welchen beyden doch ein grosser Unterschied wäre, indem z. E Leibeigene Kinder zwar ehelich aber nicht honoratiores, Ehrlich wären, wie allbereit dr. Beier in Tyrone p. 45. & 65. diesen Unterschied angemerck hätte, und Lehmann in der Speyerischen Chronick auch dahin inclinirte. Und ob wohl Scherzius leugnen wolte, daß die Scharffrichter und Schinder nicht levis notae macula laboritten, so hätten doch die meisten Juristen das Gegentheil behauptet, ja Frommann selbst de levs notae macula p 8. & passim bejahet, daß die Häscher levissima, die Scharffrichter leviori, und die Schinder oder Abdecker levi macula laborirten, und wäre diese Meynung in dem gemeinen Völcker Recht oder doch zum wenigsten in jure gentium moratiorum gegründet, wovon man ein mehrers bey Bodino de Rep. l. 3. c. 3. prope finem & l. 4. c 8. Lipsio ad Tacit. Ann. 2. c. 32. Frehero de Infamia lib. 3. c. 23. n. 2. & 13. finden würde. Die Schinder und Abdecker gehörten unter diejenigen, die nach Carpzovii stilo part. 2. Decis. 112. bey Verrichtung ihres Amts oder Handthierung mit unziemlichen Dingen umgiengen, und wären demnach die Scharffrichter ihrer Person wegen nicht infam, sondern weil sie die garstigen Dinge, als Schinden, Cloacen reumen u. s. w. umb schändlichen Gewinsts willen übernommen. Das stärckste Argument wieder die Schinders Söhne wäre dieses, daß in denen Poltcey-Ordnungen 1548. und 1577. artic. von Handwercks. Söhnen, unter denen daselbst gemeldeten Handwerckern der
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Dritter Theil. Halle, 1724, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte03_1724/195>, abgerufen am 01.08.2024. |