Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.ben mögen, weil auf das Zuruffen der Weibes-Personen die Schüler von denen Hallorum mit geschlagen worden: so ist doch abermahls ex vulgatis fundamentis Juris bekant, daß (1) dieser Text mehr von denen zu verstehen, qui convocarunt homines als von denen convocatis hominibus selbst, und solchergestalt, würde der Text zwar wieder die Weibes-Personen, nicht aber wieder Christophen anzuführen seyn. (2) Muß man auch bey diesem crimine das Haupt-Absehen dahin richten, ob die convocatio geschehen, ut vis inferatur, welches abermahls von denen Weibs-Personen nicht gesaget werden kan; massen diese vielmehr die Hallorum gerufft, ut vis repellatur. Bey welcher Bewantnüß denn sehr wahrscheinlich, daß die Schüler denen Weibes-Personen entweder Unzucht mit Gewalt angemuthet, oder doch sonsten eine grosse Gewalt an ihnen verübet, weshalben auch vielmehr denen Schülern vis publica zu imputiren wäre. arg. l. 3. §. 4. D. de vi publ.Nec obstat, daß die Herren Scabini Lipsienses act. fol. 86. b.anführen, es wäre nicht glaublich, daß die Weibs-Personen von denen Schülern zu erst angefallen, und unzüchtig begriffen werden wollen, weil sie selbst nichts gerüget, noch bishero sich angegeben; denn es scheinet die Ursache derer Herren Scabinorum nicht schlüßig zu seyn, zumahl wenn man ex Actis betrachtet, daß diese Dirnen eben deshalber denen Schülern die Mäntel genommen, damit sie der zugefügten Gewalt wegen, sich selbsten Satisfaction verschaffen möchten, und nicht erst klagen, oder die Sache rügen dörfften, Vid. Georgens letzte Bekänntnüß f. 107. a. Die Weibs-Personen hätten zum Schülern gesagt: wir wollen das Zeugum Pfande behalten / darum daß ihr uns habt angegriffen / gehet hin und klaget / wir wollen uns so lange Zeit zu Passendorff aufhalten.Und warum solte dieses so unglaublich seyn, da doch (1) die Thäter erwachsene Schüler sind, und ex Jure bekant, was die Doctores, sonderlich diejenigen, die de privilegiis Scholarium geschrieben haben, insgemein de lascivia Scholarium zu annotiren pflegen, v. g. Quod scholaris quando est solus cum sola non praesumatur orare pater noster; Ingleichen, daß ein Haußwirth einem Scholari die Haußmiethe deßwegen nicht aufsagen könne, wenn er Huren auf die Stuben führe, weil er hätte praesumiren sollen, daß es die Scholares nicht anders zu machen pflegten. So ist auch der gemeine Vers nicht unbekant: Nox & amor vinumque nihil moderabile suadent; und ist ex Actis wohl zu mercken, daß (2) die Schüler truncken gewesen. ben mögen, weil auf das Zuruffen der Weibes-Personen die Schüler von denen Hallorum mit geschlagen worden: so ist doch abermahls ex vulgatis fundamentis Juris bekant, daß (1) dieser Text mehr von denen zu verstehen, qui convocarunt homines als von denen convocatis hominibus selbst, und solchergestalt, würde der Text zwar wieder die Weibes-Personen, nicht aber wieder Christophen anzuführen seyn. (2) Muß man auch bey diesem crimine das Haupt-Absehen dahin richten, ob die convocatio geschehen, ut vis inferatur, welches abermahls von denen Weibs-Personen nicht gesaget werden kan; massen diese vielmehr die Hallorum gerufft, ut vis repellatur. Bey welcher Bewantnüß denn sehr wahrscheinlich, daß die Schüler denen Weibes-Personen entweder Unzucht mit Gewalt angemuthet, oder doch sonsten eine grosse Gewalt an ihnen verübet, weshalben auch vielmehr denen Schülern vis publica zu imputiren wäre. arg. l. 3. §. 4. D. de vi publ.Nec obstat, daß die Herren Scabini Lipsienses act. fol. 86. b.anführen, es wäre nicht glaublich, daß die Weibs-Personen von denen Schülern zu erst angefallen, und unzüchtig begriffen werden wollen, weil sie selbst nichts gerüget, noch bishero sich angegeben; denn es scheinet die Ursache derer Herren Scabinorum nicht schlüßig zu seyn, zumahl wenn man ex Actis betrachtet, daß diese Dirnen eben deshalber denen Schülern die Mäntel genommen, damit sie der zugefügten Gewalt wegen, sich selbsten Satisfaction verschaffen möchten, und nicht erst klagen, oder die Sache rügen dörfften, Vid. Georgens letzte Bekänntnüß f. 107. a. Die Weibs-Personen hätten zum Schülern gesagt: wir wollen das Zeugum Pfande behalten / darum daß ihr uns habt angegriffen / gehet hin und klaget / wir wollen uns so lange Zeit zu Passendorff aufhalten.Und warum solte dieses so unglaublich seyn, da doch (1) die Thäter erwachsene Schüler sind, und ex Jure bekant, was die Doctores, sonderlich diejenigen, die de privilegiis Scholarium geschrieben haben, insgemein de lascivia Scholarium zu annotiren pflegen, v. g. Quod scholaris quando est solus cum sola non praesumatur orare pater noster; Ingleichen, daß ein Haußwirth einem Scholari die Haußmiethe deßwegen nicht aufsagen könne, wenn er Huren auf die Stuben führe, weil er hätte praesumiren sollen, daß es die Scholares nicht anders zu machen pflegten. So ist auch der gemeine Vers nicht unbekant: Nox & amor vinumque nihil moderabile suadent; und ist ex Actis wohl zu mercken, daß (2) die Schüler truncken gewesen. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0092" n="84"/> ben mögen, weil auf das Zuruffen der Weibes-Personen die Schüler von denen Hallorum mit geschlagen worden: so ist doch abermahls ex vulgatis fundamentis Juris bekant, daß (1) dieser Text mehr von denen zu verstehen, qui convocarunt homines als von denen convocatis hominibus selbst, und solchergestalt, würde der Text zwar wieder die Weibes-Personen, nicht aber wieder Christophen anzuführen seyn. (2) Muß man auch bey diesem crimine das Haupt-Absehen dahin richten, ob die convocatio geschehen, ut vis inferatur, welches abermahls von denen Weibs-Personen nicht gesaget werden kan; massen diese vielmehr die Hallorum gerufft, ut vis repellatur.</p> <l>Vide Buchners Aussage ad art. 7. f. 9. b. er hätte wohl gehöret / daß sie Hülffe / Hülffe gerussen / daß sie aber Christel geruffen / hätte er nicht gehöret. Confer eundem ad Art. 8. fol. 77. a. Ingleichen Georgens letzte Bekäntniß f 106. a. Sie hätten geschrien: Ach HErr JEsu CHrist / Kieren Christel helfft uns / sie bringen uns ums Leben.</l> <p>Bey welcher Bewantnüß denn sehr wahrscheinlich, daß die Schüler denen Weibes-Personen entweder Unzucht mit Gewalt angemuthet, oder doch sonsten eine grosse Gewalt an ihnen verübet, weshalben auch vielmehr denen Schülern vis publica zu imputiren wäre.</p> <l>arg. l. 3. §. 4. 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Die Weibs-Personen hätten zum Schülern gesagt: wir wollen das Zeugum Pfande behalten / darum daß ihr uns habt angegriffen / gehet hin und klaget / wir wollen uns so lange Zeit zu Passendorff aufhalten.</l> <p>Und warum solte dieses so unglaublich seyn, da doch (1) die Thäter erwachsene Schüler sind, und ex Jure bekant, was die Doctores, sonderlich diejenigen, die de privilegiis Scholarium geschrieben haben, insgemein de lascivia Scholarium zu annotiren pflegen, v. g. Quod scholaris quando est solus cum sola non praesumatur orare pater noster; Ingleichen, daß ein Haußwirth einem Scholari die Haußmiethe deßwegen nicht aufsagen könne, wenn er Huren auf die Stuben führe, weil er hätte praesumiren sollen, daß es die Scholares nicht anders zu machen pflegten. So ist auch der gemeine Vers nicht unbekant: Nox & amor vinumque nihil moderabile suadent; und ist ex Actis wohl zu mercken, daß (2) die Schüler truncken gewesen.</p> </div> </body> </text> </TEI> [84/0092]
ben mögen, weil auf das Zuruffen der Weibes-Personen die Schüler von denen Hallorum mit geschlagen worden: so ist doch abermahls ex vulgatis fundamentis Juris bekant, daß (1) dieser Text mehr von denen zu verstehen, qui convocarunt homines als von denen convocatis hominibus selbst, und solchergestalt, würde der Text zwar wieder die Weibes-Personen, nicht aber wieder Christophen anzuführen seyn. (2) Muß man auch bey diesem crimine das Haupt-Absehen dahin richten, ob die convocatio geschehen, ut vis inferatur, welches abermahls von denen Weibs-Personen nicht gesaget werden kan; massen diese vielmehr die Hallorum gerufft, ut vis repellatur.
Vide Buchners Aussage ad art. 7. f. 9. b. er hätte wohl gehöret / daß sie Hülffe / Hülffe gerussen / daß sie aber Christel geruffen / hätte er nicht gehöret. Confer eundem ad Art. 8. fol. 77. a. Ingleichen Georgens letzte Bekäntniß f 106. a. Sie hätten geschrien: Ach HErr JEsu CHrist / Kieren Christel helfft uns / sie bringen uns ums Leben. Bey welcher Bewantnüß denn sehr wahrscheinlich, daß die Schüler denen Weibes-Personen entweder Unzucht mit Gewalt angemuthet, oder doch sonsten eine grosse Gewalt an ihnen verübet, weshalben auch vielmehr denen Schülern vis publica zu imputiren wäre.
arg. l. 3. §. 4. D. de vi publ. Nec obstat, daß die Herren Scabini Lipsienses
act. fol. 86. b. anführen, es wäre nicht glaublich, daß die Weibs-Personen von denen Schülern zu erst angefallen, und unzüchtig begriffen werden wollen, weil sie selbst nichts gerüget, noch bishero sich angegeben; denn es scheinet die Ursache derer Herren Scabinorum nicht schlüßig zu seyn, zumahl wenn man ex Actis betrachtet, daß diese Dirnen eben deshalber denen Schülern die Mäntel genommen, damit sie der zugefügten Gewalt wegen, sich selbsten Satisfaction verschaffen möchten, und nicht erst klagen, oder die Sache rügen dörfften,
Vid. Georgens letzte Bekänntnüß f. 107. a. Die Weibs-Personen hätten zum Schülern gesagt: wir wollen das Zeugum Pfande behalten / darum daß ihr uns habt angegriffen / gehet hin und klaget / wir wollen uns so lange Zeit zu Passendorff aufhalten. Und warum solte dieses so unglaublich seyn, da doch (1) die Thäter erwachsene Schüler sind, und ex Jure bekant, was die Doctores, sonderlich diejenigen, die de privilegiis Scholarium geschrieben haben, insgemein de lascivia Scholarium zu annotiren pflegen, v. g. Quod scholaris quando est solus cum sola non praesumatur orare pater noster; Ingleichen, daß ein Haußwirth einem Scholari die Haußmiethe deßwegen nicht aufsagen könne, wenn er Huren auf die Stuben führe, weil er hätte praesumiren sollen, daß es die Scholares nicht anders zu machen pflegten. So ist auch der gemeine Vers nicht unbekant: Nox & amor vinumque nihil moderabile suadent; und ist ex Actis wohl zu mercken, daß (2) die Schüler truncken gewesen.
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