Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.parte sibi contrarius, mit diesem Anhange, daß dergleichen Zeugniß-deposition ad essectum torturae durchaus kein indicium mache. Quoad 2) aber ist in actis überall altum silentium und nirgend zu befinden, daß der Zeuge gründlich, am wenigsten durch angehengte Ursache, warum er diesen oder jenen Artickel wahr sagen könne, seine deposition gethan hätte. Nechstdem muß, wenn unius testis dictum ein indicium ad torturam operiren soll, nichts vorhanden seyn, welches pro reo militiret, Clasen. ad art. ord. Crim. 23. in sin. p. 129. & art. 30. p. 157.in actis aber findet sich, daß denselben Abend da die Rencontre vorgegangen, die Schüler einzig u. allein die Weibs-Persohnen, daß sie die Mäntel und Hüte ihnen genommen, inculpirt und mit keinem Wort des Christophs gedacht. Gestalt denn Hr. D. N. fol. 36. deponirt, daß er den 31. May a. c. bey seiner Rückreise von Schraplau nach der Stadt zu gesehen, daß der Holtzwächter Christian Friedrich mit 2. Schülern starck geredet, die er gefragt: was sie denn vorhätten? Darauf sie ihm geklagt, daß sie von 2. Weibsstücken geschlagen und ihnen die Mäntel und Hute genommen worden, wie denn solches auch Buchner der Holtzwächter ad art. defens. 20. & seq. mit Umständen eydlich confirmiret. Nun lässet sich dahero bald errathen, daß die Denuncianten nachhero, daß, wenn sie sich an die Weiber halten solten, ihnen diese, wegen des attendirten stupri violenti zuschaffen machen würden, wohl gesehen, und deßwegen lieber diese Unwahrheit mit dem Zeugen erdacht, als wenn Christoph den Weibern die Mäntel gegeben hätte, gleichwie auch der Zeuge auszusagen nicht vermocht, daß Inquisit die Denuncianten also übel geschlagen etc. daß sie blutrünstig worden, sondern nur fol. 9. b. deponiret daß das Schlagen untereinander gegangen, und die Weibs-Persohnen sowohl mit zugeschlagen, als die Hallorum, also ist wenn gleich das letztere geschehen wäre, welches doch Christoph sich nicht erinnert, und der Zeuge im Hingehen, weil die Action Abends nach 10. Uhr und da es finster gewesen, erfolgt, nicht wohl habe sehen können, dasselbe also nicht beschaffen, daß man ihm deshalben eine mündliche correction geben, geschweige zu einiger Straffe ziehen kan. Gestalt da die Schüler an statt dessen, daß sie zu Hause über denen Büchern sitzen, die Grammaticam ihnen bekannt machen und, einen lateinischen autorem expliciren lernen sollen, wie auch ihr getreuer comes und consiliarius der Holtzwächter ad art. 7, defens. nicht bergen kan, besoffen aus der Schencke (ein fein museum vor solche Kerl die Ruthe dafür ad posteriora s. v.) gekommen, die frembden aus der Stadt Halle gehende Weibs-Persohnen auf öffentlicher Strasse angefallen, sie hier und da begriffen, endlich gar niedergerissen, und wie sie mit Thränen berichtet, nothzüchtigen wollen, diese aber fol. 9. Art. 5. um Christi GOttes willen Hülffe erbärmlich geruffen, Inquisit und George jure naturae in sensa agente verpflichtet gewesen, hinzuzulauffen, dem bedrängeten Theil Hülffe zu leisten, es wieder parte sibi contrarius, mit diesem Anhange, daß dergleichen Zeugniß-deposition ad essectum torturae durchaus kein indicium mache. Quoad 2) aber ist in actis überall altum silentium und nirgend zu befinden, daß der Zeuge gründlich, am wenigsten durch angehengte Ursache, warum er diesen oder jenen Artickel wahr sagen könne, seine deposition gethan hätte. Nechstdem muß, wenn unius testis dictum ein indicium ad torturam operiren soll, nichts vorhanden seyn, welches pro reo militiret, Clasen. ad art. ord. Crim. 23. in sin. p. 129. & art. 30. p. 157.in actis aber findet sich, daß denselben Abend da die Rencontre vorgegangen, die Schüler einzig u. allein die Weibs-Persohnen, daß sie die Mäntel und Hüte ihnen genommen, inculpirt und mit keinem Wort des Christophs gedacht. Gestalt denn Hr. D. N. fol. 36. deponirt, daß er den 31. May a. c. bey seiner Rückreise von Schraplau nach der Stadt zu gesehen, daß der Holtzwächter Christian Friedrich mit 2. Schülern starck geredet, die er gefragt: was sie denn vorhätten? Darauf sie ihm geklagt, daß sie von 2. Weibsstücken geschlagen und ihnen die Mäntel und Hute genommen worden, wie denn solches auch Buchner der Holtzwächter ad art. defens. 20. & seq. mit Umständen eydlich confirmiret. Nun lässet sich dahero bald errathen, daß die Denuncianten nachhero, daß, wenn sie sich an die Weiber halten solten, ihnen diese, wegen des attendirten stupri violenti zuschaffen machen würden, wohl gesehen, und deßwegen lieber diese Unwahrheit mit dem Zeugen erdacht, als wenn Christoph den Weibern die Mäntel gegeben hätte, gleichwie auch der Zeuge auszusagen nicht vermocht, daß Inquisit die Denuncianten also übel geschlagen etc. daß sie blutrünstig worden, sondern nur fol. 9. b. deponiret daß das Schlagen untereinander gegangen, und die Weibs-Persohnen sowohl mit zugeschlagen, als die Hallorum, also ist wenn gleich das letztere geschehen wäre, welches doch Christoph sich nicht erinnert, und der Zeuge im Hingehen, weil die Action Abends nach 10. Uhr und da es finster gewesen, erfolgt, nicht wohl habe sehen können, dasselbe also nicht beschaffen, daß man ihm deshalben eine mündliche correction geben, geschweige zu einiger Straffe ziehen kan. Gestalt da die Schüler an statt dessen, daß sie zu Hause über denen Büchern sitzen, die Grammaticam ihnen bekannt machen und, einen lateinischen autorem expliciren lernen sollen, wie auch ihr getreuer comes und consiliarius der Holtzwächter ad art. 7, defens. nicht bergen kan, besoffen aus der Schencke (ein fein museum vor solche Kerl die Ruthe dafür ad posteriora s. v.) gekommen, die frembden aus der Stadt Halle gehende Weibs-Persohnen auf öffentlicher Strasse angefallen, sie hier und da begriffen, endlich gar niedergerissen, und wie sie mit Thränen berichtet, nothzüchtigen wollen, diese aber fol. 9. Art. 5. um Christi GOttes willen Hülffe erbärmlich geruffen, Inquisit und George jure naturae in sensa agente verpflichtet gewesen, hinzuzulauffen, dem bedrängeten Theil Hülffe zu leisten, es wieder <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0066" n="58"/> parte sibi contrarius, mit diesem Anhange, daß dergleichen Zeugniß-deposition ad essectum torturae durchaus kein indicium mache.</p> <p>Quoad 2) aber ist in actis überall altum silentium und nirgend zu befinden, daß der Zeuge gründlich, am wenigsten durch angehengte Ursache, warum er diesen oder jenen Artickel wahr sagen könne, seine deposition gethan hätte. Nechstdem muß, wenn unius testis dictum ein indicium ad torturam operiren soll, nichts vorhanden seyn, welches pro reo militiret,</p> <l>Clasen. ad art. ord. 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Nun lässet sich dahero bald errathen, daß die Denuncianten nachhero, daß, wenn sie sich an die Weiber halten solten, ihnen diese, wegen des attendirten stupri violenti zuschaffen machen würden, wohl gesehen, und deßwegen lieber diese Unwahrheit mit dem Zeugen erdacht, als wenn Christoph den Weibern die Mäntel gegeben hätte, gleichwie auch der Zeuge auszusagen nicht vermocht, daß Inquisit die Denuncianten also übel geschlagen etc. daß sie blutrünstig worden, sondern nur fol. 9. b. deponiret daß das Schlagen untereinander gegangen, und die Weibs-Persohnen sowohl mit zugeschlagen, als die Hallorum, also ist wenn gleich das letztere geschehen wäre, welches doch Christoph sich nicht erinnert, und der Zeuge im Hingehen, weil die Action Abends nach 10. Uhr und da es finster gewesen, erfolgt, nicht wohl habe sehen können, dasselbe also nicht beschaffen, daß man ihm deshalben eine mündliche correction geben, geschweige zu einiger Straffe ziehen kan. Gestalt da die Schüler an statt dessen, daß sie zu Hause über denen Büchern sitzen, die Grammaticam ihnen bekannt machen und, einen lateinischen autorem expliciren lernen sollen, wie auch ihr getreuer comes und consiliarius der Holtzwächter ad art. 7, defens. nicht bergen kan, besoffen aus der Schencke (ein fein museum vor solche Kerl die Ruthe dafür ad posteriora s. v.) gekommen, die frembden aus der Stadt Halle gehende Weibs-Persohnen auf öffentlicher Strasse angefallen, sie hier und da begriffen, endlich gar niedergerissen, und wie sie mit Thränen berichtet, nothzüchtigen wollen, diese aber fol. 9. Art. 5. um Christi GOttes willen Hülffe erbärmlich geruffen, Inquisit und George jure naturae in sensa agente verpflichtet gewesen, hinzuzulauffen, dem bedrängeten Theil Hülffe zu leisten, es wieder </p> </div> </body> </text> </TEI> [58/0066]
parte sibi contrarius, mit diesem Anhange, daß dergleichen Zeugniß-deposition ad essectum torturae durchaus kein indicium mache.
Quoad 2) aber ist in actis überall altum silentium und nirgend zu befinden, daß der Zeuge gründlich, am wenigsten durch angehengte Ursache, warum er diesen oder jenen Artickel wahr sagen könne, seine deposition gethan hätte. Nechstdem muß, wenn unius testis dictum ein indicium ad torturam operiren soll, nichts vorhanden seyn, welches pro reo militiret,
Clasen. ad art. ord. Crim. 23. in sin. p. 129. & art. 30. p. 157. in actis aber findet sich, daß denselben Abend da die Rencontre vorgegangen, die Schüler einzig u. allein die Weibs-Persohnen, daß sie die Mäntel und Hüte ihnen genommen, inculpirt und mit keinem Wort des Christophs gedacht. Gestalt denn Hr. D. N. fol. 36. deponirt, daß er den 31. May a. c. bey seiner Rückreise von Schraplau nach der Stadt zu gesehen, daß der Holtzwächter Christian Friedrich mit 2. Schülern starck geredet, die er gefragt: was sie denn vorhätten? Darauf sie ihm geklagt, daß sie von 2. Weibsstücken geschlagen und ihnen die Mäntel und Hute genommen worden, wie denn solches auch Buchner der Holtzwächter ad art. defens. 20. & seq. mit Umständen eydlich confirmiret. Nun lässet sich dahero bald errathen, daß die Denuncianten nachhero, daß, wenn sie sich an die Weiber halten solten, ihnen diese, wegen des attendirten stupri violenti zuschaffen machen würden, wohl gesehen, und deßwegen lieber diese Unwahrheit mit dem Zeugen erdacht, als wenn Christoph den Weibern die Mäntel gegeben hätte, gleichwie auch der Zeuge auszusagen nicht vermocht, daß Inquisit die Denuncianten also übel geschlagen etc. daß sie blutrünstig worden, sondern nur fol. 9. b. deponiret daß das Schlagen untereinander gegangen, und die Weibs-Persohnen sowohl mit zugeschlagen, als die Hallorum, also ist wenn gleich das letztere geschehen wäre, welches doch Christoph sich nicht erinnert, und der Zeuge im Hingehen, weil die Action Abends nach 10. Uhr und da es finster gewesen, erfolgt, nicht wohl habe sehen können, dasselbe also nicht beschaffen, daß man ihm deshalben eine mündliche correction geben, geschweige zu einiger Straffe ziehen kan. Gestalt da die Schüler an statt dessen, daß sie zu Hause über denen Büchern sitzen, die Grammaticam ihnen bekannt machen und, einen lateinischen autorem expliciren lernen sollen, wie auch ihr getreuer comes und consiliarius der Holtzwächter ad art. 7, defens. nicht bergen kan, besoffen aus der Schencke (ein fein museum vor solche Kerl die Ruthe dafür ad posteriora s. v.) gekommen, die frembden aus der Stadt Halle gehende Weibs-Persohnen auf öffentlicher Strasse angefallen, sie hier und da begriffen, endlich gar niedergerissen, und wie sie mit Thränen berichtet, nothzüchtigen wollen, diese aber fol. 9. Art. 5. um Christi GOttes willen Hülffe erbärmlich geruffen, Inquisit und George jure naturae in sensa agente verpflichtet gewesen, hinzuzulauffen, dem bedrängeten Theil Hülffe zu leisten, es wieder
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/66>, abgerufen am 17.07.2024. |