Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.Christenheit ziemlich gestanden, und hat die weltliche Obrigkeit ihr Amt circa sacra mit Ruhe verrichtet, und sich occasione sacrorum keiner Unruhe und Unterdrückung zu besorgen gehabt, wie aber der Römische Patriarche mit vielen artificiis durchgedrungen, und ihm mit Gewalt nebst dem Obersitz auch die Inspection und dominat über die andern angemasset, wozu ihm anfangs etliche Kayser gantz imprudenter und zu des gantzen Reichs ihres und ihrer Successoren höchsten Schaden geholffen, da ist das grösseste Elend daraus entstanden. §. XVII. Die gantze Christliche Kirche, welche biß anhero in Einigkeit gestanden, hat sich getrennet, wozu diß die einige Ursach gewesen, sintemahl was der Römische dem Kayser wegen der Griechen ihres erroris de processione Spiritus S. item nachgehends wegen des Acacii Episcopi Constantinopolitani und sonsten vorgewendet, sind nur blosse praetextus und Schein Ursachen solches Schismatis gewesen, womit der Römische seinen Ehrgeitz behauptet, und rühret dahero das noch diese Stunde greuliche Schisma, & divisio inter Ecclesiam occidentalem & orientalem. Im weltlichen Regiment hat unter andern Ursachen auch dieser Ehrgeitz des Pfaffen, oder Patriarchen zu Rom das gantze Römische Reich in zwey Theil gerissen, deren eins der Römische, das ander der Constantinopolitanische Kayser regieret, es ist der Haß der Unterthanen unter den beyden Kaysern, auch der Kayser selbst so groß gewesen, daß keiner den andern auch in seinen Nöthen beyspringen wollen, woraus endlich kommen, daß der Türcke daher occasion zum Kriege gegen den Griechischen Kayser gesuchet. Wie derselbe von dem Römischen ex toto occidente verlassen, ist endlich dieses gantze herrliche Kayserthum, und die gantze orientalische Kirche, (welche dennoch teste P. Bellonio in Menge der Christen, und größten allerheiligsten Provintzien die Ecclesiam latinam und imperium occidentis weit übertroffen) in des Türcken Hände gerathen, welcher von dar aus nicht weniger Provintzien von dem alten occidentalischen Imperio und der Ecclesia latina schon invadirt hat, und noch täglich sich mehr nähert. Und kan man nicht wissen, was GOtt noch mehr über die Provintzien der Lateinischen Kirchen verhängen möchte. Dieses überaus grosse Unglück, welches biß ans Ende der Welt nicht genug mit Thränen zu beweinen, ist nechst GOttes Verhängniß guten Theils daraus entstanden, daß die weltlichen Potentaten nicht mit Ernst dahin gesehen, damit die Christenheit ziemlich gestanden, und hat die weltliche Obrigkeit ihr Amt circa sacra mit Ruhe verrichtet, und sich occasione sacrorum keiner Unruhe und Unterdrückung zu besorgen gehabt, wie aber der Römische Patriarche mit vielen artificiis durchgedrungen, und ihm mit Gewalt nebst dem Obersitz auch die Inspection und dominat über die andern angemasset, wozu ihm anfangs etliche Kayser gantz imprudenter und zu des gantzen Reichs ihres und ihrer Successoren höchsten Schaden geholffen, da ist das grösseste Elend daraus entstanden. §. XVII. Die gantze Christliche Kirche, welche biß anhero in Einigkeit gestanden, hat sich getrennet, wozu diß die einige Ursach gewesen, sintemahl was der Römische dem Kayser wegen der Griechen ihres erroris de processione Spiritus S. item nachgehends wegen des Acacii Episcopi Constantinopolitani und sonsten vorgewendet, sind nur blosse praetextus und Schein Ursachen solches Schismatis gewesen, womit der Römische seinen Ehrgeitz behauptet, und rühret dahero das noch diese Stunde greuliche Schisma, & divisio inter Ecclesiam occidentalem & orientalem. Im weltlichen Regiment hat unter andern Ursachen auch dieser Ehrgeitz des Pfaffen, oder Patriarchen zu Rom das gantze Römische Reich in zwey Theil gerissen, deren eins der Römische, das ander der Constantinopolitanische Kayser regieret, es ist der Haß der Unterthanen unter den beyden Kaysern, auch der Kayser selbst so groß gewesen, daß keiner den andern auch in seinen Nöthen beyspringen wollen, woraus endlich kommen, daß der Türcke daher occasion zum Kriege gegen den Griechischen Kayser gesuchet. Wie derselbe von dem Römischen ex toto occidente verlassen, ist endlich dieses gantze herrliche Kayserthum, und die gantze orientalische Kirche, (welche dennoch teste P. Bellonio in Menge der Christen, und größten allerheiligsten Provintzien die Ecclesiam latinam und imperium occidentis weit übertroffen) in des Türcken Hände gerathen, welcher von dar aus nicht weniger Provintzien von dem alten occidentalischen Imperio und der Ecclesia latina schon invadirt hat, und noch täglich sich mehr nähert. Und kan man nicht wissen, was GOtt noch mehr über die Provintzien der Lateinischen Kirchen verhängen möchte. Dieses überaus grosse Unglück, welches biß ans Ende der Welt nicht genug mit Thränen zu beweinen, ist nechst GOttes Verhängniß guten Theils daraus entstanden, daß die weltlichen Potentaten nicht mit Ernst dahin gesehen, damit die <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0362" n="354"/> Christenheit ziemlich gestanden, und hat die weltliche Obrigkeit ihr Amt circa sacra mit Ruhe verrichtet, und sich occasione sacrorum keiner Unruhe und Unterdrückung zu besorgen gehabt, wie aber der Römische Patriarche mit vielen artificiis durchgedrungen, und ihm mit Gewalt nebst dem Obersitz auch die Inspection und dominat über die andern angemasset, wozu ihm anfangs etliche Kayser gantz imprudenter und zu des gantzen Reichs ihres und ihrer Successoren höchsten Schaden geholffen, da ist das grösseste Elend daraus entstanden.</p> <note place="left">Was die weltliche Obrigkeit dadurch für Schaden gelitten als der Papst die andern Patriarchen ausgebissen.</note> <p>§. XVII. Die gantze Christliche Kirche, welche biß anhero in Einigkeit gestanden, hat sich getrennet, wozu diß die einige Ursach gewesen, sintemahl was der Römische dem Kayser wegen der Griechen ihres erroris de processione Spiritus S. item nachgehends wegen des Acacii Episcopi Constantinopolitani und sonsten vorgewendet, sind nur blosse praetextus und Schein Ursachen solches Schismatis gewesen, womit der Römische seinen Ehrgeitz behauptet, und rühret dahero das noch diese Stunde greuliche Schisma, & divisio inter Ecclesiam occidentalem & orientalem. Im weltlichen Regiment hat unter andern Ursachen auch dieser Ehrgeitz des Pfaffen, oder Patriarchen zu Rom das gantze Römische Reich in zwey Theil gerissen, deren eins der Römische, das ander der Constantinopolitanische Kayser regieret, es ist der Haß der Unterthanen unter den beyden Kaysern, auch der Kayser selbst so groß gewesen, daß keiner den andern auch in seinen Nöthen beyspringen wollen, woraus endlich kommen, daß der Türcke daher occasion zum Kriege gegen den Griechischen Kayser gesuchet. Wie derselbe von dem Römischen ex toto occidente verlassen, ist endlich dieses gantze herrliche Kayserthum, und die gantze orientalische Kirche, (welche dennoch teste P. Bellonio in Menge der Christen, und größten allerheiligsten Provintzien die Ecclesiam latinam und imperium occidentis weit übertroffen) in des Türcken Hände gerathen, welcher von dar aus nicht weniger Provintzien von dem alten occidentalischen Imperio und der Ecclesia latina schon invadirt hat, und noch täglich sich mehr nähert. Und kan man nicht wissen, was GOtt noch mehr über die Provintzien der Lateinischen Kirchen verhängen möchte. Dieses überaus grosse Unglück, welches biß ans Ende der Welt nicht genug mit Thränen zu beweinen, ist nechst GOttes Verhängniß guten Theils daraus entstanden, daß die weltlichen Potentaten nicht mit Ernst dahin gesehen, damit die </p> </div> </body> </text> </TEI> [354/0362]
Christenheit ziemlich gestanden, und hat die weltliche Obrigkeit ihr Amt circa sacra mit Ruhe verrichtet, und sich occasione sacrorum keiner Unruhe und Unterdrückung zu besorgen gehabt, wie aber der Römische Patriarche mit vielen artificiis durchgedrungen, und ihm mit Gewalt nebst dem Obersitz auch die Inspection und dominat über die andern angemasset, wozu ihm anfangs etliche Kayser gantz imprudenter und zu des gantzen Reichs ihres und ihrer Successoren höchsten Schaden geholffen, da ist das grösseste Elend daraus entstanden.
§. XVII. Die gantze Christliche Kirche, welche biß anhero in Einigkeit gestanden, hat sich getrennet, wozu diß die einige Ursach gewesen, sintemahl was der Römische dem Kayser wegen der Griechen ihres erroris de processione Spiritus S. item nachgehends wegen des Acacii Episcopi Constantinopolitani und sonsten vorgewendet, sind nur blosse praetextus und Schein Ursachen solches Schismatis gewesen, womit der Römische seinen Ehrgeitz behauptet, und rühret dahero das noch diese Stunde greuliche Schisma, & divisio inter Ecclesiam occidentalem & orientalem. Im weltlichen Regiment hat unter andern Ursachen auch dieser Ehrgeitz des Pfaffen, oder Patriarchen zu Rom das gantze Römische Reich in zwey Theil gerissen, deren eins der Römische, das ander der Constantinopolitanische Kayser regieret, es ist der Haß der Unterthanen unter den beyden Kaysern, auch der Kayser selbst so groß gewesen, daß keiner den andern auch in seinen Nöthen beyspringen wollen, woraus endlich kommen, daß der Türcke daher occasion zum Kriege gegen den Griechischen Kayser gesuchet. Wie derselbe von dem Römischen ex toto occidente verlassen, ist endlich dieses gantze herrliche Kayserthum, und die gantze orientalische Kirche, (welche dennoch teste P. Bellonio in Menge der Christen, und größten allerheiligsten Provintzien die Ecclesiam latinam und imperium occidentis weit übertroffen) in des Türcken Hände gerathen, welcher von dar aus nicht weniger Provintzien von dem alten occidentalischen Imperio und der Ecclesia latina schon invadirt hat, und noch täglich sich mehr nähert. Und kan man nicht wissen, was GOtt noch mehr über die Provintzien der Lateinischen Kirchen verhängen möchte. Dieses überaus grosse Unglück, welches biß ans Ende der Welt nicht genug mit Thränen zu beweinen, ist nechst GOttes Verhängniß guten Theils daraus entstanden, daß die weltlichen Potentaten nicht mit Ernst dahin gesehen, damit die
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