Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.lich in das Bette, legte den Kopff auf das Haupt-Küssen, und nachdem er das Ober-Bette hinauf gezogen, und sich biß an den Hals, wie es seyn soll, zugedecket, ruhte er sanfft und stille. Nach einer kurtzen Zeit kamen die Mägde in dieses Schlaff-Gemach der Verstorbenen, solches zu reinigen, als sie aber den Affen so stille liegen sahen, der wohl gar schlieffe, haben sie nicht anders gedacht, als es wäre diejenige, dessen Bild und Kleider sie vor Augen sahen, nemlich ihre Frau, so erst vor zwey Tagen gestorben, erschracken demnach auf das hefftigste, lieffen zurücke, und stürtzten sich mit einem Weibischen Geheule in das Unterhauß, sagende, sie hätten mit ihren eigenen Augen die Frau in ihren Kleidern und auf ihre Art auf dem Bett liegen gesehen, sie hätten das Hertze nicht wieder umzukehren und näher hinzu zu treten, andere, die behertzter und kühner wären, möchten hingehen, da würde sichs befinden, daß sie die Wahrheit geredet. Unterdessen kommt der Sohn Anshelmus von dem Leich-Begängniß und aus der Kirchen nebst seinem Bruder Asdrubal, wie auch den nächsten Bluts-Freunden und Schwägern wieder heim: welche, als sie von den Mägden vernehmen, was vor ein Ungeheuer droben im Bette erschiene, sich nicht unbillig darüber entsatzten, die Stiegen mit einander hinauf und in gemeldte Kammer giengen. Ob sie nun gleich destoweniger Scheu trugen, weil ihr viele hinauf stiegen, wurden sie doch bald nach Erblickung des Abentheurs besturtzt, sahen einander stillschweigends an / wichen mit Furcht und Zittern zurücke, stiegen geschwinde wieder herab, und schickten eilends nach dem Seelsorger. Dieser, der für gar gottesfürchtig gehalten ward, nachdem er die Ursach seiner Beruffung verstanden, wirfft alsobald seinen Stollen, Chorhembd und andern Ornat geschwind an, und befiehlet zweyen Clericis, daß sie in gleichem Priesterlichen Schmuck sollen voran gehen: deren einer das güldene Creutz, der andere den Kessel mit Weihwasser trug: Er selbst aber den Weih-Qvast in Händen haltend, besprengte alle Leute so ihm begegneten und betete. So bald dieser fromme Priester den Fuß ins Klaghauß gesetzt, wurden die darinnen hertzlich froh, liessen die Furcht nunmehro schwinden, in Hoffnung, sie solten des Geistes bald entlediget werden. Der Geistliche selbst sprach beyden gottseeligen Gebrüdern einen guten Muth ein, sagte, er wisse, wie devot und gottesfürchtig ihre fromme Mutter jederzeit gewesen, ihnen werde kein Leid wiederfahren: Es pflege wol zuweilen der listige Satan durch natürliche Mittel eine betrügliche Blendung zu machen, es solle diß Gespenst mit Beschwerung und andern Kirchen Gewehr schon vertrieben werden. Hiemit stiegen die Geistliche die Treppe hinauf, und verfügten sich in die lich in das Bette, legte den Kopff auf das Haupt-Küssen, und nachdem er das Ober-Bette hinauf gezogen, und sich biß an den Hals, wie es seyn soll, zugedecket, ruhte er sanfft und stille. Nach einer kurtzen Zeit kamen die Mägde in dieses Schlaff-Gemach der Verstorbenen, solches zu reinigen, als sie aber den Affen so stille liegen sahen, der wohl gar schlieffe, haben sie nicht anders gedacht, als es wäre diejenige, dessen Bild und Kleider sie vor Augen sahen, nemlich ihre Frau, so erst vor zwey Tagen gestorben, erschracken demnach auf das hefftigste, lieffen zurücke, und stürtzten sich mit einem Weibischen Geheule in das Unterhauß, sagende, sie hätten mit ihren eigenen Augen die Frau in ihren Kleidern und auf ihre Art auf dem Bett liegen gesehen, sie hätten das Hertze nicht wieder umzukehren und näher hinzu zu treten, andere, die behertzter und kühner wären, möchten hingehen, da würde sichs befinden, daß sie die Wahrheit geredet. Unterdessen kommt der Sohn Anshelmus von dem Leich-Begängniß und aus der Kirchen nebst seinem Bruder Asdrubal, wie auch den nächsten Bluts-Freunden und Schwägern wieder heim: welche, als sie von den Mägden vernehmen, was vor ein Ungeheuer droben im Bette erschiene, sich nicht unbillig darüber entsatzten, die Stiegen mit einander hinauf und in gemeldte Kammer giengen. Ob sie nun gleich destoweniger Scheu trugen, weil ihr viele hinauf stiegen, wurden sie doch bald nach Erblickung des Abentheurs besturtzt, sahen einander stillschweigends an / wichen mit Furcht und Zittern zurücke, stiegen geschwinde wieder herab, und schickten eilends nach dem Seelsorger. Dieser, der für gar gottesfürchtig gehalten ward, nachdem er die Ursach seiner Beruffung verstanden, wirfft alsobald seinen Stollen, Chorhembd und andern Ornat geschwind an, und befiehlet zweyen Clericis, daß sie in gleichem Priesterlichen Schmuck sollen voran gehen: deren einer das güldene Creutz, der andere den Kessel mit Weihwasser trug: Er selbst aber den Weih-Qvast in Händen haltend, besprengte alle Leute so ihm begegneten und betete. So bald dieser fromme Priester den Fuß ins Klaghauß gesetzt, wurden die darinnen hertzlich froh, liessen die Furcht nunmehro schwinden, in Hoffnung, sie solten des Geistes bald entlediget werden. Der Geistliche selbst sprach beyden gottseeligen Gebrüdern einen guten Muth ein, sagte, er wisse, wie devot und gottesfürchtig ihre fromme Mutter jederzeit gewesen, ihnen werde kein Leid wiederfahren: Es pflege wol zuweilen der listige Satan durch natürliche Mittel eine betrügliche Blendung zu machen, es solle diß Gespenst mit Beschwerung und andern Kirchen Gewehr schon vertrieben werden. Hiemit stiegen die Geistliche die Treppe hinauf, und verfügten sich in die <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0345" n="337"/> lich in das Bette, legte den Kopff auf das Haupt-Küssen, und nachdem er das Ober-Bette hinauf gezogen, und sich biß an den Hals, wie es seyn soll, zugedecket, ruhte er sanfft und stille. Nach einer kurtzen Zeit kamen die Mägde in dieses Schlaff-Gemach der Verstorbenen, solches zu reinigen, als sie aber den Affen so stille liegen sahen, der wohl gar schlieffe, haben sie nicht anders gedacht, als es wäre diejenige, dessen Bild und Kleider sie vor Augen sahen, nemlich ihre Frau, so erst vor zwey Tagen gestorben, erschracken demnach auf das hefftigste, lieffen zurücke, und stürtzten sich mit einem Weibischen Geheule in das Unterhauß, sagende, sie hätten mit ihren eigenen Augen die Frau in ihren Kleidern und auf ihre Art auf dem Bett liegen gesehen, sie hätten das Hertze nicht wieder umzukehren und näher hinzu zu treten, andere, die behertzter und kühner wären, möchten hingehen, da würde sichs befinden, daß sie die Wahrheit geredet. Unterdessen kommt der Sohn Anshelmus von dem Leich-Begängniß und aus der Kirchen nebst seinem Bruder Asdrubal, wie auch den nächsten Bluts-Freunden und Schwägern wieder heim: welche, als sie von den Mägden vernehmen, was vor ein Ungeheuer droben im Bette erschiene, sich nicht unbillig darüber entsatzten, die Stiegen mit einander hinauf und in gemeldte Kammer giengen. Ob sie nun gleich destoweniger Scheu trugen, weil ihr viele hinauf stiegen, wurden sie doch bald nach Erblickung des Abentheurs besturtzt, sahen einander stillschweigends an / wichen mit Furcht und Zittern zurücke, stiegen geschwinde wieder herab, und schickten eilends nach dem Seelsorger. Dieser, der für gar gottesfürchtig gehalten ward, nachdem er die Ursach seiner Beruffung verstanden, wirfft alsobald seinen Stollen, Chorhembd und andern Ornat geschwind an, und befiehlet zweyen Clericis, daß sie in gleichem Priesterlichen Schmuck sollen voran gehen: deren einer das güldene Creutz, der andere den Kessel mit Weihwasser trug: Er selbst aber den Weih-Qvast in Händen haltend, besprengte alle Leute so ihm begegneten und betete. So bald dieser fromme Priester den Fuß ins Klaghauß gesetzt, wurden die darinnen hertzlich froh, liessen die Furcht nunmehro schwinden, in Hoffnung, sie solten des Geistes bald entlediget werden. Der Geistliche selbst sprach beyden gottseeligen Gebrüdern einen guten Muth ein, sagte, er wisse, wie devot und gottesfürchtig ihre fromme Mutter jederzeit gewesen, ihnen werde kein Leid wiederfahren: Es pflege wol zuweilen der listige Satan durch natürliche Mittel eine betrügliche Blendung zu machen, es solle diß Gespenst mit Beschwerung und andern Kirchen Gewehr schon vertrieben werden. Hiemit stiegen die Geistliche die Treppe hinauf, und verfügten sich in die </p> </div> </body> </text> </TEI> [337/0345]
lich in das Bette, legte den Kopff auf das Haupt-Küssen, und nachdem er das Ober-Bette hinauf gezogen, und sich biß an den Hals, wie es seyn soll, zugedecket, ruhte er sanfft und stille. Nach einer kurtzen Zeit kamen die Mägde in dieses Schlaff-Gemach der Verstorbenen, solches zu reinigen, als sie aber den Affen so stille liegen sahen, der wohl gar schlieffe, haben sie nicht anders gedacht, als es wäre diejenige, dessen Bild und Kleider sie vor Augen sahen, nemlich ihre Frau, so erst vor zwey Tagen gestorben, erschracken demnach auf das hefftigste, lieffen zurücke, und stürtzten sich mit einem Weibischen Geheule in das Unterhauß, sagende, sie hätten mit ihren eigenen Augen die Frau in ihren Kleidern und auf ihre Art auf dem Bett liegen gesehen, sie hätten das Hertze nicht wieder umzukehren und näher hinzu zu treten, andere, die behertzter und kühner wären, möchten hingehen, da würde sichs befinden, daß sie die Wahrheit geredet. Unterdessen kommt der Sohn Anshelmus von dem Leich-Begängniß und aus der Kirchen nebst seinem Bruder Asdrubal, wie auch den nächsten Bluts-Freunden und Schwägern wieder heim: welche, als sie von den Mägden vernehmen, was vor ein Ungeheuer droben im Bette erschiene, sich nicht unbillig darüber entsatzten, die Stiegen mit einander hinauf und in gemeldte Kammer giengen. Ob sie nun gleich destoweniger Scheu trugen, weil ihr viele hinauf stiegen, wurden sie doch bald nach Erblickung des Abentheurs besturtzt, sahen einander stillschweigends an / wichen mit Furcht und Zittern zurücke, stiegen geschwinde wieder herab, und schickten eilends nach dem Seelsorger. Dieser, der für gar gottesfürchtig gehalten ward, nachdem er die Ursach seiner Beruffung verstanden, wirfft alsobald seinen Stollen, Chorhembd und andern Ornat geschwind an, und befiehlet zweyen Clericis, daß sie in gleichem Priesterlichen Schmuck sollen voran gehen: deren einer das güldene Creutz, der andere den Kessel mit Weihwasser trug: Er selbst aber den Weih-Qvast in Händen haltend, besprengte alle Leute so ihm begegneten und betete. So bald dieser fromme Priester den Fuß ins Klaghauß gesetzt, wurden die darinnen hertzlich froh, liessen die Furcht nunmehro schwinden, in Hoffnung, sie solten des Geistes bald entlediget werden. Der Geistliche selbst sprach beyden gottseeligen Gebrüdern einen guten Muth ein, sagte, er wisse, wie devot und gottesfürchtig ihre fromme Mutter jederzeit gewesen, ihnen werde kein Leid wiederfahren: Es pflege wol zuweilen der listige Satan durch natürliche Mittel eine betrügliche Blendung zu machen, es solle diß Gespenst mit Beschwerung und andern Kirchen Gewehr schon vertrieben werden. Hiemit stiegen die Geistliche die Treppe hinauf, und verfügten sich in die
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/345>, abgerufen am 16.02.2025. |