Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.positivae sind, dergleichen ich per dicta ad quaestionem primam die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester halte, ist einem Prediger so wenig als andern verboten, aus vernünfftigen Ursachen wie in andern legibus positivis also auch hier eine dispensation zu suchen. Ja es ist 3) in gegenwärtigem casu die gesuchte dispensation nicht alleine Tertie. für erlaubt, sondern auch auf gewisse Masse für wohlgethan zu achten, weil aus der Kirchen-Historie nicht unschwer dargethan werden kan, daß die hypothesis, quod personae vel gradus Levit. 18. prohibiti ad legem moralem & universalem pertineant, ante reformationem a Clero Pontificio deßhalb in Schulen angeführet worden, daß die weltliche Obrigkeit desto füglicher von dem Pabst unter dem Joche gehalten werden könte, wenn man ihnen glauben machte, daß sie ohne des Papstes dispensation, (als welcher in dergleichen, sonderlich aber in gegenwärtigem Fall von des verstorbenen Weibes Schwester gar vielfältig dispensiret hat) dergleichen Heyrathen nicht vollziehen dürfften, sondern, daß der Papst befugt sey, diejenigen Fürsten, die es für sich thäten, mit dem Kirchen-Bann zu belegen. Daß aber dergleichen reliquiae Politicae Clericalis in Papatu auch auf protestirenden Universitäten nachhero dociret worden, ist nicht so wohl denen Herren Theologis als vitio seculi & neglectui doctrinae moralis & Juris naturae zuzuschreiben, und ist dannenhero nicht undienlich, daß einmahl auch ein Lutherischer Prediger ipso suo facto weiset, daß dergleichen bißhero übliche doctrinen bey immer mehr und mehr zunehmenden Licht der Wahrheit, nunmehro zu verdunckeln anfangen, wie etwan das Exempel Lutheri und anderer Theologorum bey Anfang der reformation da sie auch wohl gewesene Nonnen zu Weibern nahmen, viel gefruchtet, daß die irrigen doctrinen von verbotener Priester- und Nonnen Ehe bald verschwunden; obgleich aus der Historie der Reformation bekannt ist, daß bey Anfang dergleichen Exempel sich ihrer viel drüber sehr geärgert und gefürchtet haben, was für böse consequentien daraus entstehen würden. Auf die vierdte und letzte Frage ist dieses meine Meynung, daßBehutsame Beantwortung der vierdten Haupt-Frage. zwar einem jeden Unterthanen, absonderlich aber einem Lehrer unbenommen sey, über diese Fragen von der Ehe mit des Weibes Schwester, ob dieselbe zuläßlich, und ein Fürst dieselbe zuzulassen befugt sey oder nicht? seine Meynung bey hierzu sich ereignender und nicht affectirter Gelegenheit so wohl münd- als schrifftlich mit Bescheidenheit vorzutragen; jedoch geziemet sichs mit nichten, da a Principe allbereit dergleichen dispensatio1) Wie weit einem Prediger geschehen, unter dem Schein und praetext eines Eyffers für GOttes Eh positivae sind, dergleichen ich per dicta ad quaestionem primam die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester halte, ist einem Prediger so wenig als andern verboten, aus vernünfftigen Ursachen wie in andern legibus positivis also auch hier eine dispensation zu suchen. Ja es ist 3) in gegenwärtigem casu die gesuchte dispensation nicht alleine Tertie. für erlaubt, sondern auch auf gewisse Masse für wohlgethan zu achten, weil aus der Kirchen-Historie nicht unschwer dargethan werden kan, daß die hypothesis, quod personae vel gradus Levit. 18. prohibiti ad legem moralem & universalem pertineant, ante reformationem a Clero Pontificio deßhalb in Schulen angeführet worden, daß die weltliche Obrigkeit desto füglicher von dem Pabst unter dem Joche gehalten werden könte, wenn man ihnen glauben machte, daß sie ohne des Papstes dispensation, (als welcher in dergleichen, sonderlich aber in gegenwärtigem Fall von des verstorbenen Weibes Schwester gar vielfältig dispensiret hat) dergleichen Heyrathen nicht vollziehen dürfften, sondern, daß der Papst befugt sey, diejenigen Fürsten, die es für sich thäten, mit dem Kirchen-Bann zu belegen. Daß aber dergleichen reliquiae Politicae Clericalis in Papatu auch auf protestirenden Universitäten nachhero dociret worden, ist nicht so wohl denen Herren Theologis als vitio seculi & neglectui doctrinae moralis & Juris naturae zuzuschreiben, und ist dannenhero nicht undienlich, daß einmahl auch ein Lutherischer Prediger ipso suo facto weiset, daß dergleichen bißhero übliche doctrinen bey immer mehr und mehr zunehmenden Licht der Wahrheit, nunmehro zu verdunckeln anfangen, wie etwan das Exempel Lutheri und anderer Theologorum bey Anfang der reformation da sie auch wohl gewesene Nonnen zu Weibern nahmen, viel gefruchtet, daß die irrigen doctrinen von verbotener Priester- und Nonnen Ehe bald verschwunden; obgleich aus der Historie der Reformation bekannt ist, daß bey Anfang dergleichen Exempel sich ihrer viel drüber sehr geärgert und gefürchtet haben, was für böse consequentien daraus entstehen würden. Auf die vierdte und letzte Frage ist dieses meine Meynung, daßBehutsame Beantwortung der vierdten Haupt-Frage. zwar einem jeden Unterthanen, absonderlich aber einem Lehrer unbenommen sey, über diese Fragen von der Ehe mit des Weibes Schwester, ob dieselbe zuläßlich, und ein Fürst dieselbe zuzulassen befugt sey oder nicht? seine Meynung bey hierzu sich ereignender und nicht affectirter Gelegenheit so wohl münd- als schrifftlich mit Bescheidenheit vorzutragen; jedoch geziemet sichs mit nichten, da a Principe allbereit dergleichen dispensatio1) Wie weit einem Prediger geschehen, unter dem Schein und praetext eines Eyffers für GOttes Eh <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0299" n="291"/> positivae sind, dergleichen ich per dicta ad quaestionem primam die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester halte, ist einem Prediger so wenig als andern verboten, aus vernünfftigen Ursachen wie in andern legibus positivis also auch hier eine dispensation zu suchen. 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Daß aber dergleichen reliquiae Politicae Clericalis in Papatu auch auf protestirenden Universitäten nachhero dociret worden, ist nicht so wohl denen Herren Theologis als vitio seculi & neglectui doctrinae moralis & Juris naturae zuzuschreiben, und ist dannenhero nicht undienlich, daß einmahl auch ein Lutherischer Prediger ipso suo facto weiset, daß dergleichen bißhero übliche doctrinen bey immer mehr und mehr zunehmenden Licht der Wahrheit, nunmehro zu verdunckeln anfangen, wie etwan das Exempel Lutheri und anderer Theologorum bey Anfang der reformation da sie auch wohl gewesene Nonnen zu Weibern nahmen, viel gefruchtet, daß die irrigen doctrinen von verbotener Priester- und Nonnen Ehe bald verschwunden; obgleich aus der Historie der Reformation bekannt ist, daß bey Anfang dergleichen Exempel sich ihrer viel drüber sehr geärgert und gefürchtet haben, was für böse consequentien daraus entstehen würden.</p> <p>Auf die vierdte und letzte Frage ist dieses meine Meynung, daß<note place="right">Behutsame Beantwortung der vierdten Haupt-Frage.</note> zwar einem jeden Unterthanen, absonderlich aber einem Lehrer unbenommen sey, über diese Fragen von der Ehe mit des Weibes Schwester, ob dieselbe zuläßlich, und ein Fürst dieselbe zuzulassen befugt sey oder nicht? seine Meynung bey hierzu sich ereignender und nicht affectirter Gelegenheit so wohl münd- als schrifftlich mit Bescheidenheit vorzutragen; jedoch geziemet sichs mit nichten, da a Principe allbereit dergleichen dispensatio<note place="right">1) Wie weit einem Prediger</note> geschehen, unter dem Schein und praetext eines Eyffers für GOttes Eh </p> </div> </body> </text> </TEI> [291/0299]
positivae sind, dergleichen ich per dicta ad quaestionem primam die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester halte, ist einem Prediger so wenig als andern verboten, aus vernünfftigen Ursachen wie in andern legibus positivis also auch hier eine dispensation zu suchen. Ja es ist
3) in gegenwärtigem casu die gesuchte dispensation nicht alleine für erlaubt, sondern auch auf gewisse Masse für wohlgethan zu achten, weil aus der Kirchen-Historie nicht unschwer dargethan werden kan, daß die hypothesis, quod personae vel gradus Levit. 18. prohibiti ad legem moralem & universalem pertineant, ante reformationem a Clero Pontificio deßhalb in Schulen angeführet worden, daß die weltliche Obrigkeit desto füglicher von dem Pabst unter dem Joche gehalten werden könte, wenn man ihnen glauben machte, daß sie ohne des Papstes dispensation, (als welcher in dergleichen, sonderlich aber in gegenwärtigem Fall von des verstorbenen Weibes Schwester gar vielfältig dispensiret hat) dergleichen Heyrathen nicht vollziehen dürfften, sondern, daß der Papst befugt sey, diejenigen Fürsten, die es für sich thäten, mit dem Kirchen-Bann zu belegen. Daß aber dergleichen reliquiae Politicae Clericalis in Papatu auch auf protestirenden Universitäten nachhero dociret worden, ist nicht so wohl denen Herren Theologis als vitio seculi & neglectui doctrinae moralis & Juris naturae zuzuschreiben, und ist dannenhero nicht undienlich, daß einmahl auch ein Lutherischer Prediger ipso suo facto weiset, daß dergleichen bißhero übliche doctrinen bey immer mehr und mehr zunehmenden Licht der Wahrheit, nunmehro zu verdunckeln anfangen, wie etwan das Exempel Lutheri und anderer Theologorum bey Anfang der reformation da sie auch wohl gewesene Nonnen zu Weibern nahmen, viel gefruchtet, daß die irrigen doctrinen von verbotener Priester- und Nonnen Ehe bald verschwunden; obgleich aus der Historie der Reformation bekannt ist, daß bey Anfang dergleichen Exempel sich ihrer viel drüber sehr geärgert und gefürchtet haben, was für böse consequentien daraus entstehen würden.
Tertie. Auf die vierdte und letzte Frage ist dieses meine Meynung, daß zwar einem jeden Unterthanen, absonderlich aber einem Lehrer unbenommen sey, über diese Fragen von der Ehe mit des Weibes Schwester, ob dieselbe zuläßlich, und ein Fürst dieselbe zuzulassen befugt sey oder nicht? seine Meynung bey hierzu sich ereignender und nicht affectirter Gelegenheit so wohl münd- als schrifftlich mit Bescheidenheit vorzutragen; jedoch geziemet sichs mit nichten, da a Principe allbereit dergleichen dispensatio geschehen, unter dem Schein und praetext eines Eyffers für GOttes Eh
Behutsame Beantwortung der vierdten Haupt-Frage.
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/299>, abgerufen am 16.07.2024. |