Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

selben Text und aus denen Worten desselben bey ihrem Leben nicht schlechterdings erwiesen werden könne, daß diese Ehe zugelassen sey: theils daß dieses dictum auch von des verstorbenen Weibes Schwester verstanden werden könne: und also mit einem Worte, die Auslegung dieses Spruchs noch hin und wieder vielen vernünfftigen Zweiffeln unterworffen sey); Also thut dieses alles wenig zur Sache, wenn dasjenige hinwegfället, daß alle Verbote, so Levit c. 18. enthalten sind, ad legem moralem seu universalem & naturalem gehören. Ich befinde zwar, daß der Herrr Autor in besagter Schrifft hin und wieder, absonderlich aber thesi 25. auch die moralitatem dicti capitis zu behaupten gedencket; aber ich befinde, daß die daselbst gegebene rationes dergestalt nicht beschaffen, daß sie alle Levit. c. 18. befindliche Verbote, am wenigsten aber die incestus reliquos praeter incestum parentum & liberorum, item fratrum & sororum, zu moralibus machen solten, sondern daß ex meis novioribus doctrinis supra allegatis ohne Mühe auf die daselbst angeführten rationes geantwortet werden könne

Beantwortung der ersten Haupt-Frage. Ingleichen der andern. Rationes decidendi. Prima. Secunda.

Derowegen ist ad quaestionem primam generalem meine unvorgreifliche Meynung, daß ich nunmehr gewiß dafür halte, es sey die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester zwar wieder das Mosaische Gesetze, aber nicht contra Levit. c. 18. vers. 18. noch weniger aber wieder das göttliche natürliche und alle Menschen verbindliche Gesetze.

Die andere Haupt-Frage: Ob ein Princeps nicht Macht habe in solchem casu zu dispensiren? beantwortete ich mit ja, und zwar aus folgenden kurtzen Ursachen und Lehr-Sätzen:

1. Ein Regente kan in allen legibus positivis dispensiren; was aber den göttlichen allgemeinen natürlichen Rechten zuwieder ist, dahin erstreckt sich das regale dispensandi nicht.

2. Nun ist aber in der Beantwortung der ersten Frage gezeiget worden, aus was Ursachen ich dafür halte, daß die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester dem natürlichen allgemeinen Gesetze nicht zuwieder sey.

Tertia.

3. Nachdem also Herr D. Götze in seiner so genannten Ehre der Ehe mit der verstorbenen Frauen Schwester dargethan, daß Seine Königliche Majestät in Preussen, Unser Allergnädigster König und Herr, Mense Majo 1706 in dieser seiner Ehe dispensiret habe; so folget von selbst hieraus, daß diese dispensatio denen principiis jurisprudentiae universalis gemäß, und wieder dieselbe nichts zu sprechen sey

selben Text und aus denen Worten desselben bey ihrem Leben nicht schlechterdings erwiesen werden könne, daß diese Ehe zugelassen sey: theils daß dieses dictum auch von des verstorbenen Weibes Schwester verstanden werden könne: und also mit einem Worte, die Auslegung dieses Spruchs noch hin und wieder vielen vernünfftigen Zweiffeln unterworffen sey); Also thut dieses alles wenig zur Sache, wenn dasjenige hinwegfället, daß alle Verbote, so Levit c. 18. enthalten sind, ad legem moralem seu universalem & naturalem gehören. Ich befinde zwar, daß der Herrr Autor in besagter Schrifft hin und wieder, absonderlich aber thesi 25. auch die moralitatem dicti capitis zu behaupten gedencket; aber ich befinde, daß die daselbst gegebene rationes dergestalt nicht beschaffen, daß sie alle Levit. c. 18. befindliche Verbote, am wenigsten aber die incestus reliquos praeter incestum parentum & liberorum, item fratrum & sororum, zu moralibus machen solten, sondern daß ex meis novioribus doctrinis supra allegatis ohne Mühe auf die daselbst angeführten rationes geantwortet werden könne

Beantwortung der ersten Haupt-Frage. Ingleichen der andern. Rationes decidendi. Prima. Secunda.

Derowegen ist ad quaestionem primam generalem meine unvorgreifliche Meynung, daß ich nunmehr gewiß dafür halte, es sey die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester zwar wieder das Mosaische Gesetze, aber nicht contra Levit. c. 18. vers. 18. noch weniger aber wieder das göttliche natürliche und alle Menschen verbindliche Gesetze.

Die andere Haupt-Frage: Ob ein Princeps nicht Macht habe in solchem casu zu dispensiren? beantwortete ich mit ja, und zwar aus folgenden kurtzen Ursachen und Lehr-Sätzen:

1. Ein Regente kan in allen legibus positivis dispensiren; was aber den göttlichen allgemeinen natürlichen Rechten zuwieder ist, dahin erstreckt sich das regale dispensandi nicht.

2. Nun ist aber in der Beantwortung der ersten Frage gezeiget worden, aus was Ursachen ich dafür halte, daß die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester dem natürlichen allgemeinen Gesetze nicht zuwieder sey.

Tertia.

3. Nachdem also Herr D. Götze in seiner so genannten Ehre der Ehe mit der verstorbenen Frauen Schwester dargethan, daß Seine Königliche Majestät in Preussen, Unser Allergnädigster König und Herr, Mense Majo 1706 in dieser seiner Ehe dispensiret habe; so folget von selbst hieraus, daß diese dispensatio denen principiis jurisprudentiae universalis gemäß, und wieder dieselbe nichts zu sprechen sey

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0296" n="288"/>
selben Text und                      aus denen Worten desselben bey ihrem Leben nicht schlechterdings erwiesen werden                      könne, daß diese Ehe zugelassen sey: theils daß dieses dictum auch von des                      verstorbenen Weibes Schwester verstanden werden könne: und also mit einem Worte,                      die Auslegung dieses Spruchs noch hin und wieder vielen vernünfftigen Zweiffeln                      unterworffen sey); Also thut dieses alles wenig zur Sache, wenn dasjenige                      hinwegfället, daß alle Verbote, so Levit c. 18. enthalten sind, ad legem moralem                      seu universalem &amp; naturalem gehören. Ich befinde zwar, daß der Herrr                      Autor in besagter Schrifft hin und wieder, absonderlich aber thesi 25. auch die                      moralitatem dicti capitis zu behaupten gedencket; aber ich befinde, daß die                      daselbst gegebene rationes dergestalt nicht beschaffen, daß sie alle Levit. c.                      18. befindliche Verbote, am wenigsten aber die incestus reliquos praeter                      incestum parentum &amp; liberorum, item fratrum &amp; sororum, zu                      moralibus machen solten, sondern daß ex meis novioribus doctrinis supra                      allegatis ohne Mühe auf die daselbst angeführten rationes geantwortet werden                      könne</p>
        <note place="left">Beantwortung der ersten Haupt-Frage. Ingleichen der                      andern. <hi rendition="#i">Rationes decidendi. Prima. Secunda.</hi></note>
        <p>Derowegen ist ad quaestionem primam generalem meine unvorgreifliche Meynung, daß                      ich nunmehr gewiß dafür halte, es sey die Ehe mit des verstorbenen Weibes                      Schwester zwar wieder das Mosaische Gesetze, aber nicht contra Levit. c. 18.                      vers. 18. noch weniger aber wieder das göttliche natürliche und alle Menschen                      verbindliche Gesetze.</p>
        <p>Die andere Haupt-Frage: Ob ein Princeps nicht Macht habe in solchem casu zu                      dispensiren? beantwortete ich mit ja, und zwar aus folgenden kurtzen Ursachen                      und Lehr-Sätzen:</p>
        <p>1. Ein Regente kan in allen legibus positivis dispensiren; was aber den                      göttlichen allgemeinen natürlichen Rechten zuwieder ist, dahin erstreckt sich                      das regale dispensandi nicht.</p>
        <p>2. Nun ist aber in der Beantwortung der ersten Frage gezeiget worden, aus was                      Ursachen ich dafür halte, daß die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester dem                      natürlichen allgemeinen Gesetze nicht zuwieder sey.</p>
        <note place="left"> <hi rendition="#i">Tertia.</hi> </note>
        <p>3. Nachdem also Herr D. Götze in seiner so genannten Ehre der Ehe mit der                      verstorbenen Frauen Schwester dargethan, daß Seine Königliche Majestät in                      Preussen, Unser Allergnädigster König und Herr, Mense Majo 1706 in dieser seiner                      Ehe dispensiret habe; so folget von selbst hieraus, daß diese dispensatio denen                      principiis jurisprudentiae universalis gemäß, und wieder dieselbe nichts zu                      sprechen sey</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[288/0296] selben Text und aus denen Worten desselben bey ihrem Leben nicht schlechterdings erwiesen werden könne, daß diese Ehe zugelassen sey: theils daß dieses dictum auch von des verstorbenen Weibes Schwester verstanden werden könne: und also mit einem Worte, die Auslegung dieses Spruchs noch hin und wieder vielen vernünfftigen Zweiffeln unterworffen sey); Also thut dieses alles wenig zur Sache, wenn dasjenige hinwegfället, daß alle Verbote, so Levit c. 18. enthalten sind, ad legem moralem seu universalem & naturalem gehören. Ich befinde zwar, daß der Herrr Autor in besagter Schrifft hin und wieder, absonderlich aber thesi 25. auch die moralitatem dicti capitis zu behaupten gedencket; aber ich befinde, daß die daselbst gegebene rationes dergestalt nicht beschaffen, daß sie alle Levit. c. 18. befindliche Verbote, am wenigsten aber die incestus reliquos praeter incestum parentum & liberorum, item fratrum & sororum, zu moralibus machen solten, sondern daß ex meis novioribus doctrinis supra allegatis ohne Mühe auf die daselbst angeführten rationes geantwortet werden könne Derowegen ist ad quaestionem primam generalem meine unvorgreifliche Meynung, daß ich nunmehr gewiß dafür halte, es sey die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester zwar wieder das Mosaische Gesetze, aber nicht contra Levit. c. 18. vers. 18. noch weniger aber wieder das göttliche natürliche und alle Menschen verbindliche Gesetze. Die andere Haupt-Frage: Ob ein Princeps nicht Macht habe in solchem casu zu dispensiren? beantwortete ich mit ja, und zwar aus folgenden kurtzen Ursachen und Lehr-Sätzen: 1. Ein Regente kan in allen legibus positivis dispensiren; was aber den göttlichen allgemeinen natürlichen Rechten zuwieder ist, dahin erstreckt sich das regale dispensandi nicht. 2. Nun ist aber in der Beantwortung der ersten Frage gezeiget worden, aus was Ursachen ich dafür halte, daß die Ehe mit des verstorbenen Weibes Schwester dem natürlichen allgemeinen Gesetze nicht zuwieder sey. 3. Nachdem also Herr D. Götze in seiner so genannten Ehre der Ehe mit der verstorbenen Frauen Schwester dargethan, daß Seine Königliche Majestät in Preussen, Unser Allergnädigster König und Herr, Mense Majo 1706 in dieser seiner Ehe dispensiret habe; so folget von selbst hieraus, daß diese dispensatio denen principiis jurisprudentiae universalis gemäß, und wieder dieselbe nichts zu sprechen sey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/296
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/296>, abgerufen am 23.11.2024.