Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.Zusammenhang der Päpstischen irrigen Lehren von der Ehe. §. VIII. Nun will ich mich befleißigen, ob ich auch die falschen Lehren des Papstthums in einer deutlichen connexion kürtzlich vorstellen könne. Mich dünckt, es werde ihr Zusammenhang nicht unfüglich auf folgende Art können angedeutet werden, 1. Die Ehe ist ein Sacrament. 2. Derowegen ist es eine geistliche Sache. 3. Deßwegen gehören die Lehren der Geistlichen und die traditiones der Kirchen (oder die Lehren der Alt-Väter) zu denen Glaubens-Artickeln. Daraus folget 4. daß derjenige, der solchen Lehren wiederspricht, oder daran zweiffelt, ein Atheiste oder Ketzer sey, den man mit der Todes-Straffe belegen müsse. Ingleichen folget 5. daraus, daß die Ehe-Sachen zu entscheiden nicht für die weltliche Obrigkeit, sondern für die Kirche, und derselben ihr geistliches Haupt gehöre. Item 6. daß Christliche Regenten keine Gesetze geben können, die der Lehre der Clerisey zuwieder wären, eben so wenig als sie in denen nach dieser Leute Lehre verbotenen Dingen solten difpensiren können, sondern es sind vielmehr Christliche Regenten 7. in ihren Gewissen verbunden, durch weltliche Gesetze die Lehre der Geistlichkeit, als derselben ihr weltlicher Arm zu bekräfftigen, und diejenigen, so dawieder sündigen, scharff zu bestraffen. Daraus folget 8. daß auch Christliche Regenten schuldig sind, diejenigen, die die Lehren der Clerisey oder der Canonisten von der Ehe in Zweiffel ziehen / und nach denen Regeln gesunder Vernunfft examiniren wollen, als die ärgsten Ketzer und gottlose Leute lebendig verbrennen zu lassen, oder doch zum wenigsten zu Schelmen zu machen, und aus dem Lande zu jagen. Endlich 9. folget hieraus allenthalben nothwendig, das Christliche Regenten auch ihre eigene Ehen nach denen Kirchen-traditionibus einrichten, und wenn dabey ein Zweiffel vorfallen solte, sich dem Urtheil der Kirche unterwerffen müssen, oder wenn solche Ehen denen Kirchen-Gesetzen unstreitig zuwieder wären, alsdenn von der Kirche und ihren Haupt (oder bey uns Protestirenden, bey ihren Häuptern in plurali) Erlaubnüß und dispensation in tieffer Unterthänigkeit bitten, mit vielem Gelde dieselbe erkauffen, den Verzug der Erlaubniß und die langweilige Aufschiebung derselben, durch gemachte falsche Hofnung, in Christlicher Gedult, Demuth und Sanfftmuth ertragen, und wenn sie auch betrogen und ihnen endlich die Erlaubnüß und dispensation abgeschlagen worden, auch die dabey vorgewendete praerexte nicht einen Schuß Pulver werth wären, dennoch sie dafür mit der tieffsten submission demüthigen und gehorsamsten Danck abstatten solten und müsten, und zwar dieses alles von Rechtswegen. Solten aber 10. die weltl. Regenten, Könige und Fürsten sich etwan gar den Hencker reiten lassen, ih Zusammenhang der Päpstischen irrigen Lehren von der Ehe. §. VIII. Nun will ich mich befleißigen, ob ich auch die falschen Lehren des Papstthums in einer deutlichen connexion kürtzlich vorstellen könne. Mich dünckt, es werde ihr Zusammenhang nicht unfüglich auf folgende Art können angedeutet werden, 1. Die Ehe ist ein Sacrament. 2. Derowegen ist es eine geistliche Sache. 3. Deßwegen gehören die Lehren der Geistlichen und die traditiones der Kirchen (oder die Lehren der Alt-Väter) zu denen Glaubens-Artickeln. Daraus folget 4. daß derjenige, der solchen Lehren wiederspricht, oder daran zweiffelt, ein Atheiste oder Ketzer sey, den man mit der Todes-Straffe belegen müsse. Ingleichen folget 5. daraus, daß die Ehe-Sachen zu entscheiden nicht für die weltliche Obrigkeit, sondern für die Kirche, und derselben ihr geistliches Haupt gehöre. Item 6. daß Christliche Regenten keine Gesetze geben können, die der Lehre der Clerisey zuwieder wären, eben so wenig als sie in denen nach dieser Leute Lehre verbotenen Dingen solten difpensiren können, sondern es sind vielmehr Christliche Regenten 7. in ihren Gewissen verbunden, durch weltliche Gesetze die Lehre der Geistlichkeit, als derselben ihr weltlicher Arm zu bekräfftigen, und diejenigen, so dawieder sündigen, scharff zu bestraffen. Daraus folget 8. daß auch Christliche Regenten schuldig sind, diejenigen, die die Lehren der Clerisey oder der Canonisten von der Ehe in Zweiffel ziehen / und nach denen Regeln gesunder Vernunfft examiniren wollen, als die ärgsten Ketzer und gottlose Leute lebendig verbrennen zu lassen, oder doch zum wenigsten zu Schelmen zu machen, und aus dem Lande zu jagen. Endlich 9. folget hieraus allenthalben nothwendig, das Christliche Regenten auch ihre eigene Ehen nach denen Kirchen-traditionibus einrichten, und wenn dabey ein Zweiffel vorfallen solte, sich dem Urtheil der Kirche unterwerffen müssen, oder wenn solche Ehen denen Kirchen-Gesetzen unstreitig zuwieder wären, alsdenn von der Kirche und ihren Haupt (oder bey uns Protestirenden, bey ihren Häuptern in plurali) Erlaubnüß und dispensation in tieffer Unterthänigkeit bitten, mit vielem Gelde dieselbe erkauffen, den Verzug der Erlaubniß und die langweilige Aufschiebung derselben, durch gemachte falsche Hofnung, in Christlicher Gedult, Demuth und Sanfftmuth ertragen, und wenn sie auch betrogen und ihnen endlich die Erlaubnüß und dispensation abgeschlagen worden, auch die dabey vorgewendete praerexte nicht einen Schuß Pulver werth wären, dennoch sie dafür mit der tieffsten submission demüthigen und gehorsamsten Danck abstatten solten und müsten, und zwar dieses alles von Rechtswegen. 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Ingleichen folget 5. daraus, daß die Ehe-Sachen zu entscheiden nicht für die weltliche Obrigkeit, sondern für die Kirche, und derselben ihr geistliches Haupt gehöre. Item 6. daß Christliche Regenten keine Gesetze geben können, die der Lehre der Clerisey zuwieder wären, eben so wenig als sie in denen nach dieser Leute Lehre verbotenen Dingen solten difpensiren können, sondern es sind vielmehr Christliche Regenten 7. in ihren Gewissen verbunden, durch weltliche Gesetze die Lehre der Geistlichkeit, als derselben ihr weltlicher Arm zu bekräfftigen, und diejenigen, so dawieder sündigen, scharff zu bestraffen. Daraus folget 8. daß auch Christliche Regenten schuldig sind, diejenigen, die die Lehren der Clerisey oder der Canonisten von der Ehe in Zweiffel ziehen / und nach denen Regeln gesunder Vernunfft examiniren wollen, als die ärgsten Ketzer und gottlose Leute lebendig verbrennen zu lassen, oder doch zum wenigsten zu Schelmen zu machen, und aus dem Lande zu jagen. Endlich 9. folget hieraus allenthalben nothwendig, das Christliche Regenten auch ihre eigene Ehen nach denen Kirchen-traditionibus einrichten, und wenn dabey ein Zweiffel vorfallen solte, sich dem Urtheil der Kirche unterwerffen müssen, oder wenn solche Ehen denen Kirchen-Gesetzen unstreitig zuwieder wären, alsdenn von der Kirche und ihren Haupt (oder bey uns Protestirenden, bey ihren Häuptern in plurali) Erlaubnüß und dispensation in tieffer Unterthänigkeit bitten, mit vielem Gelde dieselbe erkauffen, den Verzug der Erlaubniß und die langweilige Aufschiebung derselben, durch gemachte falsche Hofnung, in Christlicher Gedult, Demuth und Sanfftmuth ertragen, und wenn sie auch betrogen und ihnen endlich die Erlaubnüß und dispensation abgeschlagen worden, auch die dabey vorgewendete praerexte nicht einen Schuß Pulver werth wären, dennoch sie dafür mit der tieffsten submission demüthigen und gehorsamsten Danck abstatten solten und müsten, und zwar dieses alles von Rechtswegen. Solten aber 10. die weltl. Regenten, Könige und Fürsten sich etwan gar den Hencker reiten lassen, ih </p> </div> </body> </text> </TEI> [270/0278]
§. VIII. Nun will ich mich befleißigen, ob ich auch die falschen Lehren des Papstthums in einer deutlichen connexion kürtzlich vorstellen könne. Mich dünckt, es werde ihr Zusammenhang nicht unfüglich auf folgende Art können angedeutet werden, 1. Die Ehe ist ein Sacrament. 2. Derowegen ist es eine geistliche Sache. 3. Deßwegen gehören die Lehren der Geistlichen und die traditiones der Kirchen (oder die Lehren der Alt-Väter) zu denen Glaubens-Artickeln. Daraus folget 4. daß derjenige, der solchen Lehren wiederspricht, oder daran zweiffelt, ein Atheiste oder Ketzer sey, den man mit der Todes-Straffe belegen müsse. Ingleichen folget 5. daraus, daß die Ehe-Sachen zu entscheiden nicht für die weltliche Obrigkeit, sondern für die Kirche, und derselben ihr geistliches Haupt gehöre. Item 6. daß Christliche Regenten keine Gesetze geben können, die der Lehre der Clerisey zuwieder wären, eben so wenig als sie in denen nach dieser Leute Lehre verbotenen Dingen solten difpensiren können, sondern es sind vielmehr Christliche Regenten 7. in ihren Gewissen verbunden, durch weltliche Gesetze die Lehre der Geistlichkeit, als derselben ihr weltlicher Arm zu bekräfftigen, und diejenigen, so dawieder sündigen, scharff zu bestraffen. Daraus folget 8. daß auch Christliche Regenten schuldig sind, diejenigen, die die Lehren der Clerisey oder der Canonisten von der Ehe in Zweiffel ziehen / und nach denen Regeln gesunder Vernunfft examiniren wollen, als die ärgsten Ketzer und gottlose Leute lebendig verbrennen zu lassen, oder doch zum wenigsten zu Schelmen zu machen, und aus dem Lande zu jagen. Endlich 9. folget hieraus allenthalben nothwendig, das Christliche Regenten auch ihre eigene Ehen nach denen Kirchen-traditionibus einrichten, und wenn dabey ein Zweiffel vorfallen solte, sich dem Urtheil der Kirche unterwerffen müssen, oder wenn solche Ehen denen Kirchen-Gesetzen unstreitig zuwieder wären, alsdenn von der Kirche und ihren Haupt (oder bey uns Protestirenden, bey ihren Häuptern in plurali) Erlaubnüß und dispensation in tieffer Unterthänigkeit bitten, mit vielem Gelde dieselbe erkauffen, den Verzug der Erlaubniß und die langweilige Aufschiebung derselben, durch gemachte falsche Hofnung, in Christlicher Gedult, Demuth und Sanfftmuth ertragen, und wenn sie auch betrogen und ihnen endlich die Erlaubnüß und dispensation abgeschlagen worden, auch die dabey vorgewendete praerexte nicht einen Schuß Pulver werth wären, dennoch sie dafür mit der tieffsten submission demüthigen und gehorsamsten Danck abstatten solten und müsten, und zwar dieses alles von Rechtswegen. Solten aber 10. die weltl. Regenten, Könige und Fürsten sich etwan gar den Hencker reiten lassen, ih
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Zitationshilfe: | Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/278>, abgerufen am 16.07.2024. |