Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

menschliche Schwachheiten mit unterlieffen; obschon seine intention wegen intentirder Abschaffung desselben höchst-rühmlich und löblich war. Nun waren auch die Juristen nicht zu verdencken, wenn sie die Abschaffung deßwegen hinderten, weil die Theologi, als selbst unter sich nicht einig, an statt des Päpstischen Rechts kein anders und richtigers Recht ihnen anzugeben wußten; ja vermuthlich auch deßwegen, weil die Juristen als erfahrne kluge Leute leicht begriffen, daß wenn denen Theologis singulis, oder auch wohl denen Theologischen Facultäten, einmahl eingeräumet würde, die Juristischen Facultäten in einen punct zu meistern, sie hernach gantz natürlich & bona fide, (auch unter der persuasion, daß sie sich dabey mere passive verhielten, und wahrhafftig intendirten, was gutes zu stifften) dahin verfallen würden, wieder das Verboth CHristi über alle Facultäten zu herrschen, und solchergestalt nicht allein die Juristen, sondern auch die Fürsten selbst viel schlimmer, als im Papstthum, daran seyn würden.

§. IV. Dieweil aber doch bey solchen Umständen es nothwendigSarcerii u. Klingii schon anno 1553 publicirte Schrifften von Ehe-Sachen. Jalousie dieser beyden Autorum gegen einander / und Urtheil von beyden. geschehen mußte, daß jede von beyden Partheyen ihre Anhänger hatten; als geschahe es auch hier, das nehmlich die Theologi gar öffters in Ehe-Sachen consuliret wurden, und responsa gaben, dergleichen responsa nicht lange nach Lutheri Todte ein beruhmter Lutherischer Theologus und damahliger Pastor zu Leipzig Erasmus Sarcerius Anno 1553. in folio unter dem Titul eines Berichts vom heiligen Ehestande ediret, da er denn in der Vorrede etlichemahl gestehet, daß in Ehe-Sachen täglich viel dunckele und verwirrete Händel vorgiengen, und daß man in Ehe-Sachen nicht wieder das natürliche noch göttliche Recht sprechen solle. Er bekennet auch, daß die Ehe-Sachen billig für die weltliche Obrigkeit und Juristen gehörten; alleine daß man doch auch die Theologos darzuziehen könne um der Gewissen willen. Dieses Ehe-Buch bestehet in 4 Theilen. In den ersten hat er, seinem eigenen Bericht nach, viel schöner und doch kurtzer Schrifften zusammen gelesen, und zum Theil auch selbst gemacht, vom Lob, Ehre und Preiß des Ehestandes. Item, von wem, wo, wenn und wie der Ehestand eingesetzet, und was er sey. In dem andern, wie es eine Gelegenheit habe mit der Blutfreundschafft und Schwägerschafft, oder mit den Graden, damit man Bericht haben möge von denen Personen die einander mit Recht ehelichen oder nicht ehelichen können. In dem dritten, von allen Dingen und Umständen, so da gehören zu Anfahung und zu Vollziehung des Ehestandes, item wie man im Ehestande sich halten solle und darinnen ein eheliches und Christliches

menschliche Schwachheiten mit unterlieffen; obschon seine intention wegen intentirder Abschaffung desselben höchst-rühmlich und löblich war. Nun waren auch die Juristen nicht zu verdencken, wenn sie die Abschaffung deßwegen hinderten, weil die Theologi, als selbst unter sich nicht einig, an statt des Päpstischen Rechts kein anders und richtigers Recht ihnen anzugeben wußten; ja vermuthlich auch deßwegen, weil die Juristen als erfahrne kluge Leute leicht begriffen, daß wenn denen Theologis singulis, oder auch wohl denen Theologischen Facultäten, einmahl eingeräumet würde, die Juristischen Facultäten in einen punct zu meistern, sie hernach gantz natürlich & bona fide, (auch unter der persuasion, daß sie sich dabey mere passive verhielten, und wahrhafftig intendirten, was gutes zu stifften) dahin verfallen würden, wieder das Verboth CHristi über alle Facultäten zu herrschen, und solchergestalt nicht allein die Juristen, sondern auch die Fürsten selbst viel schlimmer, als im Papstthum, daran seyn würden.

§. IV. Dieweil aber doch bey solchen Umständen es nothwendigSarcerii u. Klingii schon anno 1553 publicirte Schrifften von Ehe-Sachen. Jalousie dieser beyden Autorum gegen einander / und Urtheil von beyden. geschehen mußte, daß jede von beyden Partheyen ihre Anhänger hatten; als geschahe es auch hier, das nehmlich die Theologi gar öffters in Ehe-Sachen consuliret wurden, und responsa gaben, dergleichen responsa nicht lange nach Lutheri Todte ein beruhmter Lutherischer Theologus und damahliger Pastor zu Leipzig Erasmus Sarcerius Anno 1553. in folio unter dem Titul eines Berichts vom heiligen Ehestande ediret, da er denn in der Vorrede etlichemahl gestehet, daß in Ehe-Sachen täglich viel dunckele und verwirrete Händel vorgiengen, und daß man in Ehe-Sachen nicht wieder das natürliche noch göttliche Recht sprechen solle. Er bekennet auch, daß die Ehe-Sachen billig für die weltliche Obrigkeit und Juristen gehörten; alleine daß man doch auch die Theologos darzuziehen könne um der Gewissen willen. Dieses Ehe-Buch bestehet in 4 Theilen. In den ersten hat er, seinem eigenen Bericht nach, viel schöner und doch kurtzer Schrifften zusammen gelesen, und zum Theil auch selbst gemacht, vom Lob, Ehre und Preiß des Ehestandes. Item, von wem, wo, wenn und wie der Ehestand eingesetzet, und was er sey. In dem andern, wie es eine Gelegenheit habe mit der Blutfreundschafft und Schwägerschafft, oder mit den Graden, damit man Bericht haben möge von denen Personen die einander mit Recht ehelichen oder nicht ehelichen können. In dem dritten, von allen Dingen und Umständen, so da gehören zu Anfahung und zu Vollziehung des Ehestandes, item wie man im Ehestande sich halten solle und darinnen ein eheliches und Christliches

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0271" n="263"/>
menschliche                      Schwachheiten mit unterlieffen; obschon seine intention wegen intentirder                      Abschaffung desselben höchst-rühmlich und löblich war. Nun waren auch die                      Juristen nicht zu verdencken, wenn sie die Abschaffung deßwegen hinderten, weil                      die Theologi, als selbst unter sich nicht einig, an statt des Päpstischen Rechts                      kein anders und richtigers Recht ihnen anzugeben wußten; ja vermuthlich auch                      deßwegen, weil die Juristen als erfahrne kluge Leute leicht begriffen, daß wenn                      denen Theologis singulis, oder auch wohl denen Theologischen Facultäten, einmahl                      eingeräumet würde, die Juristischen Facultäten in einen punct zu meistern, sie                      hernach gantz natürlich &amp; bona fide, (auch unter der persuasion, daß sie                      sich dabey mere passive verhielten, und wahrhafftig intendirten, was gutes zu                      stifften) dahin verfallen würden, wieder das Verboth CHristi über alle                      Facultäten zu herrschen, und solchergestalt nicht allein die Juristen, sondern                      auch die Fürsten selbst viel schlimmer, als im Papstthum, daran seyn würden.</p>
        <p>§. IV. Dieweil aber doch bey solchen Umständen es nothwendig<note place="right"><hi rendition="#i">Sarcerii</hi> u. <hi rendition="#i">Klingii</hi> schon <hi rendition="#i">anno 1553 publicirt</hi>e                          Schrifften von Ehe-Sachen. Jalousie dieser beyden <hi rendition="#i">Autorum</hi> gegen einander / und Urtheil von beyden.</note> geschehen                      mußte, daß jede von beyden Partheyen ihre Anhänger hatten; als geschahe es auch                      hier, das nehmlich die Theologi gar öffters in Ehe-Sachen consuliret wurden, und                      responsa gaben, dergleichen responsa nicht lange nach Lutheri Todte ein                      beruhmter Lutherischer Theologus und damahliger Pastor zu Leipzig Erasmus                      Sarcerius Anno 1553. in folio unter dem Titul eines Berichts vom heiligen                      Ehestande ediret, da er denn in der Vorrede etlichemahl gestehet, daß in                      Ehe-Sachen täglich viel dunckele und verwirrete Händel vorgiengen, und daß man                      in Ehe-Sachen nicht wieder das natürliche noch göttliche Recht sprechen solle.                      Er bekennet auch, daß die Ehe-Sachen billig für die weltliche Obrigkeit und                      Juristen gehörten; alleine daß man doch auch die Theologos darzuziehen könne um                      der Gewissen willen. Dieses Ehe-Buch bestehet in 4 Theilen. In den ersten hat                      er, seinem eigenen Bericht nach, viel schöner und doch kurtzer Schrifften                      zusammen gelesen, und zum Theil auch selbst gemacht, vom Lob, Ehre und Preiß des                      Ehestandes. Item, von wem, wo, wenn und wie der Ehestand eingesetzet, und was er                      sey. In dem andern, wie es eine Gelegenheit habe mit der Blutfreundschafft und                      Schwägerschafft, oder mit den Graden, damit man Bericht haben möge von denen                      Personen die einander mit Recht ehelichen oder nicht ehelichen können. In dem                      dritten, von allen Dingen und Umständen, so da gehören zu Anfahung und zu                      Vollziehung des Ehestandes, item wie man im Ehestande sich halten solle und                      darinnen ein eheliches und Christliches
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[263/0271] menschliche Schwachheiten mit unterlieffen; obschon seine intention wegen intentirder Abschaffung desselben höchst-rühmlich und löblich war. Nun waren auch die Juristen nicht zu verdencken, wenn sie die Abschaffung deßwegen hinderten, weil die Theologi, als selbst unter sich nicht einig, an statt des Päpstischen Rechts kein anders und richtigers Recht ihnen anzugeben wußten; ja vermuthlich auch deßwegen, weil die Juristen als erfahrne kluge Leute leicht begriffen, daß wenn denen Theologis singulis, oder auch wohl denen Theologischen Facultäten, einmahl eingeräumet würde, die Juristischen Facultäten in einen punct zu meistern, sie hernach gantz natürlich & bona fide, (auch unter der persuasion, daß sie sich dabey mere passive verhielten, und wahrhafftig intendirten, was gutes zu stifften) dahin verfallen würden, wieder das Verboth CHristi über alle Facultäten zu herrschen, und solchergestalt nicht allein die Juristen, sondern auch die Fürsten selbst viel schlimmer, als im Papstthum, daran seyn würden. §. IV. Dieweil aber doch bey solchen Umständen es nothwendig geschehen mußte, daß jede von beyden Partheyen ihre Anhänger hatten; als geschahe es auch hier, das nehmlich die Theologi gar öffters in Ehe-Sachen consuliret wurden, und responsa gaben, dergleichen responsa nicht lange nach Lutheri Todte ein beruhmter Lutherischer Theologus und damahliger Pastor zu Leipzig Erasmus Sarcerius Anno 1553. in folio unter dem Titul eines Berichts vom heiligen Ehestande ediret, da er denn in der Vorrede etlichemahl gestehet, daß in Ehe-Sachen täglich viel dunckele und verwirrete Händel vorgiengen, und daß man in Ehe-Sachen nicht wieder das natürliche noch göttliche Recht sprechen solle. Er bekennet auch, daß die Ehe-Sachen billig für die weltliche Obrigkeit und Juristen gehörten; alleine daß man doch auch die Theologos darzuziehen könne um der Gewissen willen. Dieses Ehe-Buch bestehet in 4 Theilen. In den ersten hat er, seinem eigenen Bericht nach, viel schöner und doch kurtzer Schrifften zusammen gelesen, und zum Theil auch selbst gemacht, vom Lob, Ehre und Preiß des Ehestandes. Item, von wem, wo, wenn und wie der Ehestand eingesetzet, und was er sey. In dem andern, wie es eine Gelegenheit habe mit der Blutfreundschafft und Schwägerschafft, oder mit den Graden, damit man Bericht haben möge von denen Personen die einander mit Recht ehelichen oder nicht ehelichen können. In dem dritten, von allen Dingen und Umständen, so da gehören zu Anfahung und zu Vollziehung des Ehestandes, item wie man im Ehestande sich halten solle und darinnen ein eheliches und Christliches Sarcerii u. Klingii schon anno 1553 publicirte Schrifften von Ehe-Sachen. Jalousie dieser beyden Autorum gegen einander / und Urtheil von beyden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/271
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/271>, abgerufen am 23.11.2024.