Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724.

Bild:
<< vorherige Seite

ment sollen recht verstanden und ausgeleget werden: 24. An statt der Epistel und Evangelien solle man ein Stück aus der Bibel lesen und zum Text nehmen.

Was dieses Edict für einen Effect gehabt, und was deswegen Anno 1615. für ein Tumult in Berlin entstanden.

§. IIX. Wenn ich bedencke, wie die [fremdsprachliches Material] Lutherani nebst dem gemeinen Volck noch heut zu Tage an den Ceremonien kleben, und wie der gute Churfürst zu Sachsen Christianus I. dreyzehen Jahr vorher sein Leben lassen müssen, daß er sich unterfangen, in Sachsen nur den Exorcismum abzuschaffen, so muß ich mich verwundern, daß man es damahls in der Marck so weit gewagt, uud auf einmahl so viel reliquien des Pabstthums abzuschaffen sich unterstanden: Wiewohl es doch auch ohne alles Wiedersprechen und Tumult nicht so gar leer ausgangen. Schadaeus setzt nach Erzehlung der nur ermeldten 24. Stücken der geänderten Ceremonien alsobald hinzu: daß gleichwohl die Land-Stände und sonderlich Preussen in diese Veränderung gar nicht willigen wollen, sondern Ihrer Churfürstlichen Gnade Ihre Gelübde, die sie gethan, das Land bey der Augspurgischen Confession zu erhalten, zum fleißigsten erinnert. Ja in folgendem 1615. Jahre brach die Sache zu Berlin in einen gefährlichen Tumult aus, den Schadaeus und Meteranus continuatus gantz gleichförmig folgender gestalt beschrieben: Demnach zu Berlin in der Kirche zur H. Dreyfaltigkeit, so vor diesen der Thum gewesen, durch die Reformirende alle Altäre, sehr schön und köstlich, wie auch die Crucifix, Bilder, Epitaphia und Tauffstein herausgeschafft, und NB. von der Churfürstin, welche noch der Augspurgischen Confession zugethan, in ein wohlverwahrtes Gemach verwahret worden, ist darüber von den Lutherischen und reformirten Theologen ein neuer und grosser Zanck auf der Cantzel entstanden, und sind sie sonderlich Sonntags Misericordias hefftig an einander gewesen, also, daß die Bürgerschafft und der gemeine Pöbel schwürig worden, und des Nachts um neun Uhr sich zusammen rottirt, herumgeschweifft, und zu unterschiedenen mahlen die Fenster in der Reformirten Prediger Häuser eingeworffen und ein erschrecklich Geschrey gemacht. Als nun Marggraf Hanß Georg als Stadhalter Ihrer Churfürstlichen Gnaden solches vernommen, hat er sich mit etlichen zu Roß in die Stadt, die Tumultuirende abzutreiben, begeben, welche sich auf Sanct Peters Kirchhoff salvirt, und Sturm geschlagen, darauf denn alsbald ein gantzer Aufflauf entstanden. Ob nun wohl der Marggraff den Pöbel mit guten Worten abgemahnet, hat es doch wenig geholffen, sondern ihrer etliche Ihre Gnaden mit schmählichen Worten zugeruffen, biß es endlich so weit kommen, daß sie mit Musqueten und Pistolen an einander gesetzt, dadurch auf des Fürsten Seiten ze

ment sollen recht verstanden und ausgeleget werden: 24. An statt der Epistel und Evangelien solle man ein Stück aus der Bibel lesen und zum Text nehmen.

Was dieses Edict für einen Effect gehabt, und was deswegen Anno 1615. für ein Tumult in Berlin entstandẽ.

§. IIX. Wenn ich bedencke, wie die [fremdsprachliches Material] Lutherani nebst dem gemeinen Volck noch heut zu Tage an den Ceremonien kleben, und wie der gute Churfürst zu Sachsen Christianus I. dreyzehen Jahr vorher sein Leben lassen müssen, daß er sich unterfangen, in Sachsen nur den Exorcismum abzuschaffen, so muß ich mich verwundern, daß man es damahls in der Marck so weit gewagt, uud auf einmahl so viel reliquien des Pabstthums abzuschaffen sich unterstanden: Wiewohl es doch auch ohne alles Wiedersprechen und Tumult nicht so gar leer ausgangen. Schadaeus setzt nach Erzehlung der nur ermeldten 24. Stücken der geänderten Ceremonien alsobald hinzu: daß gleichwohl die Land-Stände und sonderlich Preussen in diese Veränderung gar nicht willigen wollen, sondern Ihrer Churfürstlichen Gnade Ihre Gelübde, die sie gethan, das Land bey der Augspurgischen Confession zu erhalten, zum fleißigsten erinnert. Ja in folgendem 1615. Jahre brach die Sache zu Berlin in einen gefährlichen Tumult aus, den Schadaeus und Meteranus continuatus gantz gleichförmig folgender gestalt beschrieben: Demnach zu Berlin in der Kirche zur H. Dreyfaltigkeit, so vor diesen der Thum gewesen, durch die Reformirende alle Altäre, sehr schön und köstlich, wie auch die Crucifix, Bilder, Epitaphia und Tauffstein herausgeschafft, und NB. von der Churfürstin, welche noch der Augspurgischen Confession zugethan, in ein wohlverwahrtes Gemach verwahret worden, ist darüber von den Lutherischen und reformirten Theologen ein neuer und grosser Zanck auf der Cantzel entstanden, und sind sie sonderlich Sonntags Misericordias hefftig an einander gewesen, also, daß die Bürgerschafft und der gemeine Pöbel schwürig worden, und des Nachts um neun Uhr sich zusammen rottirt, herumgeschweifft, und zu unterschiedenen mahlen die Fenster in der Reformirten Prediger Häuser eingeworffen und ein erschrecklich Geschrey gemacht. Als nun Marggraf Hanß Georg als Stadhalter Ihrer Churfürstlichen Gnaden solches vernom̃en, hat er sich mit etlichen zu Roß in die Stadt, die Tumultuirende abzutreiben, begeben, welche sich auf Sanct Peters Kirchhoff salvirt, und Sturm geschlagen, darauf denn alsbald ein gantzer Aufflauf entstanden. Ob nun wohl der Marggraff den Pöbel mit guten Worten abgemahnet, hat es doch wenig geholffen, sondern ihrer etliche Ihre Gnaden mit schmählichen Worten zugeruffen, biß es endlich so weit kommẽ, daß sie mit Musqueten und Pistolen an einander gesetzt, dadurch auf des Fürsten Seiten ze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0254" n="246"/>
ment sollen recht verstanden und                      ausgeleget werden: 24. An statt der Epistel und Evangelien solle man ein Stück                      aus der Bibel lesen und zum Text nehmen.</p>
        <note place="left">Was dieses Edict für einen <hi rendition="#i">Effect</hi> gehabt, und was deswegen <hi rendition="#i">Anno</hi> 1615. für ein Tumult in                      Berlin entstande&#x0303;.</note>
        <p>§. IIX. Wenn ich bedencke, wie die <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> Lutherani nebst dem                      gemeinen Volck noch heut zu Tage an den Ceremonien kleben, und wie der gute                      Churfürst zu Sachsen Christianus I. dreyzehen Jahr vorher sein Leben lassen                      müssen, daß er sich unterfangen, in Sachsen nur den Exorcismum abzuschaffen, so                      muß ich mich verwundern, daß man es damahls in der Marck so weit gewagt, uud auf                      einmahl so viel reliquien des Pabstthums abzuschaffen sich unterstanden: Wiewohl                      es doch auch ohne alles Wiedersprechen und Tumult nicht so gar leer ausgangen.                      Schadaeus setzt nach Erzehlung der nur ermeldten 24. Stücken der geänderten                      Ceremonien alsobald hinzu: daß gleichwohl die Land-Stände und sonderlich                      Preussen in diese Veränderung gar nicht willigen wollen, sondern Ihrer                      Churfürstlichen Gnade Ihre Gelübde, die sie gethan, das Land bey der                      Augspurgischen Confession zu erhalten, zum fleißigsten erinnert. Ja in folgendem                      1615. Jahre brach die Sache zu Berlin in einen gefährlichen Tumult aus, den                      Schadaeus und Meteranus continuatus gantz gleichförmig folgender gestalt                      beschrieben: Demnach zu Berlin in der Kirche zur H. Dreyfaltigkeit, so vor                      diesen der Thum gewesen, durch die Reformirende alle Altäre, sehr schön und                      köstlich, wie auch die Crucifix, Bilder, Epitaphia und Tauffstein                      herausgeschafft, und NB. von der Churfürstin, welche noch der Augspurgischen                      Confession zugethan, in ein wohlverwahrtes Gemach verwahret worden, ist darüber                      von den Lutherischen und reformirten Theologen ein neuer und grosser Zanck auf                      der Cantzel entstanden, und sind sie sonderlich Sonntags Misericordias hefftig                      an einander gewesen, also, daß die Bürgerschafft und der gemeine Pöbel schwürig                      worden, und des Nachts um neun Uhr sich zusammen rottirt, herumgeschweifft, und                      zu unterschiedenen mahlen die Fenster in der Reformirten Prediger Häuser                      eingeworffen und ein erschrecklich Geschrey gemacht. Als nun Marggraf Hanß Georg                      als Stadhalter Ihrer Churfürstlichen Gnaden solches vernom&#x0303;en, hat                      er sich mit etlichen zu Roß in die Stadt, die Tumultuirende abzutreiben,                      begeben, welche sich auf Sanct Peters Kirchhoff salvirt, und Sturm geschlagen,                      darauf denn alsbald ein gantzer Aufflauf entstanden. Ob nun wohl der Marggraff                      den Pöbel mit guten Worten abgemahnet, hat es doch wenig geholffen, sondern                      ihrer etliche Ihre Gnaden mit schmählichen Worten zugeruffen, biß es endlich so                      weit komme&#x0303;, daß sie mit Musqueten und Pistolen an einander                      gesetzt, dadurch auf des Fürsten Seiten ze
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0254] ment sollen recht verstanden und ausgeleget werden: 24. An statt der Epistel und Evangelien solle man ein Stück aus der Bibel lesen und zum Text nehmen. §. IIX. Wenn ich bedencke, wie die _ Lutherani nebst dem gemeinen Volck noch heut zu Tage an den Ceremonien kleben, und wie der gute Churfürst zu Sachsen Christianus I. dreyzehen Jahr vorher sein Leben lassen müssen, daß er sich unterfangen, in Sachsen nur den Exorcismum abzuschaffen, so muß ich mich verwundern, daß man es damahls in der Marck so weit gewagt, uud auf einmahl so viel reliquien des Pabstthums abzuschaffen sich unterstanden: Wiewohl es doch auch ohne alles Wiedersprechen und Tumult nicht so gar leer ausgangen. Schadaeus setzt nach Erzehlung der nur ermeldten 24. Stücken der geänderten Ceremonien alsobald hinzu: daß gleichwohl die Land-Stände und sonderlich Preussen in diese Veränderung gar nicht willigen wollen, sondern Ihrer Churfürstlichen Gnade Ihre Gelübde, die sie gethan, das Land bey der Augspurgischen Confession zu erhalten, zum fleißigsten erinnert. Ja in folgendem 1615. Jahre brach die Sache zu Berlin in einen gefährlichen Tumult aus, den Schadaeus und Meteranus continuatus gantz gleichförmig folgender gestalt beschrieben: Demnach zu Berlin in der Kirche zur H. Dreyfaltigkeit, so vor diesen der Thum gewesen, durch die Reformirende alle Altäre, sehr schön und köstlich, wie auch die Crucifix, Bilder, Epitaphia und Tauffstein herausgeschafft, und NB. von der Churfürstin, welche noch der Augspurgischen Confession zugethan, in ein wohlverwahrtes Gemach verwahret worden, ist darüber von den Lutherischen und reformirten Theologen ein neuer und grosser Zanck auf der Cantzel entstanden, und sind sie sonderlich Sonntags Misericordias hefftig an einander gewesen, also, daß die Bürgerschafft und der gemeine Pöbel schwürig worden, und des Nachts um neun Uhr sich zusammen rottirt, herumgeschweifft, und zu unterschiedenen mahlen die Fenster in der Reformirten Prediger Häuser eingeworffen und ein erschrecklich Geschrey gemacht. Als nun Marggraf Hanß Georg als Stadhalter Ihrer Churfürstlichen Gnaden solches vernom̃en, hat er sich mit etlichen zu Roß in die Stadt, die Tumultuirende abzutreiben, begeben, welche sich auf Sanct Peters Kirchhoff salvirt, und Sturm geschlagen, darauf denn alsbald ein gantzer Aufflauf entstanden. Ob nun wohl der Marggraff den Pöbel mit guten Worten abgemahnet, hat es doch wenig geholffen, sondern ihrer etliche Ihre Gnaden mit schmählichen Worten zugeruffen, biß es endlich so weit kommẽ, daß sie mit Musqueten und Pistolen an einander gesetzt, dadurch auf des Fürsten Seiten ze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Obrigkeitskritik und Fürstenberatung: Die Oberhofprediger in Braunschweig-Wolfenbüttel 1568-1714: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-02-15T13:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-02-15T13:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/254
Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Ernsthaffte, aber doch Muntere und Vernünfftige Thomasische Gedancken und Errinnerungen über allerhand außerlesene Juristische Händel. Zweyter Theil. Halle, 1724, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_ernsthaffte02_1724/254>, abgerufen am 23.11.2024.